Münchner Sagen & Geschichten

Das wunderthätige Muttergottes-Bild der Herzogspital-Kirche.1690

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Herzog Albert V. erbaute im Jahre 1550 das Herzogspital sammt einer Kirche in der Röhrenspeckergasse, welche seitdem die Herzogspitalgasse genannt wird, und bestimmte dasselbe besonders für kranke Hofbediente. Baumeister desselben war Georg Schöttl, ein geborener Münchener.

In diese Kirche verfertigte der Bildhauer Tobias Bader, dessen Portrait in der Sakristei sich befindet, um das Jahr 1650 das Bildniß der schmerzhaften Mutter Gottes unter dem Kreuze, berühmt durch Wunderwerke, und heute noch der Gegenstand des Zudranges der Andächtigen.

Die Geschichte des Wunders dieses Bildnisses ist folgende: Am 21. Januar 1690, an einem Samstage, während Abends die Litanei gesungen wurde, bemerkte ein zehnjähriges Mädchen, Namens Maria Franziska Juliana Schott, die sich unter der Menge der Andächtigen in dieser Kirche befand, daß das Mutter

Gottesbild seine Augen gegen Christus den Gekreuzigten über sich, dann unter sich gegen die Erde und nach beiden Seiten, endlich aber nach der zunächst stehenden Krippe wendete. Das Mädchen, darüber verwundert, wagte nicht in der Kirche hierüber eine Aeusserung zu machen, erzählte aber, zu Hause angekommen, das Gesehene ihren Aeltern. Die Mutter verbreitete diese Erzählung weiter und es verfügten sich nun mehrere Personen in die Kirche, um am Gnadenbilde das Wunder wahrzunehmen. Da nun viele Leute versicherten, dasselbe wunderbare Ereigniß wahrgenommen zu haben, so gelangte die Kunde hievon bald zum bischöflichen Ordinariate in Freising, welches eine Untersuchung hierüber anordnete, und zu diesem Zwecke mehrere geistliche Räthe nach München absandte. Durch eidlich gepflogene Vernehmungen ergab sich nun, daß das Muttergottes-Bild eine geraume Zeit lang Morgens und Abends beim Sonnenlichte und beim Scheine brennender Kerzen die Augen auf- und abwärts, dann auch nach beiden Seiten bewegt habe, und daß dieses von mehreren geistlichen und weltlichen Personen, von Männern und Frauen verschiedenen Alters und Standes bemerkt worden sei. Nachdem nun über das Resultat dieser Untersuchung Bericht an das bischöfliche Ordinariat erstattet worden war, hat Josef Clemens, Erzbischof von Köln und Bischof zu Freising nach Einsicht der Akten in einer am 6. April 1691 gegebenen Urkunde dieses Wunder als wirklich geschehen feierlich erklärt, und die Gläubigen zur Verehrung dieses Gnadenbildes aufgefordert.


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