Straßenbenennung nach den 12 erschossenen Perlachern

Datum10.02.1970SignaturDE-1992-STRA-40-70 
AbsenderFr. FriedEmpfängerBezirkausschuss Ramersdorf-Perlach - Hans Rattenhuber
ArtBriefStatusNamensfindung
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Ihrem Auftrag gemäß habe ich als Angehöriger des Bezirksauschusses 30, die Namen und die Umstände der im Jahre 1919 erschossenen Perlacher Bürger festgestellt, nach deren Namen einzelne Straßen in Neuperlach nenannt werden sollen.

Am 5. Mai 1919 wurden folgende Männer erschossen.

  1. Jakob Josef, Maurerpolier geb. 18.9.78 in Perlach
  2. Jakob Georg, Schreiner geb. 4.10.81 in Perlach
  3. Zeller Konrad, Straßenwärter geb. 2.12.76 in Ludwigsmoos
  4. Keil Johann, Lagerhalter geb. 3.8.69 in Esterndorf bei Eggenfelden
  5. Hufnagel Sebastian, Sägearbeiter geb. 16.12.71 in Wolnzach
  6. Koch Georg, Aug. Wilhelm, Artur Monteur geb. 10.2.71 in Schwarzburg-Vorderhausen
  7. Fichtl Johann, Former geb. 15.4.76 in Muntrach bei Kandsberg am Lech
  8. Eichner Georg, Gleisbai-Arbeiter geb. 28.4.84 in Oberpframmern
  9. Ludwig Josef, Hafnermeister geb. 13.2.63 in München
  10. Stöber August, Korbflechter geb. 4.4.70 in Rotenburg o.d. T.
  11. Krebs Albert, Former geb. 29.10.80 in Föss (Schweiz) Schweizer Staatsangehöriger
  12. Dengler Adalbert, Hilfsarbeiter geb. 23.3.73 in Zapfenried bei Regen

Meine Erhebungen bei den Nachkommen ergaben:

Sämtliche Männer waren Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges. Sie besaßen überhaupt keine Waffen oder Munition, sie haben sich auch nicht durch Aufruhr bemerkbar gemacht, sonder sie wurden denunziert. Ein Komitee, bestehend aus dem Bürgermeisrer, dem evangelischen Pfarrer, einem Apotheker und einem Polizeiangehörigen hat aus irgendwelchen Gründen die Namen der Weißen Garde gemeldet. Angeblich soll eine Liste  der SPD. vorgelegen haben. Darauf wurden die einzelnen Männer teils in den Wohnungen, teils am Arbeitsplatz von den Angehörigen des Freikorps Lützow verbracht. Es wurde mir gesagt, das beim Bürgermeister von Perlach telefonisch angefragt wurde, was mit den Männer geschehen soll, worauf der Bürgermeister geantwortet haben soll: "Macht was ihr wollt, das ist eure Sache."  Daraufhin wurden die Männer am 5.5.1919 erschossen. Hätte er sich für sie eingesetzt und die als anständige Menschen geschildert, wie es den Tatsachen entsprach, wären sie genauso wieder freigelassen worden, wie die Verhafteten von Unterhaching, wo sich der Bürgemeister dafür einsetzte.

Die Männer hinterließen 52 Waisenkinder, welche die Mütter von der Gemeinde Perlach monatlich je. 4.- Mark Unterstützung erhielten. Der erschossene Fichtl hinterließ allein 6 Kinder.

Erst im Jahre 1925 im April ging im Justizpalast ein Prozes wegen Rehabilitierung zu Ende, Im Urteil hieß es, das die Männer Opfer der Revolution geworden seien. Aber erst im Oktober 1925 erhielten die Witwen eine Rente.

Mit ziemlicher Sicherheit konnte ich feststellen, daß die beiden Jakob bereits um die Jahrhundertwende der SPD. angehörten. Die männlichen Nachkommen der beiden waren damals in der Schule nur dier "Sozibuben." Die anderen Erschossenen waren ebenfalls eingetragene SPD-Mitglieder.

Die Personalien der Erschossenen habe ich beim Standesamt II und im Städtischen Archiv in der Winzererstraße nachgeprüft.

Herr Josef Brückl, München 82, Kaltenbachstr. 11, schreibt in seinen Nachforschungen über die damaligen Vorfälle:

"Schreckliches aber muß die Familie unseres Kassiers, des Genossen Willi Stöber, durchmachen. Aufgrund einer Meldung eines Einwohners, der einen anoymen Brief mit Drohungen empfangen hat, rückt ein Trupp der Weißen in Perlach ein. Zielstrebig wird die Wohnung des Vorsitzenden der USPD durchsucht. Anhand der gefundenen Mitgliederliste  verhaftet ein Kommando nachts aus dem Bette heraus den Vater unseres Kassiers, den Genossen August Stöber, einen biederen Handwerksmeister, der mit seinen beiden Gesellen im eigenen Betrieb Stubenwägen für junge Erdenbürger und Wäschekörbe herstellt. Der arglose Mann, der politisch nie hervorgetreten ist, einst aktiver Soldat, kleidet sich an, beschwichtigt seine Frau und die Kinder und folgt willig den beiden Soldaten in der festen Überzeugung, daß sich die Verhaftung bald als Irrtum heausstellen werde. Doch er wird ohne Verhör, ohne jede Möglichkeit einer Rechtfertigung und ohne Urteil am Tage darauf, am 5.5.1919 im Hofe des Hofbräukellers von hinten meuchlings erschossen.

Im Haus warten die Familienangehörigen vergeblich auf ihren Vater. Als er am Tage nach seiner Verhaftung nicht eintrifft, begibt sich sein Sohn Willi, damals 17 Jahre alt, in die Stadt, um den Vater zu suchen. Er erfährt von Leuten, daß zwölf Männer erschossen wurden und die Leichen im Haidhauser Friedhof liegen. Da der Freidhof bei seiner Ankunft bereits abgesperrt ist, klettert er über die Mauer,  wo ihn der Friedhofswärter stellt. Der Bub erzählt von seiner Not und den dunklen Befürchtungen. Daraufhin führt in der Wärter zu einem Haufen von Toten. Entsetzt erkennt der Sohn seinen Vater, obwohl das autretende Profil die eine Gesichtshälfte weggerissen hat. Mit seinem Vater sind noch elf weitere Gesinnungsgenossen füseliert worden.

Gegen die Mörder der zwölf unschuldigen sozialdemokratischen Arbeiter aus Perlach, die Mitglieder in einer legalen Partei waren, findet erst im Januar 1926 ein Strafverfahren vor dem Münchner Schwurgericht statt. Die Töter, die wegen eines begangenes Diebstahls in Strafhaft saßen, wurden unter dem Beifall der nationalsozialistischen Zuhörerschaft freigesprochen.

Im Städtischen Atchiv habe ich festgestellt:
In dem Buche "Revolution und Räteherrschaft in München" aus der Stadtchronik 1918/19 Seite 109 ist unterm 5.5.19 (Montag) verzeichnet:

"12 sozialdemokratische Arbeiter und Handwerker aus Perlach wurden am Vormittag von Anghörigen des Freikorps Lützow im Hof des Hofbräukellers an der Inneren Wiener Straße wegen angeblichen Waffenbesitzes ohne gerichtliches Urteil erschossen.
(Die beiden Hauptverantwortlichen dieses Massakers, Pölzing und Prüfert, werden am 13. Januar1926 durch ein Münchner Schwurgericht freigesprochen. Das Reichsgericht bestättiǵt dieses Urteil am 7. August 1926)!.

Es steht eindeutig fest, daß die erschossenen Männer keine Waffen oder Munition besaßen, politisch keinen Aufruhr gemacht haben und deshalb unschuldig erschossen wurden. Nur die Zugehörigkeit zu einer linksgerichteten demokratischen Partei wie SPD war der Anlaß zur Verhaftung und der Grund zur Hinrichtung…

Ich halte die Männe für würdig, daß in Neuperlach Straßen nach ihnen benannt werden, Evtl. wäre die Erwägung zu ziehen, daß am Kriegerdenkmal in Perlach, oder in der Kirche eine Gedenktafel angebracht wird.

 


Akteninhalt

 DatumTitelSignaturid
10.02.1970Straßenbenennung in Neuperlach
Bezirks-Ausschuß Ramersdorf-Perlach | Baureferat-Wohnunswesen
DE-1992-STRA-40-70 (1343)1343
10.02.1970Straßenbenennung nach den 12 erschossenen Perlachern
Fr. Fried | Bezirkausschuss Ramersdorf-Perlach - Hans Rattenhuber
DE-1992-STRA-40-70 (1345)1345
10.03.1970Straßenbenennung in Neuperlach
Baurefert-Wohnungswesen | Stadtarchiv
DE-1992-STRA-40-70 (1342)1342
19.03.1970Straßenbenennung in Neuperlach
Stadtarchiv | Baureferat-Wohnungswesen
DE-1992-STRA-40-70 (1344)1344