Münchner Sagen & Geschichten

Johann Schiltberger. 1380.

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Im Jahre 1380 wurde dem Münchener Bürger Schiltberger ein Söhnlein geboren, das in der heiligen Taufe den Namen Johann erhielt, Derselbe erlebte erstaunliche und wunderbare Abenteuer, die er selbst beschrieb.

Da seine Aeltern nicht vermöglich waren, so begab er sich schon als Knabe in die Dienste des Ritters Leonhard von Reichartingen.

Damals war im Morgenlande ein gewaltiger Sultan der Türken, genannt Bajazeth. Seine Grausamkeit und noch mehr seine blutigen Siege und sein rasches Vordringen hatten ihm den Beinamen Jilderim (der Blitz) gegeben. Nachdem er Kleinasien und einen großen Theil Griechenlandes erobert hatte, drang er mit einem unermesslichen Heere gegen die Donau vor.

Da erschrack vor dem drohenden Ungewitter ganz Europa. König Sigmund von Ungarn schickte Gesandte durch alle Lande und begehrte Hilfe gegen die Grausamkeit und den Blutdurst der Türken. Alsbald erschien aus 

Frankreich ein großes Heer, tausend Ritter, eben so viele Knappen uns sechstausend Söldner zählend, unter den Befehlen des Grafen Artois, der Herzogs Johann von Burgund und des weitberühmten Connetable Boucicault. Auch die Deutschen kamen in großer Zahl, unter ihnen viele bayerische Edelherren, als Pfalzgraf Rupert, die Frauenhofer, Sandizell, Ulrich Kugler, der kleine Ritter von Stein, zwei Frauenberger, ein Törringer, Ott und Notthaft und Leonhard von Reichartigen, den sein Diener, unser Johann Schiltberger, auf diesem Zuge begleitete. Die Bayern zogen im Jahre 1394 über Regensburg nach Wien, wo sie sich mit den Franzosen und den Oesterreichern vereinigten. Von da ab ging der Zug nach Ofen, wo bereits Sigismund von Luremburg, König von Ungarn, mit den Seinigen stand. Sechzigrausend war die Zahl der von Sigismund gegen die Türken geführten Krieger, ein Heer, wohl stark und tapfer genung zum Siege, wenn Uebermuth und Uneinigkeit es nicht ins Verderben gestürzt hätte, Die ersten kleinen Gefechte waren glücklich für die Franzosen, was ihren Siegesübermuth verstärkte, und sie zu gemeiner und unnützer Grausamkeit hinriß´- Sie vermaßen sich, „den Himmel, wenn er einstürzen sollte, mit ihren Lanzen aufzuhalten.“ Aber auch gleich prahlerisch waren die Türken, und Bajazeth drohte, „sein Pferd Haber fressen zu lassen am Hochaltar zu St. Peter in Rom.“

Mit der Belagerung des von den Türken besetzten Nikopolis begann der Feldzug, worauf schnell Bajazetz zum Entsatze dieser Festung herbeieilte. Am 26. September 1396 fiel die große Schlacht bei Nikopolis vor.

Die Franzosen kämpften anfangs sehr glücklich, die zuerst erschienenen leichten türkischen Reiter und dann auch die Janitscharen und Spahis wurden geschlagen und flohen. Aber siegestrunken und übermüthig zerstreuten sich die Franzosen voreilig. Da rückte Bajazeth mit seiner Reserve, vierzigtausend Mann stark, die er bisher vorsichtig in geschlossener Ordnung zurückgehalten hatte, vor. Als die ermatteten Franzosen diese frischen Truppen sahen, entfiel ihnen der Muth; die meisten flohen bestürzt, die übrigen wurden von den Türken getödtet oder gefangen; aber auch die Fliehenden erreichte das Verderben. Vergeblich kam der König Sigismund mit den Ungarn, mit den bayerischen und märkischen Rittern ihnen zu Hilfe; ein stürmischer Angriff der Servier, die als Bundesgenossen der Türken fochten, machte bald der Schlacht ein Ende. König Sigismund konnte sich nur mit genauer Noth mit seinem Freunde Oswald von Wolkenstein und einigen wenigen Edlen auf einem Nachen über die Donau retten. Auch Ritte Leonhard der Reichartinger wurde mit seinem Schildknappen Johann Schiltberger gefangen.

Des anderen Morgens beschaute Bajazeth das Schlachtfeld. Als er sechzigtausend der Seinen todt liegen sah, weinte er vor Wuth und schwur Rache zu nehmen an den Gefangenen, Nachdem mehrere der vornehmsten Franzosen, worunter der Graf von Revers, die Herren von Couch und Tremouille, die Grafen von Eu und Marche, des hohen Lösegeldes wegen, das für sie erwartet wurde, ausgesondert waren, ließ der Sultan vor seinen Augen ein ungeheures Gemetzel beginnen; einzeln wurde jeder Gefangene vorgeführt und enthauptet oder erschlagen.

Unter diesen Hingerichteten war auch Leonhard von Reichartingen; sein Diener Hans Schiltberger aber wurde begnadiget, weil er erst sechzehn Jahre als war, denn nur jene über zwanzig Jahre alt sollten sterben. Vom frühen Morgen bis spät nachmittags was schon das Blut von zehntausen Gefangenen vor Bajazetzs Füßen hingerieselt, als seine Großen sich ihm zu Füßen warfen, um Schonung für die Uebergebliebenen flehed; sie wurde gewährt. 

Bei der Theilung der Gefangenen fiel Schiltberger dem Sultan Bajazeth zu, dem er nun sechs Jahre als Laufer, nach diesen sechs weitere Jahre zu Roß dienen musste. Er machte während dieser Zeit alle Feldzüge Bajazeths mit. Nach Bajazeths Tode fiel er in Tamerlans Hände. Mit ihm kam er nach Syrien, Armenien, Persien, nach Babylon, Indien und in die Tartarei bis in das Reich des großen Chan con Cathay, das neben dem lande des Priesterköniges Johannes gelegen ist. Nach Tammerlans Tode trat Schiltberger in die Dienste seiner Söhne nund Nachfolger, fuhr unter Scharoch, Miramschlar und Abudachir dem Starken weit umher, bis er im Gefolge des Prinzen Zegra zu den Eskimos und in die nördlichen Gegenden, vielleicht sogar nach China und Japan abenteuerte.

Alle die auf seinen Zügen erlebten wunderbarlichen und erstaunlichen Dinge erzählt er in seiner verfassten Beschreibung ohne alle Zeitordnung, in fast unauflösbarer Verwirrung und untermischt mit allerlei Fabeln, die er hörte, Er führt an: „Wie der türkische König Weyafit (Bajazeth) eine ganze Landschaft bei Hungarn einnahm, (dessen Streifzug durch Salvonien und Kroatien nach Pettau). – Wie der Weyafit mit seinem Schwager Karaman kriegt und ihn zu todt schlägt. – Wie der Weyasit den König Bursanadin  von Sebast aus seinem Land vertrieb. – Wie Weyasit von dem König Soldan die Stadt Malathea und das Könifreich begehrt. – Wie der Temerlin (Tamerlan) den Weyasit vertrieb, und das Königreich Sebast gewann. – Wie der Weyasit dem Temerlin eine Landschaft, klein Armenia genannt, einnahm und erobert. – Wie der Temerlin mit König Soldan kriegt, Babylon gewann und zerstörte, mit dem großen Chan wollt gestritten haben und mocht ihm doch nichts abbrechen, - ein grausame und erbärmliche Histori, wie Temerlin vor der Stadt Hispahen (Ispahan) 7000 junge Kinder unter 14 Jahren jämmerlich umbracht, des Temerlins Tod und wie und was Ursachen er gestorben sei, - wie der Schiltberger in Babylonia und in der großen Tartarey gewesen, den Euphrat, Tigris und Nil, Jerusalem und das heilige Grab gesehen“ ec. Dessen Behandlung war zwar eben nicht hart, doch das Unglück Sklave, und unter den blinden Heiden zu sein, die den Gott Machomet anbeten, war dem biedern Münchener Hans Schiltberger unerträglich. Darum entfloh er einst nach langer Ueberlegung mit noch sechzig Mitsklaven. Schon hatten sie zwei Tage Vorsprung in der unbekannten Gegend unter vielen Entbehrungen und Leiden. Aber fünfhundert Spahis holten sie am dritten Tage ein; nach kurzem Gefechte ergaben sie sich und Bajazeth verzieh ihnen auf Bitten seines Sohnes. Bei Samsun sah Schiltberger eine große Schlacht zwischen vielen tausend Waldnattern und Meerschlangen, in welcher die Nattern siegten, nachdem sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gekämpft, Er Sah und beschreibt die entsetzlichen Grausamkeiten der Kriege Bajazeths und Tamerlans, wie dieser in Ifpahan Alles über vierzehn Jahre erwürgte, von den Köpfen der Erschlagenen eine Pyramide baute und die Kinder unter sieben Jahren auf´s Feld hinausschleppen ließ unter die Hufe seiner Rosse. Er erzählt die Geschicklichkeit Abubachir´s, des Enkels Tamerlans, der durch eine Raschiene schoß und auf einen Streich einen dreijährigen Ochsen in zwei Theile hieb. – Schiltberger sah, wie die tartarische Fürstin Sadurmelik, die mit viertausend Weibern wider einen andern Tartarfürsten, der ihren Gatten getödtet, auszog, diesen besiegte, gefangen nahm, und ihm mit einem Streiche seinen Kopf vor die Füße legte. – Im Gebirge sah er die Zauberburg mit der schönen Jungfrau und dem Sperber, wo Jedem ein Wunsch gewährt wird, jedoch nichts Unrechtes, sonst wird er verflucht. Schiltberger und seine Genossen zogen bei der Sperberburg sich bekreuzend vorüber, nur Einer wollte das Abenteuer bestehen; die Andern widerriethen´s, als heller Teufelswerk. – In Chorosan sah Schiltberger einen dreihundertfünfzigjährigen Greis, der zum drittenmale Zähne bekam und dessen Bart ihm dis auf die Knie hinabrechte. Er sah, wie die Tartaren das Fleisch unter dem Sattel mürbe reiten, und wenn es ihnen an selbem gebricht, ihren gebricht, ihren Rossen zur Ader lassen und das Blut saufen. – Er sah auch die Brieftauben, und auf dem Hafenthurm zu Alexandrien den übergroßen Spiegel, darin man Alles sah, was der Feind in Cypern vorhatte. Diesen Spiegel zerbrach ein Priester, dem man dafür das beste Bisthum versprochen, und der vom Pabst Erlaubniß erhalten, zum Scheine ein Götzendiener zu werden. – Er sah ferner das St. Katharinenkloster mit seinen griechischen Mönchen, die immerfort fasten. Stirbt ein Mönch, so lischt seine Ampel von selbst aus. Nach dem Tode jedes Abtes finder man einen Brief auf dem Altar, darin steht, wer ihm folgen soll. Für die Tausende von Ampeln haben sie immer Oel genug; denn wie die Oelbeeren reif werden, kommen alle Vögel des Landes zusammen, und jeder bringt in seinem Schnabel einen Ast auf St. Katharinenberg. – In Aegypten war ein Riese, dessen Schinbein legte man in Arabien als Brücke über einen Felsenpaß so hoch, daß man den unter ihr sich durchzwängenden Strom nicht sieht, sondern nur brausen hört. Diese Riese trug einmal so viel Holz nach Kairo, daß man alle Backöfen der Stadt damit heizen konnte. Dafür bekam er zwölftausend Brode, die fraß er alle auf einem Sitz. „Wär es nicht wirklich dem also, so thät ich es nicht schreiben,“ sagt der gute Schiltberger. – Nicht weit von Hebron, erzählt er weiter, ist das Thal Mamreh, in dem der berühmte dürre Baum steht. Die Muhmedaner nennen ihn Kirrutherek, sonst heißt er auch Sirpe, Dieser baum stand schon zu Abrahams Zeiten und grünte ununterbrochen fort, bis er zur Zeit des Kreuztodes Christi plötzlich verdorrte. Nun hat sich eine Prophezeiung unter den Landeseinwohnern erhalten: ein abendländischer Fürst werde Jerusalem mit einem christlichen Heere erobern und unter diesem Baume Messe lesen lassen, da soll dann der Baum wieder ausschlagen und Frucht tragen. Die Muhamedaner 

warten dieses Baumes wohl und halten ihn hoch in Ehren. Sie haben auch große Ursache dazu, denn wenn Einer mit der fallenden Sucht behaftet ist und nur irgend ein Zweiglein dieses baumes bei sich trägt, so ist er gegen das Hinfallen gesichert. – Zu Pabst Silvesters Zeiten war in den Bergen hinter Rom ein Drache und ein Einhorn, die den Vorüberziehenden viel Unangenehmes thaten und Viele auffrassen. Silvester hatte die Ehre, den König von Armenien zu kennen, der so stark war als vierzig Ochsen, und bat ihn um Erlösung. Der König ging hinaus, und traf Einhorn und Lindwurm, wie sie just mit Zähnen und Klauen mit einander stritten. Da schlug der König dem Lindwurm geschwinde das Haupt ab; das Einhorn, dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht, stützte rücklings über den Felsen und war gleichfalls todt.

Der König von Armenien schickte dem Kaiser in Konstantinopel Hilfe wider die Tartaren und schlug Sie; die Griechen aber waren undankbar gegen ihre Retter, bewirtheen sie köstlich durch drei Tage, und legten jedem eine Jungfrau zu, des Sinnes, in der Brautnacht Alle zu ermorden. Das geschah ihnen auch, bis auf einen Einzigen; den hatte seine Bettgenossin aus inniger Liebe gewarnt, daß er floh. Darob strafte der König die Griechen mit blutigem Krieg, und sing ihrer einen solch großen Schwarm, daß man um eine Zwiebel dreißig Griechen kaufte.

Endlich nach langer Zeit gelang es dem Schiltberger doch, mit noch fünf Andern aus Mingrelien zu entfliehen; er kam glücklich ans schwarze Meer, wo er noch langen Irrfahrten, von Muscheln, Merrspinnen und 

Meerkrebsen kümmerlich lebend, endlich zum griechischen Kaiser nach Konstantinopel kam, der kaum glauben wollte, daß er ein Gefangener von Rikoplis sei, und ihn nach Galacz überführen ließ. von da kehrte er mit Regensburger kaufleuten in die Heimat über Lublin, Krakau, Breslau, Eger, Regensburg, Landshut und Freising.

Wohlbehalten kam er nach so langer Zeit und nach so vielen Führlichkeiten im Jahre 1427 in seiner Vaterstadt München wieder an, wo er mit Verwunderung und Freude empfangen wurde. Eer ließ sich nunmehr zu Hause als wackerer Bürger nieder, verheiratete sich, und erzählte noch in hohem Alter seinen Kindern und enkeln seine wunderbaren Erlebnisse. Sein darüber geschriebendes Buch aber wird noch heut zu Tage von Jung und Alt gelesen.


 Schiltberger Johann

Denkmal an Gerd Müller