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Raff - So lang der alte Peter... (Seite 34)
Es war nach der Schlacht bei Breitenfeld, als Gustav Adolf den Sieg über Tilly errungen und seinen Weg nach Bayern genommen hatte. Am 5. April 1632 erfolgte die Schlacht bei Rain, in der Tilly die Todeswunde empfing; Kurfürst Maximilian I. zog sich in das befestigte Regensburg zurück und ermächtigte Stadtkommandanten und Bürgermeister von München, im Falle der Not die Stadt zu übergeben, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Anfang Mai trat dieser Fall ein; denn Gustav Adolf, der die Belagerung von Ingolstadt aufgegeben hatte, marschierte geradeswegs über Landshut und Freising nach München. In Freising begrüßte ihn der französische Gesandte St. Etienne, der vom Kurfürsten als Vermittler und Fürbitter für die Stadt bestellt war. Anfänglich behandelte ihn der König kühl und abweisend: er war verstimmt über das Fehlen jeglicher Abordnung von Seiten der Bürgerschaft. St. Etienne schickte daher eilends noch in der Nacht einen Boten ab, der das Eintreffen der Münchner Abordnung veranlaßte. Anfangs ließ der König sie nicht vor, endlich gewährte er ihnen Zutritt und gab ihren fußfälligen Bitten um Schonung Gehör. Gegen eine Kriegskontribution von dreimal hunderttausend Talern, deren Hälfte noch während des Königs Anwesenheit, der Rest aber nach und nach bezahlt werden sollte, versprach Gustav Adolf Sicherheit der Stadt, wie auch des Privateigentums vor Brand und Plünderung, Schonung der Bürger, Erhaltung der katholischen Religion und der städtischen Verfassung. Mit diesem Akkord kehrten die Abgeordneten erleichtert nach München zurück, und noch am selben Tage begann durch das Neuhauser Tor der Einmarsch der schwedischen Truppen.
Am 17. Mai vormittags 11Uhr kam Gustav Adolf selbst, begleitet von dem ehemaligen Böhmenkönig und Pfalzgrafen Friedrich, dem Pfalzgrafen August von Neuburg, dem Herzog von Holstein und den Weimarischen Herzögen Wilhelm und Bernhard in die Stadt geritten. Viel verbreitet ist die Anekdote, daß er, von Freising über Ismaning herkommend, die Stadt München, als er sie inmitten der rauhen Hochebene vor sich liegen sah, mit einem goldenen Sattel auf einem dürren Gaul verglichen habe. Seine Wohnung nahm Gustav Adolf samt dem Pfalzgrafen Friedrich in der kurfürstlichen Residenz, die beim ersten Anblick sein Entzücken erregte in solchem Grade, daß er angeblich den Wunsch aussprach, sie auf Walzen nach Stockholm führen zu können. Er fragte nach dem Namen des Baumeisters; ihm ward geantwortet: der Kurfürst sei sein eigener Baumeister gewesen. Die Kurfürstin und die Räte waren zum Erzbischof von Salzburg geflohen; dorthin war auch die Kasse der Landschaft geflüchtet worden.
Vieles geschah, um Exzesse der Soldaten gegen die Einwohnerschaft zu vermeiden. Die Stadt erhielt eine Salva Guardia, das städtische Zeughaus bekam eine Sicherheitswache von 15 Mann, jedes Kloster eine von 4 Mann. Dem katholischen Obersten Hebron, der beim Stubenwirt einlogiert war, wurde das Kommando über die Stadt übertragen. Allgemeinen Jammer dagegen erregte die Höhe der Brandschatzungssumme; nur 104,340 Fl. an barem Geld und 40,568 Fl. in Gold- und Silbergeschmeide konnten vorläufig zusammengescharrt werden. Bekanntlich gab der Umstand, daß München einen großen Teil der Brandschatzungssumme schuldig bleiben mußte, Veranlassung zu der Aushebung und Mitnahme der 42 Münchener Geiseln, von denen später noch die Rede sein wird. Die flehentlichen Bitten des Magistrats um Nachlaß der Summe oder eines Teils derselben wurden vom König abschlägig beschieden.
Es war Gustav Adolfs Wille, daß private Brandschatzung und Beraubung der Bürger durch die Soldaten nicht noch nebenher gehen sollten. Zur Aufrechterhaltung der Manneszucht wurden auf dem Marktplatz zwei Galgen errichtet; gleich zu Beginn der Anwesenheit des Heeres wurden drei Soldaten gehängt, einer ward enthauptet. Trotz dieser abschreckenden Beispiele kamen Übergriffe verwilderten Kriegsvolks natürlich oft vor. Die Soldaten brachten mehrfach durch Drohungen die Einwohner dazu, ihnen notwendige Gegenstände um billigsten Preis zu überlasten, denn es war der Befehl gegeben, daß sie ihre Bedürfnisse einkaufen sollten. Dagegen bot sich den Einwohnern Gelegenheit, Beutestücke, die von den Soldaten da und dort mitgeschleppt worden, gleichfalls um sehr billigen Preis zu erwerben. In einem Keller der Residenz waren 140 metallene Kanonen unter der Erde vergraben, darunter 50 Fünfundsiebzig-Pfünder und die sogenanten 12 Apostel. Ein Bauer, nach Anderen ein Hofbediensteter, entdeckte dem König den verborgenen Schatz, der nun alsbald ausgegraben und als gute Beute nach Augsburg geführt wurde. Später, nach Eroberung Augsburgs durch die Bayern, ward er wieder zurückgebracht. Im Volksmunde hieß es in Bezug auf die Ausgrabung dieser Geschütze: Gustav Adolf habe die Toten auferweckt.
Auch aus der kurfürstlichen Kunstkammer und Bibliothek wurden damals viele wertvolle Gegenstände hinweggeführt. Das Gerücht hingegen, daß Pfalzgraf Friedrich, als persönlicher Feind des Kurfürsten Maximilian, dem König den Rat gegeben habe, die ganze Residenz in die Luft zu sprengen, lautet ziemlich zweifelhaft. Jedenfalls lag das Verüben solcher zwecklosen Greuel nicht in Gustav Adolfs Natur.
So sehr die Bevölkerung unter der bedrückenden Anwesenheit des feindlichen Heeres litt, das auf dem Wege nach München grauenvoll in Bayern gehaust hatte, gewann der König für seine Person eine gewisse Beliebtheit. Wenn er auf der Straße erschien, dankte er freundlich und herablassend für jeden Gruß, warf auch Geld unter das ihn scharenweise umdrängende Volk. Am Tage Christi Himmelfahrt begab er sich zu Fuß mit den andern Fürstlichkeiten und einem stattlichen Gefolge zuerst in die Domkirche, dann in das Jesuitenkollegium und die Michaelskirche. In der Liebfrauenkirche unterhielt er sich freundlich mit dem Geistlichen, ließ sich alle Merkwürdigkeiten, sowie die fürstlichen Grüfte zeigen. Im Jesuitenkollegium empfing ihn der Pater Rektor mit einer lateinischen Anrede, die der König in gleicher Sprache beantwortete. Er ließ sich auch hier überall herumführen, begehrte in der Kirche das Grabdenkmal des Stifters, Herzog Wilhelm V., zu sehen; und als er erfuhr, daß dieser auf seinem Grabe kein Denkmal, außer dem Bilde des Gekreuzigten, gewollt habe, pries er die fromme Demut des Toten. Ferner vertiefte er sich mit dem Pater Rektor in ein längeres Gespräch über das Sakrament des Altares, wie auch über das Opfer für die Verstorbenen. Sein ganzes Verhalten, und wohl auch einige Anerkennung, die der König der geistigen Rührigkeit der Jesuiten zollte, veranlaßten den Jesuitenrektor zu einem so lobpreisenden Bericht an den Ordensgeneral nach Rom, daß er daraufhin die Weisung erhielt: sich kälter und kürzer zu fassen, wenn man doch von Ketzern Gutes zu sagen habe.
In der Zeit vom 27. Mai bis 5. Juni weilte Gustav Adolf in Augsburg. Dann hielt er sich nochmals zwei Tage in München auf und zwar wohnte er diesmal auf dem Marktplatz bei dem Gastwirt Freihammer. Am 7. Juni verließ er München mit seinem ganzen Heere und eilte über Augsburg, Donauwörth und Weißenburg nach Nürnberg, um die Vereinigung zwischen Wallenstein und dem Kurfürsten Maximilian zu hindern. Der Zustand der Stadt nach dem Abzug der Schweden war ein trauriger. Die städtischen Kassen waren völlig erschöpft; alle Felder, Wiesen und Gärten rings um die Stadt waren zerstört und verdorben, alle Dörfer und Einzelwohnungen der Umgebung waren abgebrannt und verödet. Doch hatte die Stadt zwei Jahre Zeit, sich von dem Schaden zu erholen, ehe ein neues, schlimmeres Unheil sie betraf: die Pest.