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Münchener Stadtbuch

XLVI. Münchener Sagen

2. Der Affe im alten Hofe

Herzog Ludwig der Strenge erbaute um das Jahr 1255 seine erste Residenz, die alte Veste oder heut zu Tage der alte Hof genannt, wie wir schon in dem ersten Abschnitte dieses Buches gelesen haben. Zugleich damit erbaute er auch die Hofkapelle zum heil. Lorenz, welche aber leider im Jahre 1815 abgebrochen wurde, und an jener Stelle stand, wo gegenwärtig das kgl. Rentamtsgebäude sich befindet. Neben dem Chore dieser Kapelle ragte ein niedriges gothisches Thürmchen empor, auf dessen Spitze sick die aus Stein gehauene Figur eines Affen befand, der ein kleines Kind in seinem Arme hält. Wahrscheinlich war diese Figur nur ein Steinmetzenwitz, wie wir dergleichen viele an allen alten gothischen Kirchen sinden. Allein das Volk knüpfte in späterer Zeit daran eine Sage.

Ein bayerischer Herzog, — die Sage nennt zeitwidrig Heinrich den Löwen, — soll einen zahmen Affen in seiner Burg gehalten haben, der frei herumlief. Da geschah es eines Tages, daß ein Schwein durch Unachtsamkeit der Hofleute und der Kindswärterin in die Kammer gerieth, in welcher das jüngste Kind des Herzoges ohne Aufsicht in der Wiege lag. Das Schwein kam bis zur Wiege, und wollte eben den kleinen Prinzen packen, als der Affe, der gerade sich in diesem Gemache befand, das Kind aus der Wiege nahm, und mit ihm durch das Fenster auf das Dach des Thürmchens sprang. Mit Schrecken und Angst erblickten die Hofleute und die Wärterin den Affen auf dem Thurm, der unter freundlichem Grinsen und Zähnefletschen das Kind in seinen Armen schaukelte, wie er solches oft bei der Wärterin gesehen. Während man aber jeden Augenblick befürchten mußte, der Affe möchte das Kind fallen lassen, kehrte er nach einiger Zeit wieder auf dem nämlichen Wege in das Zimmer zurück, und legte das Kind unversehrt in die Wiege, aus der er es genommen.

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