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München in guter alter Zeit

Neuntes Kapitel - Vom peinlichen Gericht.

dem ältesten Verfahren unterworfen werden konnte, im Laufe dieser Zeit außer Uebung gekommen; daß sie bei uns in München dereinst in Praxis gewesen, dafür spricht der vor Jahren stattgehabte Verkauf der bis dahin aufbewahrt gewesenen Folterwerkzeuge aller Art. Was sich aber noch bis zum Schluß des vorigen Jahrhunderts in dieser Beziehung als gerichtliche Praxis dahier erhalten, ist immer noch schrecklich genug, um auch einem aus härterem Stoffe Gebildeten Grauen zu erwecken, zumal wenn er bedenkt, daß die Tortur der Sache nach nicht blos bei wirklich Schuldigen, sondern auch bei blos Verdächtigten, und wir möchten fast sagen noch öfters bei Nichtschuldigen angewendet wurde.

Die einfachtse und deshalb zuvörderst benützte Art der Tortur bestand in er Ausspannung der Glieder und in „Streichen und Gerten“, welche dreimal wiederholt ward.

War der Beschuldigte auf diesem Wege nicht zu einem Geständnis zu bewegen, so führte man ihn in die Torturkammer, deren Wände zur Erhöhung des moralischen Eindrucks auf ihn schwarz ausgeschlagen zu sein pflegten, und welche von Kerzen auf Wandleuchtern erhellt war. Damit das Jammergeschrei der Torquirten nicht nach Außen drang, befanden sich die Torturkammern regelmäßig in den abgelegensten Theilen der Gefängnisse, häufig in deren Kellergewölben, und da dürfte auch jene im Falkenthurm zu suchen gewesen sein.

Bei seinem Eintritte in die Folterkammer sah sich der Angeschuldigte sofort von all den Marterwerkzeugen umgeben, deren schreckliche Anwendung ihn bedrohte. Wie wäre es zu verwundern, wenn Personen von schwächerer Constitution bei diesem Anblicke schon zu allen Geständnissen bereit waren, auch dann, wenn sie sich keiner Schuld bewußt gewesen!

Wir können unseren Lesern das gesamte Inventar sammt Gebrauchsanweisung  vorlegen, glauben aber ihren Dank zu verdienen, wenn wir dies unterlassen,und uns streng an unsere Aufgabe halten, die NAwendung der Tortur am Ende des vorigen Jahrhunderts zu zeigen.

Zunächst war der Beschuldigte aller seiner Kleider entledigt — wobei wir uns der Bemerkung erlauben, daß die Tortur auf beide Geschlechter Anwndung fand — und ihm ein eigenes „Torturhemd“ übergeworfen, das kurzärmlig und auf dem Rücken geöffnet war, wie es die der kleinen Kinder zu sein pflegten. Hierauf warf ihn der Henker auf eine hölzerne Bank und schnürrte ihm mit besonderen, sehr festen aber dünnen und deshalb schmerzhaft in das Fleisch einschneidenden Stricken Hände und Füße an die Bank, so fest, daß er nicht mehr im Stande war, sich ohne die heftigsten Schmerzen zu bewegen.

Schon diese Maßregel war so schmerzlich, daß sie als Art von schwerer Tortur galt, gleichwohlö war sie nur als Vorbereitung und Einleitung zur eigentlichen Tortur zu betrachten.

War nämlich der Körper auf diese Weise vollkommen gespannt, so versetzte der Henker dem Beschuldigten mittelst einer starken Gerte oder Ruthe die ihm vom Untersuchungsrichter zuerkannte Anzahl von Hieben, deren jeder in Folge der straffen Spannung die Muskeln tief, nicht selten bis auf die Knochen, einschnitt.

Die Anzahl der Hiebe bestimmte de Richter, und zwar galt als Regel für die erste Anwendung die Zahl dreißig.

Erfolgte darauf hin noch kein Geständniß, so wiederholte sich, oft schon am zweiten Tage, die Prozedur, wobei die Zahl der Hiebe wohl auch verdoppelt wurde.

In der nacht, welche dem Tage voranging, an welchem die Tortur zum dritten Male vorgenommen ward, legte man den Angeschuldigten einen schweren eisernen Ring um die Mitte des Leibes, und, und preßte denselben hiedurch auf eine äußerst schmerzhafte Weise zusammen. Bisweilen erhielt der Unglückliche dazu noch schwere eiserne  Handschuhe, deren Gewicht ihn schmerzte.

So angethan ward er dann in die Torturkammer geführt, und dort in der bezeichneten Weise wieder mit dem Torturhemd bekleidet, worauf ihn der Henker um die Mitte des Leibes faßte und auf ein Brett oder auch auf einen Stuhl warf, aus welchem Spitzen aus Eisen oder hartem Holze hervorragten, die natürlich in des Torquiten Fleisch eindrangen.

Sobald er sich von den dadurch verursachten Schmerzen wieder soweit erholt hatte, daß es ihm möglich wiurde, seine Gedanken zu sammeln, ward er neuerlich auf jene Bank gesetzt,

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