Münchner Straßenverzeichnis


Nach dem Besuch des Gymnasiums und Lyzeums in Freising studierte S. in München Theologie, wurde 1893 zum Priester geweiht und war Kaplan in Grassau, München-Giesing und Traunstein. 1900 ging er als Seelsorger nach Giesing zurück, gab Religionsunterricht und wurde bald als Katechet bekannt. Seit 1918 war er Pfarrer in München-Thalkirchen.

Seit 1901 forderte S. eine kindgemäße Katechese anstelle der Schulkatechese des 19. Jh., die allein die Aneignung von Glaubenswissen durch Memorieren von Katechismussätzen zu leisten versucht habe. Als Vorsitzender des „Münchener Katecheten Vereins“ (1911–16, Mitgl. seit 1893), dessen „Katechetische Blätter“ er seit 1909 mitherausgab, war S. neben Anton Weber (1868–1947) und Joseph Göttler (1874–1935) führend beteiligt an der Konzeption und Verbreitung der „Münchener Methode“, die anfänglich auch „Stieglitz-Methode“ bzw. „psychologische Methode“ genannt wurde. Nach dieser wird die Katechese in den bis heute anerkannten drei Hauptstufen (Darbietung, Erklärung, Anwendung) und zwei Nebenstufen (Zielangabe mit Vorbereitung und Zusammenfassung) durchgeführt. S. verstand seine im Rückgriff auf Friedrich Herbart und in Anlehnung an Theorien des Philosophen und Pädagogen Otto Willmann (1839–1920) entwickelte Methode ganzheitlich und wollte Kinder in ihrer Charakterentwicklung, in ihrer Willens- und Verstandesbildung erziehen.

Vorbehalte gab es kirchlicherseits gegenüber seiner vermeintlich vom Protestantismus beeinflußten, den Katechismus ergänzenden Bibelarbeit. Das Vorurteil, seine bewußte Orientierung an den Kindern stelle den Vorrang der autoritativen Wahrheitsoffenbarung in Frage, wurde sogar kirchenamtlich vorgetragen. Dennoch trat S. unbeirrt für eine Reform von Lehrbüchern und Lehrplänen ein: ein Engagement, das in S.s Straßburger theol. Dissertation „Die religiöse Fortbildung der Jugendlichen“ (1918, gedr. 1919) einen späten, aber eindrucksvollen Abschluß fand.

Als Hauptreferent der katechetischen Kurse in München (1905, 1907, 1911), durch seine weit verbreiteten Katechetenbücher und durch über 100 Zeitschriftenaufsätze konnte S. seine Münchener Methode deutschlandweit verbreiten und durchsetzen. Durch ihn öffnete sich die damals isolierte Katechetik den jungen Wissenschaften der Pädagogik und der Psychologie und schaffte so die Voraussetzung für die Religionspädagogik als eigenständige theologische Disziplin. S. führte auch eine erste empirische Untersuchung unter Münchener Schülern durch (1912). Grenzen seiner katechetischen Arbeit zeigen sich in der schon früh kritisierten Überbetonung der formalen Diktion des Unterrichtsgeschehens, die erst durch die Einflüsse der Reformpädagogik gemildert wurde. Auch dem Zusammenhang von Unterrichtsinhalten und Methoden ging S. noch zu wenig nach.

Göllner, Reinhard, "Stieglitz, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 324-325 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd122035453.html#ndbcontent

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Straßenname Heinrich-Stieglitz-Kehre
Benennung 1981 Erstnennung
Plz 81371
Stadtbezirk 6. Sendling | Sendlinger Feld
RubrikPersonen
Kategorie Geistlicher  Pfarrer  Religionspädagoge  
Lat/Lng 48.10606 - 11.54303   
Straßenlänge 0.078 km
Person Stieglitz Heinrich
geboren 17.6.1868 [Landshut]
gestorben 3.3.1920 [München]
Kategorie Geistlicher  Pfarrer  Religionspädagoge  
Nation Deutschland
Konfession katholisch
GND 122035453
Leben

Nach dem Besuch des Gymnasiums und Lyzeums in Freising studierte S. in München Theologie, wurde 1893 zum Priester geweiht und war Kaplan in Grassau, München-Giesing und Traunstein. 1900 ging er als Seelsorger nach Giesing zurück, gab Religionsunterricht und wurde bald als Katechet bekannt. Seit 1918 war er Pfarrer in München-Thalkirchen.

Seit 1901 forderte S. eine kindgemäße Katechese anstelle der Schulkatechese des 19. Jh., die allein die Aneignung von Glaubenswissen durch Memorieren von Katechismussätzen zu leisten versucht habe. Als Vorsitzender des „Münchener Katecheten Vereins“ (1911–16, Mitgl. seit 1893), dessen „Katechetische Blätter“ er seit 1909 mitherausgab, war S. neben Anton Weber (1868–1947) und Joseph Göttler (1874–1935) führend beteiligt an der Konzeption und Verbreitung der „Münchener Methode“, die anfänglich auch „Stieglitz-Methode“ bzw. „psychologische Methode“ genannt wurde. Nach dieser wird die Katechese in den bis heute anerkannten drei Hauptstufen (Darbietung, Erklärung, Anwendung) und zwei Nebenstufen (Zielangabe mit Vorbereitung und Zusammenfassung) durchgeführt. S. verstand seine im Rückgriff auf Friedrich Herbart und in Anlehnung an Theorien des Philosophen und Pädagogen Otto Willmann (1839–1920) entwickelte Methode ganzheitlich und wollte Kinder in ihrer Charakterentwicklung, in ihrer Willens- und Verstandesbildung erziehen.

Vorbehalte gab es kirchlicherseits gegenüber seiner vermeintlich vom Protestantismus beeinflußten, den Katechismus ergänzenden Bibelarbeit. Das Vorurteil, seine bewußte Orientierung an den Kindern stelle den Vorrang der autoritativen Wahrheitsoffenbarung in Frage, wurde sogar kirchenamtlich vorgetragen. Dennoch trat S. unbeirrt für eine Reform von Lehrbüchern und Lehrplänen ein: ein Engagement, das in S.s Straßburger theol. Dissertation „Die religiöse Fortbildung der Jugendlichen“ (1918, gedr. 1919) einen späten, aber eindrucksvollen Abschluß fand.

Als Hauptreferent der katechetischen Kurse in München (1905, 1907, 1911), durch seine weit verbreiteten Katechetenbücher und durch über 100 Zeitschriftenaufsätze konnte S. seine Münchener Methode deutschlandweit verbreiten und durchsetzen. Durch ihn öffnete sich die damals isolierte Katechetik den jungen Wissenschaften der Pädagogik und der Psychologie und schaffte so die Voraussetzung für die Religionspädagogik als eigenständige theologische Disziplin. S. führte auch eine erste empirische Untersuchung unter Münchener Schülern durch (1912). Grenzen seiner katechetischen Arbeit zeigen sich in der schon früh kritisierten Überbetonung der formalen Diktion des Unterrichtsgeschehens, die erst durch die Einflüsse der Reformpädagogik gemildert wurde. Auch dem Zusammenhang von Unterrichtsinhalten und Methoden ging S. noch zu wenig nach.

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