Alte Bücher

 Seite 539


Münchener Stadtbuch

XLVI. Münchener Sagen

3. Das Thürmlein mit der drohenden Faust.

An der inneren Stadtringmauer unfern dem Sendlmgerthore steht ein Thürmchen, mit einer drohenden Faust auf der Dachspitze., Dieses Thürmchen hat einen inneren Raum von 6 bis 8 Fuß Breite und 10 Fuß Höhe, und der Boden ist gepflastert. Die Erbauung desselben fällt in die Zeit der Ummauerung der Stadt unter Kaiser Ludwig dem Bayer, sohin vor das Jahr 1315. Von dem oberen Theile kann man durch Oeffnungen in die Weite schauen, und er war daher früher wahrscheinlich ein Wartthurm, ein „Lueg ins Land," wie ein solcher auch an der nordöstlichen Seite der Stadt noch gegenwärtig steht.. Der Sage nach hatte einst in alten Zeiten ein Raubritter der Stadt Fehde angekündiget, und mit einem Rathsherrn gegen großen Lohn ein heimliches Bündniß eingegangen, daß dieser ihm zur bestimmten Zeit ein Thor öffnen solle, die Stadt zu überfallen und mit Brand anzustoßen. Aber der verrätherische Anschlag ward noch rechtzeitig entdeckt, und der ungetreue Rathsherr zur gerechten Strafe in diesem Thurme lebendig eingemauert, so daß er elenden Hungertodes sterben mußte. Zur Warnung für alle Verräther wurde dann eine drohende Faust auf die Spitze des Thurmes gesetzt.

Auch sollen an der Mauer, an welcher dieß geheimniszvolle Thürmchen steht, in alter Zeit die Selbstmörder beerdigt worden sein. Noch zu Anfang unseres Jahrhundertes bekreuzten sich die Leute, welche an dieser Stelle vorübergingen.

 Seite 539