Alte Quellen

Mariensäule

Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (182)
Jahr 1914
Straße Mariensäule

Mariensäule, auf dem Marienplatz, „ein Zeichen des Dankes des Kürfürsten Maximilian I. für die Erhaltung der Städte München und Landshut anläßlich der Invasion der Schweden 1632, deren König Gustav Adolf gedroht hatte, die Zerstörung Magdeburgs (an der der bayerische Feldherr Tilly übrigens keine Schuld hatte) an München und Landshut zu rächen [F 494]“. Die Absicht, der „Patrona Bavariae“ ein Denkmal zu errichten, hatte der Kurfürst *) schon 1635 dem Magistrat ausgesprochen, kam aber infolge der kriegerischen Verhältnisse erst 1638 zur Ausführung. Die Marienstatue selbst wurde schon früher gegossen und fand inzwischen, ungefähr 1610—20, ihre Aufstellung in der Frauenkirche. Sie genoß fortan bei Fürst und Volk große Verehrung: Kurfürst Max Emanuel flehte vor ihr bei seinem Auszug zum Türkenkrieg 1683 um Sieg, 1782 erteilte von hier aus Papst Pius VI. den Segen, im Cholerajahr 1854 wurde hier ein feierliches Bittamt gehalten unter Beteiligung sämtlicher Minister und zugleich der Name „Schrannenplatz“, dessen nördliche Hälfte ohnehin schon die Bezeichnung „Platz Mariä“ trug, in „Marienplatz“ umgewandelt [F 1. c.]. Ursprünglich trug die Säule an ihrer Ostseite folgende berühmt gewordene Widmung an die „Padrona Bavariae“:

Rem, Regem, Regimen, Regionem, Religionem
Conserva Bavaris Virgo Patrona tuis.

Die Madonna (2,15 m hoch) ist als Königin des Himmels dargestellt, die Krone (eigentlich die Kaiserkrone) auf dem Haupt, das erhobene Szepter in der Rechten; den jungfräulichen Körper umgibt ein enganliegendes Kleid, das nach antiker Art unmittelbar unter der Brust gegürtet ist und in sanften Falten bis auf die sandalenbeschuhten Füße hinunterfließt, die (gemäß der Apokalypse) auf der Sichel des Mondes stehen; mit desto breiteren und mächtigeren Falten umwallt sie der Königsmantel, den eine zierliche Fibula über der Brust zusammenhält; und dessen Saum ringsum mit einer Bordüre von sehr sorgfältiger Ornamentik geschmückt ist; das rechte Ende des Mantels ist bis über die linke Hüfte der Gestalt hinaufgezogen, so daß dadurch für das sitzende Kind, das vom linken Arm der Madonna gehalten wird, gleichsam eine Unterlage gebildet wird; das Kind selbst, in ziemlich lebhafter Bewegung, hat die Händchen erhoben, um das Volk zu segnen.

Die Säule (ohne Postament 11,6 m hoch) „ein Werk von trefflichen Verhältnissen, kraftvoll in den Formen und glücklich im Aufbau [KBJ“, ist ein Monolith aus rotem Untersbergermarmor mit korinthischem Kapitell und übertrifft in ihrer Höhe mit Einschluß der Madonna die Höhe der Bavaria auf der Theresienwiese (deren Sockel nicht mitgerechnet) [B 01]. Die Säule steht auf einem Postament, an dessen Eicken, sinnreich vermittelnd, 4 reizende Engelsköpfchen angebracht sind, „die mit seligem Frieden auf ihre streitenden Kollegen (auf dem Unterbau) niederlächeln“; Hohlkehle und kräftiges Gesims leiten von der Säulenbasis in das Postament über; zu Seiten des Postamentes lehnen zierliche Erzschilder mit dem bayerischkurfürstlichen Wappen einerseits und dem österreichischen Wappen der Gemahlin Anna Maria des Kurfürsten andrerseits; die Inschriften in den Steinplatten der Ost- und Westseite sind nicht mehr die ursprünglichen Dedikationen, sondern wahrscheinlich beim Säkularfest 1738 angebracht worden.

Auf den Ecken des Unterbaues stehen 4 kleine Bronzeputten, ganz mit Panzer und Helm gerüstet; sie kämpfen mit Schwert und Spieß gegen Schlangen und Basilisken (ein hahnähnliches Untier, dessen giftiger Blick lähmen sollte), gegen Löwen und Drachen (Allegorien von Pest, Hunger, Krieg und Ketzerei); unten ist die bezügliche Psalmstelle zu lesen: „Ueber die Natter und den Basilisk wirst du wandeln, und den Löwen und den Drachen wirst du zertreten [Ps. 90]“. In der Zeit des dreißigjährigen Krieges und der Gegenreformation ,.schien die Phantasie des Künstlers von der Fülle des dogmatischen Wissens ebenso beschwert wie vom gewaltigen Schicksal des blutgetränkten Vaterlandes, an dem sich vor aller Welt furchtbare Strafgerichte vollzogen: Religion und Moral, Pflicht und Tugend, Leiden und Sterben waren die unerschöpflichen Temata der Künstler, die in strengem, lehrhaftem Ton vorgetragen wurden [W 117]“.

Das ganze Denkmal, im Sommer stets pietätsvoll mit Blumen geschmückt, wird von einer Marmorbalustrade friedlich umschlossen und vom alltäglichen Getriebe getrennt, über das die Madonna schaut. Als Meister werden vermutet für die Madonna Hans Krümper [B 01], für die Puttenengel ein Schüler Krümpers (gegossen vom Münchner Glockengießer Küster, — während andere als Gießer den Münchner Bernhard Ernst nennen); früher galt für die Madonna Peter Candid als Autor. — Ueber die künstlerische Bedeutung dieses Monumentes, „des Feinsten von allen Denkmalsarchitekturen dieser denkmalsfreudigen Zeit [ BAJ 111]“ im Straßenbild urteilt Weese [1. c.]:

Für den Platz ist das Marienbild die Hauptzierde und der architektonische Maßstab; ihre Verhältnisse sind durch das Alte Rathaus und die alten Häuser des „Schrannenplatzes“ bestimmt. Sie steht just am toten Punkte, gleichsam am Ufer des immer bewegten Verkehrsstroms, der an ihr vorüberfließt; mit erstaunlichem Feingefühl erfüllt sie ihre Aufgabe: sie beherrscht den Platz als Denkmal und ordnet sich doch überall der Architektur unter; jedermann sieht sie, sie aber ist niemand im Wege und sie fügt sich harmonisch ins Stadtbild als ein bedeutsames Wahrzeichen an vornehmster isolierter Stelle. Ihre Aufstellung ist ein Muster der Denkmalserrichtung. Niemand aber wird bestreiten können, das sie durch den Riesenbau des Neuen Rathauses mit seinem Goliatturm aus diesem glücklichen Zusammenhang herausgelöst ist: die „Himmelskönigin“ auf ihrer schlanken Säule ist unansehnlich geworden, als müßte sie in den Boden sinken.

1) Der ein großer Verehrer Mariens war und als solcher auch an der Fassade der von ihm erbauten Residenz, bei der Haupt wache, die Erzstatue der Madonna und darunter ein ewiges Licht errichten, Marien- Münzen prägen und nach seinem Tode sein Herz nach Altötting verbringen ließ [F].


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