Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Name | Gleis 11 |
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Stadtbezirk | 2. Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt |
Stadtbezirksteil | Kliniksviertel |
Straße | Bayerstraße |
Standort | Hauptbahnhof, Gleis 11 |
Art | Gedenktafel |
Übergabe | 30.10.2011 |
Suchbegriffe | Gleis 11 |
Künstler:innen | Turna Gülcan |
Rubrik | Gedenktafel |
„GASTARBEITERINNEN“ UND „GASTARBEITER“
IN DEUTSCHLAND
EINE WÜRDIGUNG
„KARTOFFEL. ICH LIEBE DICH!“
SÜMER HANIM
Sümer Hanim machte sich auf die Suche nach einer Chance, sich selbst zu realisieren, und mit dem Wunsch, ihre Kinder bald nachzuholen, auf den Weg nach Deutschland. Die in der Türkei ausgebildete Schneiderin, 30 Jahre alt, geschieden und Mutter zweier kleiner Töchter, als sie am Gleis 11 des Münchener Hauptbahnhofs aus dem Zug stieg. Gefragt, ob sie Deutsch spreche, antwortete sie damals mit den einzigen Wörtern der fremden Sprache, die sie kannte: „Kartoffel. Ich liebe Dich“
Bis heute erinnert sie sich an das wiederholte Pfeifen der Lokomotive während der 50-stündigen Fahrt von Istanbul-Sirkeci nach München-Hauptbahnhof und das sich damit in ihrem Herzen mischende Schluchzen der kleinen Kinder beim Abschied.
Heute lebt Frau Sümer Tan, wie zahlreiche Menschen aus anderen Anwerbeländern – darunter Italien, Spanien, Griechenland, Marokko, Portugal, Tunesien und das ehemalige Jugoslawien – glücklich als Rentnerin in München. Beide hier aufgewachsenen Töchter haben inzwischen Familien gegründet, die eine in der Türkei, die andere in München.
GÜLCAN TURNA, 30.09.2011
50. JAHRESTAG DES ANWERBEABKOMMENS MIT DER TÜRKEI
„Gleis 11“ im Münchner Hauptbahnhof war in den 1950er bis 1970er Jahren der zentrale Ankunftsort für Gastarbeiter, die im Rahmen der Anwerbeabkommen nach München kamen. Besonders ab 1960 prägten Tausende von Männern und Frauen aus Südeuropa, vor allem aus Italien, Griechenland, der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien, das Bild dieses Bahnsteigs. Allein 1960 wurden etwa 93.000 Italiener und 9.500 Griechen über die sogenannte Weiterleitungsstelle am Hauptbahnhof empfangen .
Zunächst als saisonale Arbeitskräfte gedacht, wandelte sich ihre Rolle bald zu langfristigen Arbeitskräften, da deutsche Arbeitskräfte durch den Mauerbau 1961 und den damit ausbleibenden Flüchtlingsstrom aus der DDR fehlten . Viele dieser Arbeiterinnen und Arbeiter lebten in beengten Unterkünften, wurden mit Bussen von Firmen abgeholt und mit Musik empfangen – eine Mischung aus Willkommenskultur und utilitaristischer Pragmatik.
Der Bunker unter dem Bahnhof, ursprünglich für Luftschutz im Zweiten Weltkrieg gedacht, wurde nun als Sammelraum für die Ankommenden genutzt . „Gleis 11“ wurde zum Symbol der Arbeitsmigration und sozialen Realität in der Nachkriegsmoderne Münchens – einer Stadt, die ohne die Gastarbeiter ihr wirtschaftliches Wachstum kaum bewältigt hätte. Die Geschichten dieser Menschen stehen heute exemplarisch für den gesellschaftlichen Wandel und die multikulturelle Prägung Münchens.