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Vorstudien von Franz (von) Seitz, Entwürfe von Syrius Eberle und Franz Widnmann (1878)
Kgl. Hofsattler und Hofwagenfabrikant Johann Michael Mayer (= Ignaz M. Mayer)
Bildhauer: Syrius Eberle
Gemälde: August von Heckel, August Holmberg, Heinrich von Pechmann
Stickerei: Franz Widnmann (Entwurf), Heinrich Alckens (Ausführung)
Metallarbeiten: Johann Stroblberger, Ferdinand Harrach. Verzeichnet auf zwei Inschriftplatten in den Türschwellen
Radmuttern (unsichtbar) bezeichnet: J.M. Mayer. 1879. München. (Nr. 1005)
München, 1878 (Schlitten mit geschlossenem Kasten)2, 1879 (Wagengestell)
Der Neue Prachtschlitten oder Kleine Gala-Wagen stellt das einzige erhaltene Mehrzweck- oder double use-Fahrzeug des Münchner Hofes dar, der stets Wagen mit - meist nicht mehr erhaltenen - Ersatz-Schlittenkufen für den Winter besaß (s. Kat.Nr. 37). Das hier besprochene Prachtensemble entsprach - wie auch die Kat.Nr. 42 - dem Wunschtraum König Ludwigs II. von einem Fahrzeug im „Genre des 18. Jahr- hunderts Rococo-Styl“. Eine erste Vision davon vermitteln bereits die Vorentwürfe von Franz von Seitz sowie zwei detailreiche, wohl von Syrius Eberle stammende Gouachen von etwa 1878 (Abb. 282, 284). Das farbig ge- faßte Gipsmodell (Kat.Nr. 41, Abb. 258) dokumentiert zu- sammen mit einer Fotografie von ca. 1878 (Bd. 2, Abb. 301) den ersten Zustand des Schlittengestells. Mit dem heute sichtbaren Ensemble von 1878/79 schuf der Bildhauer Syrius Eberle ein „klassisches“ Gesamtkunstwerk in Formen des Neorokoko, das die Ausstattung des 1878 voll- endeten Schlosses Linderhof an künstlerischer Prägnanz noch zu übertreffen scheint. Schlitten und Wagen gehören zur Schloßanlage Linderhof und waren zeitweilig dort stationiert.
Nach dem überlieferten Zerwürfnis mit dem Hof-Wagen- fabrikanten Gmelch (1872) übergab König Ludwig II. seine Aufträge an die Konkurrenzfirma von Johann Michael Mayer bzw. an dessen Sohn Ignaz M. Mayer. Die beteiligten Künstler und Kunsthandwerker sind in zwei ausführlichen Inschriften (s. Anm. 1) genannt.
In der Wagenform gesellen sich zum reichen Schnitzdekor des Fahrgestells figürliche Akzente, so eine Fama mit Posaunen, die Gruppe der Victoria mit Putten sowie ein Putto mit zwei Schwänen.
Von Seitz entworfen, zeigt sie eine analoge Schwanen-Putto-Gruppe, über der als Gallionsfigur sogar Neptun erscheint.
Die Gemälde des in Rot und Gold garnierten Wagenkastens, dessen Inneres Franz Widnmann 1878 genau dargestellt hat (Kat.Nr. 41, Abb. 254), zeigen mythologische und allegorische Szenen sowie an der oberen Rückwand das gemalte Majestätswappen des Königs, gehalten von zwei Genien mit Posaunen.
Die historischen Darstellungen zeigen Schlitten und Wagen sechsspännig gefahren, von einem Vorreiter begleitet. Zur Verfügung standen Gala-Pferdegeschirre in Blau oder Rot, mit Schmuckteilen in Gold.
Trotz der prunkvollen Ausführung war der Neue Prachtschlitten und Gala-Wagen Ludwigs II. ein funktionelles Fahrzeug, das in der Umgebung von Linderhof und Hohenschwangau Verwendung fand. Dies hielt vor allem der Hofmaler Heinrich Breling (1849-1914) fest,der den Prachtschlitten vor dem winterlichen und die Wagenversion vor dem sommerlichen Schloß Linderhof zeigt (um 1881, Abb. 290). Zu einem Sechser-Schimmel-Gespann mit einem Vorreiter - alles wohl Lipizzaner-Pferde (s. Bd. 2, Abb. Z06) - wurden stets die blauen Gala- Geschirre bevorzugt. Wenn der „König Rappen befahl“, dann wurde nach den Worten des Hofkochs Theodor Hierneis „eine rote Garnitur gewählt“. Das Spektakuläre einer Ausfahrt König Ludwigs II. in diesem prachtvollen Mehrzweckfahrzeug verbreiteten jedoch vor allem populäre Veröffentlichungen.
E.D.S.