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Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)
Im Jahre 1010 wurde dem Grafen Friedrich von Bultenburg und seiner Gattin Bezela ein Sohn geboren, Namens Benno.
Als der Knabe fünf Jahre alt war, wurde er einem Anverwandten, dem frommen, gelehrten und kunstreichen Bischofe Bern ward zu Hildesheim zur Erziehung übergeben, der ihm als Lehrer den gelehrten Wiger, Probst Von St. Michael daselbst, beiordnete.
Nach dem Tode feines Vaters trat Benno, nunmehr achtzehn Jahre alt, in das Benediktinerkloster St. Michael in Hildesheim, machte dort Profeß und wurde, 30 Jahre alt, zum Priester geweiht. Als aber nach vier Jahren der Abt dieses Klosters Adalbert verstarb, wurde Benno ungeachtet seines demüthigen Sträubens im Jahre 1045 zum Abte erwählt.
Kaiser Heinrich III. hatte die Kirche und das Stift Goslar, zu welchem sein Vater Kaiser Konrad den Grund gelegt, vollendet, versah es mit großen Ein
künften, Gütern und Renten, und ließ es durch Pabst Leo IX. im Beisein von 73 Kardinälen, Bischöfen und Aebten im Jahre 1051 feierlichst einweihen. Auf Wunsch Kaiser Heinrichs und auf des Pabstes Befehl wurde Benno im nämlichen Jahre zum Kanonikus und Vorsteher dieses Stiftes berufen. Siebzehn Jahre lang wirkte er an diesem berühmten Stifte, und erhob es zu so großem Rufe der Frömmigkeit und Gelehrsamkeit, daß aus demselben in kurzer Zeit achtunddreißig Bischöfe, acht Erzbischöfe und ein Pabst, nämlich Clemens II., hervorgingen.
Als daher im Jahre 1066 das Bisthum Meissen in Erledigung gekommen, fand man zu Besetzung desselben keinen würdigeren Mann als Benno. Seine Wahl wurde vom Pabste bestätiget, und er demnach vom Erzbischofe Wernher von Magdeburg zum Bischofe von Meissen geweiht. Dieses Amt versah Benno mit hohen Ehren und Würden, vermehrte das Vermögen der Kirche und brachte an dieselbe zurück, was unbillig ihr genommen worden war; selbst sein eigenes Erbe schenkte er und feine Mutter Bezela der Kirche. In den Kirchen des Bisthumes Meissen führte er den römischen Choralgesang ein, wie er in der Kirche zu Hildesheim gebräuchlich war. Dann aber, als fein eigenes Bisthum wohl geordnet war, zog er zu den heidnischen Wenden, die an beiden Seiten der Elbe noch in großer Anzahl saßen, dort ihre Abgötter Czernebohu und Swantewig verehrten und ihnen Menschenopfer schlachteten, und bekehrte sie, daß sie sich taufen ließen.
Nun aber kamen Tage schwerer Sorge und großen Wehes über den heiligen Bischof.
Auf dem deutschen Kaiserthrone saß dazumal Heinrich IV.
Dieser führte einen bösen Krieg gegen Sachsen und kam mit seinem Kriegsheere bis nach Meissen, wo er von den arglosen Bürgern ganz friedlich in die Stadt eingelassen wurde. Dort nahm er aber hinterlistig den Bischof Benno gefangen, verbannte ihn nach Böhmen, und übergab die Verwaltung des Bisthums einem Kriegsmanne, Namens Burkhart, der aber die Kirche und das Bisthum nur verwüstete und schädigte.
Unterdessen hatte ein böser Streit zwischen dem Kaiser und dem Pabste Gregor VII. begonnen, denn der Kaiser hatte eigenmächtig und ungerecht in die geistlichen Gerechtsame eingegriffen und geistliche Aemter, Würden und Güter um Geld an unwürdige Männer verkauft und Bischöfe nach seinem Belieben ab- und eingesetzt. Um diese Uebel abzustellen, schrieb Pabst Gregor im Jahre 1076 ein Coneilium nach Rom aus, und lud alle Bischöfe, sowie auch den Kaiser Heinrich ein, welch Letzterer jedoch ungehorsam nicht erschien. Bischof Benno, der unterdessen aus seinem Gefängnisse wieder befreit war, begab sich zu diesem Coneilium nach Rom; ehe er aber seine Reise dahin antrat, schloß er die Thüren seiner Kirche und warf die Schlüssel in die Elbe, damit des sündhaften Kaisers Leute die Kirche nicht betreten möchten.
In Rom verweilte er lange Zeit und trat dann, von dem Pabste mit dem Segen und vielem Ablaß und mit kostbaren Heiligthümern beschenkt, die Rückreise über die Apenninen, Schwaben und den Nordgau an.
Damit aber bei seiner Ankunft in Meissen kein großer Auslauf sich erhebe, kehrte er daselbst in einem öffentlichen Wirthshause als gemeiner Pilgrim ein. Der Wirth, der
eben einen großen Fisch aus der Elbe bekommen hatte, wollte seinem unbekannten Gaste damit aufwarten; als er ihn aber öffnete, um ihn auszunehmen, siehe! da fanden sich in seinem Innern die Kirchenschlüssel, die St. Benno bei seiner Abreise in die Elbe geworfen hatte. Davon ging rasch die Kunde durch die ganze Stadt, die Domherren eilten sogleich in das Wirthshaus, und erkannten in dem Pilgrim ihren Hirten, der dann von ihnen mit großen Freuden und unter Zulauf und Frohlocken des Volkes feierlich in die Stadt eingeführt wurde. Mit großer Kraft verwaltete er nun wieder sein Bisthum und verkündete allenthalben Gottes Wort.
Da geschah es einmal, daß die Kirche die große Menge des Volkes nicht faßte, das herbeigeströmt, die Predigtworte des heiligen Mannes zu hören. Deshalb begab er sich einige tausend Schritte vor der Stadt in ein weites Thal, um das Volk zu lehren. Aber es war ein sehr heißer Tag und die Sonne schien glühend auf die Menge, so daß viele verschmachten zu müssen vermeinten. Als der heil. Bischof solches wahrnahm, erhob er seine Augen betend zum Himmel, und schlug dann mit seinem Stabe auf die Erde. Da entsprang sogleich ein frischer Quell, an dessen Wasser sich Alles erlabte. Der Brunnen aber quillt noch heutigen Tages und heißt der heilige Brunnen, das Thal aber das heilige Thal.
Ein andermal ging er hinaus auf das Feld, und sah auf der Wiese viele Arbeiter, die eben das Heu umkehrten; sie waren sehr müde und von der Hitze des Tages durstig. Da gesegnete er ihre Wassergefäße mit dem heiligen Kreuze, und augenblicklich war anstatt des Wassers der beste Wein darin.
Wieder einmal hatte er sich auf dem Wege sehr verspätet, so daß er vor der Sperre der Stadtthore die Elbbrücke nicht mehr erreichen konnte. Er wendete sich daher des nächsten Weges der Elbe zu, bezeichnete sich mit dem heiligen Kreuze, und ging trockenen Fußes über den Strom. Dieß ersah ein Bauer, der eben mit einem Fuder Heu desselben Weges fuhr, und weil er seinen Bischof für einen heiligen Mann und seinen liebsten Vater hielt, wollte er es in seiner Einfalt nicht für unbillig erachten, solches nachzuthun. Er fuhr also dem heiligen Bischof nach und kam mit Roß und Wagen trocken über den Fluß hinüber, nicht ohne Verwunderung des heiligen Benno, der ihm einen Verweis darüber gab, daß er sich in solche Gefahr begeben, und ihm verbot, diesen Vorfall weiter zu erzählen.
Der heilige Benno pflegte gerne an Feldern, Weihern und Bächen zu gehen, um in der Einsamkeit frommen Betrachtungen und Gebeten obzuliegen. Bei einem solchen Gange geschah es einmal, daß die Frösche in einem nahen Sumpfe ein großes Gequacke und Lärm erhoben, wodurch der heilige Mann in seinen frommen Gedanken gestört wurde; er befahl daher den Fröschen zu schweigen. Da schwiegen sie augenblicklich still. Indem St. Benno fortging, da kamen ihm zu Gemüthe die Worte der heiligen Schrift: „Lobet Gott den Herrn ihr Wallfische und alles was im Wasser schwimmet, lobet Gott alle Thiere." Da übersiel ihn eine seltsame heilige Furcht, er bedachte, ob nicht dieser Thierlein Geschrei vielleicht Gott angenehmer sei, als sein Gebet. Es gereute ihn daher sein Verbot, und er sprach zu den Fröschen: Fahret fort, meine Thierlein, und
lobet euern Gott, ich will euch solches nicht wehren! Sogleich singen die Frösche wieder an zu quacken und die Luft mit ihrem Lobgesange zu erfüllen.
Die große Verehrung und der sich steigernde ungemeine Zulauf des Volkes setzte den demüthigen Benno in bange Sorge; er befürchtete, durch das Ansehen der Welt an der Gnade Gottes zu verlieren, und beschloß daher die Einsamkeit aufzusuchen. Zu Naumburg, an der außersten Gränze seines Bisthumes, erbaute er sich ein Kirchlein, der allerseligsten Jungfrau Maria geweiht, daneben für sich und einen Kaplan eine kleine Zelle, und widmete sich dem einsamen beschaulichen Leben. Da bemerkte der Kaplan, daß Bischof Benno oft nach gepflogener Andacht Morgens aus seinen Augen verschwand, zum Mittagsessen aber wieder in seiner Zelle anwesend war; zugleich aber erfuhr der Kaplan von andern Leuten, daß der Bischof während seiner Abwesenheit im Dome zu Meissen den Gottesdienst abgehalten habe. Um dieser auffallenden Sache auf den Grund zu kommen, machte er sich nachsten Tages, nachdem sein Bischof wieder verschwunden war, auf den Weg nach Meissen, das fünf Meilen von Naumburg entlegen ist. Plötzlich erfaßte den Kaplan ein Sturmwind, trug ihn fort durch die Luft, und verfetzte ihn in den Dom zu Meissen hinter seinen Herrn, wo er denselben das heilige Amt verrichten sah. Nach geendigtem Gottesdienst begab sich der Kaplan wieder auf den Weg nach Naumburg zurück, wo er erst des andern Tages ankam, und von dem heiligen Mann mit einem scharfen Verweise, seines Fürwitzes halber, empfangen wurde.
Als St. Benno endlich vermerkte, daß die Zeit seines Hinscheidens herannahe, versammelte er die Domherren um sich, gab ihnen gottesfürchtige Ermahnungen, küßte allen die Hände, empsing das heilige Abendmahl und gab dann seinen Geist auf, am 16. Juni des Jahres 1196, im 86. Jahre seines Alters und im 40. Jahre seines Bisthumes.
Im Jahre 1270 wurden die Gebeine des heiligen Benno erhoben, und darüber in der Mitte der Domkirche zu Meisten ein herrliches Grabmal von schwarzem Marmor erbaut; damals wusch man seine Gebeine mit Wein, um sie zu reinigen, und gab solchen den Kranken und Bresthaften zu trinken, die alle davon genasen. Im Grabe fand man auch seine Insul, seinen Chormantel und Bischofsstab unversehrt, welche gleichfalls aus dem Grabe erhoben wurden.
Im Jahre 1523 erfolgte in Rom durch Pabst Hadrian VI. die feierliche Heiligsprechung des Bischofs Benno.
In derselben Zeit war aber eine große Umwälzung in kirchlichen Dingen und Glauben erfolgt: die Reformation. Namentlich war es die Verehrung der Heiligen und ihrer Reliquien, welche die neue Lehre als abgöttisch und verdammlich erklärte. Da nun auch in Meissen unter Herzog Heinrich gegen die katholische Kirche Verfolgungen stattfanden, und die Verunehrung der Gebeine des heiligen Benno zu befürchten stand, so brachte Johann, aus dem freiherrlichen Geschlechte von Maltiz, Bischof von Meissen, dieselben heimlich in die fürstliche Hofkapelle zu Stulpen, sechs Meilen von Meissen.
Da beschloß Herzog Albrecht IV. von Bayern, die Gebeine des heiligen Benno zu erwerben, um sie für ewige Zeiten zur Ehre der Kirche zu erhalten. Er wendete sich durch den Dechant Hieronymus von Kommerstatt zu Meissen an den dortigen Bischof Johann, und dieser willfahrte dieser Bitte und übersendete die heiligen Reliquien, wie er sich in dem Schreiben an den Herzog von Bayern am Sonntag Lätare 1576 ausdrückt, „mit freiem und andächtig geneigtem Gemüthe, um dadurch alle besorglichen Entehrungen zu verhindern." Diese Gebeine wurden dann in München in der herzoglichen Residenz, der neuen Veste, vier Jahre lang aufbewahrt.
Allein durch ihre Verwahrung in der Residenz waren diese Reliquien der öffentlichen Verehrung entzogen; der herzogliche Kammerrath von Kommerstatt, ein Bruder des Dechanten von Meissen, stellte daher dem Herzoge vor, er möge doch zu Ruhm und Lob des heiligen Benno und zum Trost und Nutzen der Gläubigen dessen Reliquien in die Frauenkirche überbringen lassen. Der Herzog bewilligte solches 1578; doch wegen verschiedener Hindernissen verzögerte sich diese Ubertragung bis zum Jahre 1580. Da geschah dieselbe mit großer Andacht und Pracht durch Herzog Albrechts Sohn Wilhelm V. in feierlicher Prozession, in Begleitung der Fürsten, der Geistlichkeit, der Beamten und einer unzähligen Menge Volkes. Der heilige Leib wurde in einer Kapelle der Frauenkirche in einem Altare niedergelegt.
Jm Jahre 1601 wurde sein Brustbild von schwerem Silber gefertiget, mit Gold und Edelsteinen reich verziert, und das Untergestell mit heiligen Reliquien belegt.
Dann ließ 1604 Kurfürst Maximilian I. einen neuen Altar fertigen, der von nun an der Bennoaltar hieß, und unter dem seit der letzten Restauration der Frauenkirche beseitigten sogenannten Bennobogen stand; der Rock, Stab und die Insul des Heiligen wurden in einem Glaskasten aufbewahrt.
In dem für München verhängnißvollen Jahre 1632, wo die Schweden München besetzten, wurde das silberne Brustbild des Heiligen sammt Reliquien mit den übrigen Kirchenschätzen nach Salzburg geflüchtet, und erst in dem schrecklichen Pestjahre 1634 wieder in feierlicher Prozession durch das Isarthor eingebracht; ein Gemälde am Benno-Brünnlein, an der nördlichen Aussenseite der Frauenkirche, zeigt uns noch diesen Vorgang.
Durch die Fürbitte des heiligen Benno sind aber viele erstaunliche Wunderthaten geschehen, davon mehrere Bücher erzählen.