Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Straße | von | Grund | bis | Grund |
---|---|---|---|---|
Paul-Lagarde-Straße | 3.9.1925 | Erstnennung | 28.2.2016 | Umbenennung |
Ilse-Weber-Straße | 28.2.2016 | Umbenennung | Kein Grund angegeben |
Derernat VII/40
Gegenstand:
Straßenbenennungen.
I. Vormerkung:
Mit Stadratsbeschluß vom 3.9.1925 wurde die Paul-Lagarde-Straße benannt. Erläuterung des Namens: Lagarde,Paul Anton de, bekannt durch seine Schriften über religiöse, politische und Erziehungsfragen, geb. 2.11.1827 ziu Berlin, gest. 22.12.1891 zu Göttingen. Das Büro des Oberbürgermeisters teilt telefonisch mit, daß eine Überprüfung dieser Erläuterung geboten erscheint.
II. Zum Stadtarchiv
mit der Bitte um Kenntnisnahme vorstehender Vormerkung und Mitteilung zweckdienlicher Angaben über die Persönlichkeit Paul de Lagarde.
Am 17. Juni 1942.
Dezernat VII:
I.V.
gez. U. u.
Rechtsk. Stadtdirektor.
gez. Dr. Schaffer.
Archivdirektor.
AUfgrund von Anträgen der zuständigen Bezirksauschüsse ist das Baureferat gehalten, über Paul Largarde und Julius LAngbehn Erhebungen anzustellen, ob diese namen für eine Straßenbezeichnung weiterhin geeignet sind. DAs Baureferat bittet daher anhand der Ihnen zur Verfügung stehenden Literatur um Ihre Stellungsnahem, ob die vorerwähnten Namen aus Ihrer Sichr für einwe Straßenbenennung noch gerechtfertigt erscheinen bzw. ob Sie der Auffassung sind, daß eine Umbenennung vorgeneommen werden sollte.
Das Baureferat wäre dankbar, wenn Sie Ihrer Stellungsnahme eine nähere Begründung beifügen würden.
I.A.
Dr. Körber
Dem Stadtarchiv sind keine Gründe bekannt, die eine Umbenennung der nach Paul Largarde und Julius Langbehn genannten Straßen rechtfertigen würden. Eine eine gehende Stellungsnahme ist jedoch erst möglich, wenn uns die von den zuständigen Bezirksausschüssen erhobenen Einwendungen gegen die beiden Namen mitgeteilt werden.
gez. Dr. Schattenhofer
Dem Stadarchiv sind keine Gründe bekannt, die eine Umbenennung der nach Paul Lagarde und Julius Langbehn genannten Straßen rechtfertigen würden. Eine eingehende Stellungsanhme ist jedoch erst möglich, wenn uns die von den zuständigen Birzirksausschüssen erhobenen Einwände gegen die beiden mitgeteilt werden.
Dr. Schattenhofer
1. Paul Anton de Lagarde, eigentlich Bötticher, ist am 2.11.1827 in Berlin geboren und am 22.12.1891 in Göttingen gestorben. Hier war er seit 1864 Professor dr Orientalistik. Durch seine Textkritischen Arbeiten zum Alten Testament sowie durch seine politischen und kulturkritischen Schriften hat er sich einen Namen gemacht. Er trat für ein nationales Christentum ein, indem er heftige Kritik an dem Paulinischen Christentum nahm. Aus der Geschichte des deutschen Idealismus im Umkreis von Hegel und Schelling ist sein Name nicht wegzudenken. Wegen seiner kritschen Einstellung zum Judentum brachte ihn Alfred Rosenberg im Dritten Reich zu neuem Ansehen, wobei allerdings ein gründliches Mißverständnis der philosophischen Grundlagen Lagarde's zu einer heute wieder revidierten Fälschung seines Denkens geführt hat. Zu dieser Revision hat insbesondere der amerikanische Philosoph R.W Lougee mit grundsätzlichen Schriften beigetragen. Alles in allem besteht kein Grund, den Orintalisten und Kulturphilosophen aus dem geschichtlichen Bewußsein löschen, zumal ihm die falsche Interpretation seiner Gedanken durch die Nationalsozialisten nicht angelastet werden kann.
2. Julius Langbehn ist am 26.3.1851 in Haldersleben geboren und am 30.2.1907 in Rosenheim gestorben. Der Schriftsteller wird nach seinem 1890 anonym erschienen Werk "Rembrand als Erzieher" der Rembrand-Deutsche genannt. In diesem Buch rief Langbehn zur Erneuerung der deutschen Kunst im gegegnsatz zur Rationalisierung und Technisierung auf. Starke Einflüsse gingen von ihm auf die Zeitschrift "Der Kunstwart" und auf die Künstlergruppe in Worbswede aus. Auch er wurde von den nazis als Vorkämpfer für das "deutsche Wesen" in Ansprucj genommen. Heute weis man, daß auch dies nur opportunitische Propaganda war und der Bedeutung von Langbehn in seiner Einflußnahme auf den Jugendstil und dem Expressionismus liegt. Auch hier besteht kein zwingender Grund, den Straßennamen zu ändern.
3. Zu den sich mehrenden Anträgen der Bezirksausschüsse muß einmal festgestellt werden, daß die Ablehenungen meist ohne differenzierte Begründungen ausgesprochen werden. Es wird auch in Erinnerung gebracht, daß die sich mehrende Kritik an den Münchner Straßennamen eine grundsätzliche Frage aufwirft, nämlich die, ob die sog. Bewältigung der Vergangenheit einfach im AUslöschen von namen vor sich gehen soll oder besser nicht besser zu einer Revision des geschichtlichen Bewußtseins führen müßte. Sonst laufen wir Gefahr, daß auch Namen wie Engels oder Marx angegriffen werden etwa mit der Begründung, daß diese Männer die philosophischen Begründer von totalitären Machtstaaten seien. In Frankreich würde niemand auf den Gedanken kommen, eine Napoleonstraße umzubenennen, obwohl dieses Volk den Korsen schließlich abgesetztz und in die Verbannung geschickt hat. Die Kritik an der Geschichte kann nicht nur in der Negierung von Namen und Fakten bestehen. Sonst sollte man lieber dazu übergehen, Straßen nur noch nach Blumen, Tieren und geographischen Bezeichnungen zu benennen.
gez. Dr. Alfons Ott
Städt. Oberbibliotheksdirektor
I. Vortrag des Referenten
Mit Schreiben vom 2. september 1970 wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund Kreis Münchern Jugend angeregt, "Straßennamen, die an Militär, Militarismus oder Krieg erinnern, durch solche zu ersetzen, die etwas mit dem Kampf für den Frieden zu tun haben." Die Deutsche Friedensgesellschaft Inernationale der Kriegsdienstgegner e.V. erhon dieselbe Forderung und nannte insbesondere die Straßenbezeichnung nach Paul Legarde und nach Lothar von Trotha.
Der Bezirksausschuß 21 teilte mit Schreiben vom 7.1.1971 mit, daß er Anregung, Straßen, die an Militarismus und Krieg erinnern, umzubenennen, grundsätzlich untestütze. Der Bezirksausschuß 25 vertrat mit dem Schreiben vom 25.1.1971 die Auffassung, daß München in seiner Geschichte noch nie eine Stadt gewesen sei, in der militärische Tradition bei der Bevölkerung in hohem Ansehen gestanden habe. Dem sollte Rechnung getragen werden. Außerdem sei es an der Zeit, "nicht nur die unmittelbaren Vertreter des Dritten Reiches, sondern auch ihre geistigen Helfershelfer und Urväter dem Öffentlichen Vergessen und nicht der öffentlichen Ehrung zu überantworten.
Der Bezirksausschuß 32 teilte mit Schreiben vom 18.1.1971 mit, daß die Anlieger der Von-Trrotha-Straße an einer Umbenennung nicht interessiert seien. Er stimmt jedoch grundsätzlich dem Vorschlag der Deutschen Friedensgesellschaft zu, sofern "genaue Unterlagen vorgelegt werden."
Mit Beschluß des Bau- und Vergabeausschusses vom 22.7.1971 wurde das Baureferat beauftragt, die von den Bezirksausschüssen vorgebrachten Anregungen zu überprüfen und nach Vorliegen des Prüfungsergebnisses erneut zu berichten. Es handel sich dabei um folgende Straßen:
Von-Erckert-Straße bzw. Platz, Von-Gravenreuth-Straße, Von-Trotha-Straße, Von Heydebreck-Straße und Paul-Legarde-Straße.
Hierzu führt das Baureferat folgendes aus:
Das Baureferat hat die Direktion der städtischen Bibiotheken und das Stadtarchiv um Stellungsnahme gebeten, ob die vorgenannten Namen für eine Straßenbenennung noch geeignet seien oder ob eine Umbenennung vorgenommen werden sollte. Diese Stellungsnahme sind dem Beschluß in Anlage beigefügt.
Zusammenfassend wird in den Stellungsnahmen folgendes festgestellt:
Auch die im Straßenbenennungsverfahren einzuschaltenden Gutachter wurden um Stellungsnahme gebeten. Es sind dies die Herrn Bürgermeister Dr. Steinkohl, Stadtschulrat Dr. Fingerle, Stadrat Dr. Hohenemser, Stadtrat Bauer und Stadtdirektor Kohl. Sämtliche Gutachter vertreten die Auffassung, daß für eine Änderung der Straßennamen keinerlei Veranlassung gegeben sei. Herr Professor Dr. Fingerle weist noch darauf hin, daß das Geschichtsbild unserer Stadt eine vielfältige Struktur aufweise und dies Tatsache sich auch in der reichen Palette dr Straßennamen zeige, die gewiß epochal und in den wenigsten Fällen "überzeitlich" zu verstehen seien. Herr Bürgermeister Dr. Steinkohl betrachtet es geradezu als anmaßend, wenn unsere Zeitepoche glaube, über alle früheren sich als Richter aufspielen zu können. Wenn jede Zeitepoche sich das anmaßen würde, wäre die Benennung von Straßen nach geschichtlichen Personen geradezu sinnlos. Er zitierte abschließend Golo Mann:
"Die Geschichte ist nicht ein Mantel, den ein Volk einfach ausziehen und in den Kleiderschrank hängen kann."
Gegen eine Umbenennung sprechen auch noch rechtliche Gründe:
Grundlage für die Benennung oder Umbenennung einer Straße ist Art. 52 BayStrWG in Verbindung mit der Satzung über die Benennung von öffenlichen Verkehrsflächen und die Umnummerierung der Gebäude und Grundstücke in der Landeshauptstadt München (Straßennamen- und Hausnummersatzung) vom 19.12.1968. Nach einem Urteil des Bayerischen verwaltungsgerichtshofes vom 28,6,1965 stellt jede Straßenumbenennung für die Anlieger einen Verwaltungsakt dar, der gerichtlich angefochten werden kann. Soll eine Entscheidung über eine Umbenennung einer Straße einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung standhalten, so muss sie den sachlichen Gesichtspunkten entsprechen, die sich aus den Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben. Art. 52 BayStrWG und die Straßennamen- und Hausnummersatzung sind Vorschriften, die in die Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie des Kommunalrechts einzuordnen sind. Sicherheitsrechtliche Erwägungen gebieten keine Änderung der beanstandeten Straßennamen, weil die Merkmale zur Rechtfertigung einer Umbenennung (erleichterte Auffindbarkeit für jedermann, Beseitigung von Verwechsungsgefahren oder Doppelbenennungen etc.) nicht vorliegen. Es muss damit gerechnet werden, daß eine Anzahl der Betroffenen von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebtacu machen wird. Dies ist insbesondere wegen der nicht unerheblichen Kosten bei einer Umbenennung zu erwarten. Ob soclhe Prozesse für die Sadt positiv ausgehen würden, erscheint aus den obengenannten Gründen zweifelhaft.
Der zustöndige Korefernt und der Verwaltungsbeirat haben bdruck erhalten.
II. Antrag des Referenten
Meinem Vortrag entsprechend beantrage ich folgendes:
Eine Änderung von Straßennamen militärhistorischen Ursprungs sowie im Vortrag angesprochen Straßennamen ist nicht veranlaßt. Aus den vorgenannten Gründen kann daher den Anregungen der Bezirksausschüsse 21,25 und 32 vom 7.1.1971, 18.1.1971 und 25.1.1971 nicht entsprochen werden.
III, Beschluß
Nach Antrag.
IV. Abdruck von I - III
an das Direktorium Verwaltungsamt
an das Revisionsamt
an das Stadtarchiv
mit der Bitte um Kenntnisname
. WV beim Baureferat/SG4 zur weiteren Veranlassung.
Stadrat der Landeshauptstadt München