Alte Bücher

 Seite 505


Münchener Stadtbuch

XLV. Der Jungfernthurm und die eiserne Jungfrau.

öffnete und der Unglückliche in die Tiefe des Verließes versank. Nach einer anderen Erzählung öffnete sich unter dem Verurtheilten eine Fallthüre, und derselbe sank in der Tiefe in die Arme der eisernen Jungfrau, die ihn mit denselben umschloß und an ihre mit Dolchen gespickte Brust drückte, während zugleich die mit Schwertern bewaffneten Arme ihn zerfleischten und der Unglückliche hiedurch des qualvollsten Todes starb. Namentlich knüpft die heutige Volkssage dieses geheimnißvolle Walten der eisernen Jungfrau an die Zeit des Kurfürsten Karl Theodor, durch dessen geheimen Ausschuß, an dessen Spitze der berüchtigte geheime Rath Lippert stand, allerdings ohne gerichtliches Urtheil Landesverweisungen ausgesprochen, Todesurtheile gefällt und ohne Geräusch heimlich vollzogen wurden. Personen, welche durch revolutionäre Grundsätze dem Staate gefährlich schienen, sollen dieser Sage nach plötzlich verhaftet, durch den gespenstigen „Einspänniger" in die Residenz abgeführt, dort im gefürchteten gelben Zimmer von dem geheimen Ausschuße abgehört und verurtheilt und sodann in dem Jungfrauenthurm durch die Arme der eisernen Jungfrau ermordet worden sein. Die Münchener Sage benennt sogar mit Bestimmtheit den Hauptmann des churbayerischen Leibregimentes Franz von Unertl, welcher am Abende des 6. Januar 1796 aus einem Gasthause dahier mit dem Einspänniger abgeholt, und am 7. Januar Morgens 3 Uhr durch die eiserne Jungfrau hingerichtet worden sein soll. Diese Sage benützte ein neuerer Novellist, Hermann Schmid in seiner Erzählung: „Mein Eden", wo er aber, von dem Rechte eines Romandichters Gebrauchmachend, sie

 Seite 505