Münchner Sagen & Geschichten

Die Erbauung der Jesuitenkirche. 1583

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


Herzog Wilhelm V., frommen und demüthigen Sinnes und unablässig dem Gebete obliegend, beschloß den Vätern der Gesellschaft Jesu, welche im Jahre 1556 nach Bayern berufen worden waren, in seiner Hauptstadt München Haus und Kirche aufzurichten. Es sollte dieser Bau der prachtvollste werden, welchen die Jesuiten auf der ganzen Erde besaßen, und er ward vielleicht an Größe und Glanz nur von dem Escurial in Spanien übertroffen.

Der Herzog brachte vor Allem den Konradshof, welcher an der Neuhausergasse gegen das Thor zu lag und dem Kloster Schäftlarn gehörte, käuflich an sich, und ließ die St. Nikolauskapelle, die an der jetzigen weiten Gasse dem Augustinerkloster gegenüber stand, das Schulhaus und noch andere Häuser demoliren, und gewann so den nöthigen Platz zu dem neuen Baue. Hierauf berief er den Baumeister Wendel Dietrich von Augsburg, denselben welcher erst kurz zuvor die neue Residenz, jetzt die Herzog-Max-Burg genannt, erbaut hatte.

Dieser fertigte den Planfür die Kirche und Kollegium, wofür er nach den ihm noch vorhandenen Bauakten zwölf Gulden erhielt. Die Ausführung des Baues aber wurde dem Baumeister Wolfgang Müller übertragen.

Am 18. April 1583 geschah die feierliche Grundsteinlegung zum Tempel in Gegenwart des ganzen herzoglichen Hofes. Der Bau schritt so rasch fort, daß die Jesuiten, welche bisher in dem ungastlichen Augustinerklofter gewohnt hatten, schon Anfangs des Jahres 1590 den fertigen Theil des Kollegiums beziehen konnten, und auch die bereits vollendete Kirche benedieirt wurde. Da ereignete sich ein unvorhergesehenes Unglück. Am 4. Mai 1590 begann der Thurm, welcher an den Chor der Kirche angebaut und bereits zu einer Höhe von 200 Fuß emporgestiegen war, sich auf eine so drohende Weise zu senken, daß man eiligst die auf demselben schon aufgehangenen Glocken entfernte. Am 11. Mai stürzte der Thurm ein, wobei das Gewölbe des Kirchenchores einen Riß bekam. Maurermeister Wolfgang Müller wurde wegen Fahrlässigkeit in den Falkenthurm gesetzt und in Untersuchung gezogen. An der Spitze der Untersuchung - Commission stand der herzogliche Hofmaler Friedrich Sustris und der Baumeister Wendel Dietrich. Aus den noch vorhandenen Untersuchungsakten ergibt sich, daß dem Maurermeister Müller ein strafbares Versehen nicht zur Last gelegt werden konnte, denn er wurde nur einfach des herzoglichen Dienstes entlassen. Dadurch ist die Münchener Sage, daß man zur Probe der Haltbarkeit des Gewölbes der Kirche Kanonen abgefeuert habe, und daß Müller nach dem Einsturze des Thurmes sogleich entflohen sei, gänzlich 

widerlegt, denn Müller stand vor der Untersuchungs-Commission, und unterzeichnete mit ersichtlich zitternder Hand das Vernehmungs-Protokoll, welches im Reichsarchive noch aufbewahrt wird.

In Folge dieses Ereignisses wurde der neue Thurm nicht mehr an voriger Stelle, sondern am Ecke, entfernt von der Kirche, aufgebaut, wie er noch jetzt unvollendet zu sehen ist. Man fand aber nun auch für nothwendig, einen neuen Chor der Kirche zu bauen, um so mehr, als der vorige Chor für die großartigen Verhältnisse offenbar zu klein war. Den Plan zum neuen Chore, so wie er jetzt sich zeigt, fertigte der herzogliche „Obermaler" Friedrich Sustris, welcher nun zugleich „herzoglicher Baumeister" genannt wird. Derselbe erhielt als solcher eine jährliche Besoldung von 480, und vom Jahre 1594 an von 600 Gulden, der Baumeister Wendel Dietrich eine solche von 300 Gulden, eine für damalige Zeit reichliche Bezahlung.

Der ganze Bau der Kirche und des, Kollegiums, welcher im Renaissaneestyl aufgeführt ist, kostete 132,022 fl. 31 kr. Achthundert Fenster zählt das weitläufige Gebäude des Kollegiums, in seiner Pracht und der Anzahl seiner Säle, Zimmer und Gänge mehr einer fürstlichen Residenz, als einem Kloster gleichend.

Am 6. Juli 1596, einem Sonntage, erfolgte die feierliche Einweihung der Kirche zu Ehren des heiligen Michael mit großer Pracht. Es erschienen dabei: Herzog Wilhelm V., seine Gemahlin Renata, deren Sohn und Erbprinz Maximilian nebst seiner Gemahlin Elisabeth, Prinzessin von Lothringen, Herzog Ferdinand von Bayern, 

Herzog Philipp, Kardinal und Bischof von Regensburg, Herzog Ferdinand von Bayern, Coadjutor von Köln, Herzog Alb recht von Bayern, sammt noch mehreren Herzoginnen von Bayern; Erzherzog Ferdinand von Oesterreich, nachmals römischer Kaiser, Erzherzog Maximilian, Großmeister des deutschen Ordens, Erzherzog Leopold, nachmals Bischof von Straßburg, Erzherzog Karl, Bischof von Passau und Brixen; fünf Erzherzoginnen von Oesterreich: Maximiliana, Eleonora, Margaretha, Constantia und Magdalena; endlich Georg Ludwig, Landgraf von Leuchtenberg. Ausser diesen war eine große Zahl des hohen und niederen Adels mit glänzendem Gefolge und der Priesterschaft anwesend. Die Einweihung geschah durch Weihbischof Bartholomä Scholl von Freising.

Nach der Einweihung und dem Hochamte war große Freitafel im Jesuiten-Kollegium. Dabei befanden sich nicht nur alle anwesende fürstliche Personen nebst deren zahlreichem Gefolge, sondern es waren auch alle Personen des einheimischen und fremden Adels, die Geistlichkeit, alle höhern Beamten des Hofes und der Stadt, die Geschlechter und ansehnlichsten Bürger der Stadt eingeladen, so daß 1700 Gäste an einer Menge von Tafeln sich befanden, und die Tische alle Säle und größeren Zimmer, ja sogar die Gänge des Hauses und die Bogenlauben des Gartens füllten. Ueberdieß wurden auf Kosten Herzog Wilhelms alle Manns- und Frauen-Klöster, sowie die Armen der Stadt ausgespeiset und letztere erhielten zudem noch reiche Geldspenden. An den Tafeln der Fürsten ertönte Konzertmusik, abwechselnd mit Reden und Deklamationen von 

Lobgedichten in deutscher, lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache.

Am folgenden Tage, Montag den 7. Juli, fand auf dem freien Platze vor dem Kollegium in der Neuhausergasse ein großes Schauspiel auf einer eigens erbauten Schaubühne, gegeben von den Jesuiten, vor allem Volke statt. Es führte den Titel: „Triumph und Freudenfest zu Ehren dem heiligen Erzengel Michael." Mit aller Pracht und mit großem Aufwande waren die Dekorationen, die Maschinerien und die Kostüme ausgestattet; ausser den Hauptakteurs wirkten 900 Choristen, alle studirende Zöglinge des Jesuiten-Gymnasiums mit, sie fangen die im Stücke vorkommenden Chöre der Engel, der Heiligen, der Bischöfe und der Teufel. Die römischen Kaiser Nero, Diokletian, Deeius, Marentius ec. traten darin mit zahlreichem Gefolge auf. Die gewaltigen Chöre waren von einer großen Masse von allerlei Instrumenten der damaligen Zeit begleitet, die musikalische Komposition war von Georg Vietor in, Kapellmeister der Jesuitenkirche. Von großer Wirkung war diese Vorstellung, Und schauderndes Entsetzen mag die Schlußseene des Schauspieles, wo der Erzbösewicht „Luzifer" sammt 300 Teufeln vom heiligen Michael in die hochaufprasselnden Höllenflammen gestürzt wird, auf die Menge des zuschauenden Volkes gemacht haben. Acht Stunden lang dauerte die Vorstellung.

Zu bedauern ist, daß sowohl der Text dieses Schauspieles als auch die Musik des Vietor in verloren ging, nur das gedruckte Seenarium ist noch vorhanden.


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