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München in guter alter Zeit

Neuntes Kapitel - Vom peinlichen Gericht.

auf welcher er die beiden ersten Male die ausgesprochene Anzahl von Hieben mit der Gerste oder Ruthe erhalten hatte, und ihm an den Daumen und großen Zehem eine starke Schnurr befestigt, welche über's Kreuz gezogen ward. Unter der Höhlung der Arme aber ward eine hölzerne, mit eisernen Spitzen gespickte Walze gesteckt, und wurden sodann die Arme auf den Rücken zurückgezogen. Während nun die geringste Bewegung dem Gefolterten in dieser Lage unsägliche Schmerzen verursachte, zog oder schnellte der Henker von Zeit zu Zeit die Schnurr, und erschütterte dadurch den ganzen Körper des Deliquenten. War noch nicht gewillt, ein Geständniß abzulegen, so ward der Henker angewiesen, ihm nunmehr die letzten Streiche zu versetzten, welche er in der bezeichnten Stellung, und zwar bis zu 60 und 70 an der Zahl, empfing.

Wohl war bei jedesmaliger Anwendung der Tortur ein verpflichtender Arztz zugegen, ohne dessen vorausgehende Gutachten keine Art derselben zur Anwendung gebracht werden durfte, aber so fehlt es leider nicht an Beispielen, daß der Arzt in einzelnen Fällen die Krafte dessen überschätzte, welcher der Tortur unterworfen werden sollte, und daß infolge dessen die Procedur Manchem das Leben kostete.

Unter de Herrschaft eines Criminalgesetztes, das selbst den Diebstahl unter Umständen mit dem Tod bestrafte, sollte der peinlichen „Frage“ oft genug diepeinliche Exekution. Verbrennen zwar und Rädern war nicht mehr recht im Schwunge, aber doch auch nicht abgeschafft, dagegen wurde desto fleißiger gehenkt und geköpft und unter Umständen der „arme Sünder“ auch wohl in einer Kuhhaut zur Richtstätte geschleift. Am Hinrichtungsmorgen läutete vom Schönen Thurm die Arme Sünderglocke, und aus dem Mittelfenster des großen Rathhaussaales gegen den Schrannenplatz wurde ein rothes Tuch gehenkt. War der Verurtheite auf der großen Treppe zum Saale ausgestellt gewesen, so trat der Scharfrichter an ihn heran und bat ihn wegen Verrichtung seines Amtes um Verzeihung. Dann brach der Richter oben am Fenster den Stab über ihn, und nun ging es zur Richtstätte hinaus, am heutigen Marsfelde, wo der Knorrkeller steht. Neben dem Karren schritten vier Mann von der bürgerlichen Scharwache mit Harnisch, Eisenhaube und Spieß, auch einige Schergen mit kurzen blauen und rothen Mäntelchen. An der Richtstätte hielt das Gericht zu Roß. War der Zug dort angelangt, so rief, sofern es eine Exekution mittels des Schwertes galt, einer der Schergen der Menge mit lauter Stimme dreimal zu: „Stillo!“ und verbot ihr bei Leib und Leben, an den Scharfrichter Hand anzulegen, falls ihm sein Amt mißlingen sollte.

Freilich gingen nicht alle peinlichen Strafen gleich an's Leben; es gehörten dazu legaliter das Zuchthaus, er Pranger, das Schragenstehen mit Schlägen, das Brennen eines Buchstaben auf dem Rücken, das Aushauen mit Ruthen, das Abschwören der Urfehde ec., sowie einige geringere Strafen, wie z. B. das öffenrtliche Straßenkehren, beim Militär das Gassenlaufen ec.

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