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Raff - So lang der alte Peter... (Seite 32)
Nach dem Tode Stephans I., des Sohnes Ludwigs des Bayern, regierten die Söhne Stephans zunächst gemeinsam, teilten dann das Land in drei Teile, eine Münchner, landshutische und ingolstädtische Linie; Herzog Johann erhielt München als Anteil. Doch behielten alle Herzöge den Titel als Fürsten in Ober- und Niederbaiern, warfen immer wieder ihre Lande zusammen, schlossen Erbverträge, sodaß eine heillose Mehrköpfigkeit die Folge war. Der Unmut hierüber bewirkte schon 1385 ernste Zerwürfnisse zwischen Herzögen und Bürgern; die feindliche Haltung der Bürger gegen Stephan II. und Friedrich ward ausgeglichen durch eine förmliche demütige Abbitte, welche erstere zu Dachau den beiden Fürsten leisteten. Trotz des leidlichen Zustandes, der darnach einige Jahre währte, zeigt die Errichtung der „Neuen Veste", die damals am äußersten Rande der Stadt München erbaut und mit einem Zugang von außen her versehen ward, was die Herzöge sich von der Bürgerschaft im Falle neuen Zwistes erwarteten. Solch ein neuer und blutiger Streit entbrannte 1397 zwischen den Söhnen Johanns, den Herzögen Ernst und Wilhelm, einerseits und ihrem Oheim, dem Herzog Stephan II. mit seinem Sohne Ludwig auf der andern Seite. Die versuchte Vierherrschaft erwies sich als unmöglich; der ausbrechende Vetternzwist entzweite auch die Bürger, die ohnehin unter sich uneins waren. Es war die Zeit, da die erstarkten Städte gegen die Fürsten und die einzelnen Parteien innerhalb der Städte gegen einander im Kampfe standen. Dasselbe spielte sich auch zu München ab.
Die Zünftler, welche „die Gemeine", mithin die demokratische Partei bildeten, befehdeten die patrizische Herrschaft im Rathause, stürmten schließlich das letztere und rissen das Stadtregiment an sich. Der nunmehrige demokratische Rat hielt zu Stephan und Ludwig; die Anhänger der früheren Ordnung, so der bisherige Bürgermeister und spätere Chronist Jörg Kazmaier, entwichen nach Dachau, wo die vertriebenen Herzöge Ernst und Wilhelm weilten. Die gegenseitigen Feindseligkeiten hätten ihr Ende finden mögen durch den von vierundzwanzig Schiedsmännern zu Freising im Dezember 1402 gefällten Spruch, daß Ernst und Wilhelm der Münchner, Stephan der Ingolstädter Anteil verbleiben sollte. Aber die Münchner Ratsleute und ihre Genossen empörten sich wider die Söhne Johanns, errichteten gegen die Neue Veste zu ein Bollwerk aus mächtigen Holzblöcken, brachen die dortige Brücke ab und schlossen den Herzögen die Tore. Mit bewaffneter Macht, unterstützt von ihrem Vetter Heinrich von Landshut, mußten Ernst und Wilhelm vor ihre aufrührerische Hauptstadt rücken, die sich durch Boten an den in Paris weilenden Herzog Ludwig um Hilfe wandte. Aber die Vermittlung des deutschen Königs Rupprecht und des Nürnberger Burggrafen Friedrich von Zollern bewog Ludwig zu versöhnlicher Annahme des Schiedsspruches, wie auch die Stadt München zu schließlicher Nachgiebigkeit, zumal die Bürger durch die ewigen Fehden zu geschwächt und verarmt waren, um noch lange Widerstand zu leisten. Im Juni 1403, nach Versöhnung aller Parteien, ritten die Herzöge Ernst und Wilhelm feierlich in München ein. Die gedemütigten, überwundenen Städler gelobten, „als treue Biederleut ihren rechten Erbherren schuldig zu tun." Den Hauptmängeln im städtischen Leben zu steuern, ward von den Herzögen eine neue städtische Verfassung gegeben.
Es war ein Friede, den die Notwendigkeit geschlossen hatte. Der eigentliche Friede, der innere, zwischen der Stadt München und den Herzögen von Bayern-München trat ein am Tage gemeinsamen Blutvergießens für dieselbe Sache, am Tage von Alling.
Ludwig der Gebartete von Ingolstadt, der seinem Vater inzwischen in der Regierung gefolgt war und mit seinem Vetter von Landshut in erbitterter Fehde lebte, wollte sich rächen an Ernst und Wilhelm, die dem Landshuter Beistand leisteten, und zugleich München, auf das er ungern verzichtet hatte, durch Überrumpelung wieder an sich bringen. Am 17. September 1422 lagerte er mit seinem Heerhaufen schon bei Fürstenfeld — da sahen die Türmer Münchens die Rauchsäulen der von den Kriegsleuten in Brand gesteckten Dörfer Pasing, Gauting, Germering, Aubing aufsteigen, und alsbald ward Sturm geläutet. Rasch wappneten sich die Herzöge und ihre Ritter; die Zünfte und alle Bürger traten unter die Waffen, wohl gerüstet, in Fähnlein eingeteilt, geführt von tüchtigen Hauptleuten — „ihnen trug man vor die alten Banner der Stadt." So bewehrt, erwarteten Alle den ersten feindlichen Angriff, der am 19. September frühmorgens geschah. Da versuchte Ludwigs Hauptmann Hans Wessenacker, das Angertor zu berennen und mit einem Handstreich einzunehmen. Aber einen Hagel von Geschossen sandten die Bürger von den Mauern auf ihn herab — zugleich brachen die „Schlachtgewander" oder Tuchmacher aus der Stadt hervor, von den anderen Zünften gefolgt, und schlugen durch ihre Tapferkeit den Feind in schleunige Flucht. Die Rüstung, welche die Tuchmacher einem ingolstädtischen Hauptmann damals abgewannen, trugen sie später bei ihrer Zunftfahne alljährlich in der Fronleichnamsprozession, nebst sonstigen erbeuteten Waffen, mit sich.
Nun aber rückten die Herzöge Ernst und Wilhelm samt ihrem Heerbann, den siebenunddreißig Zünften der Haupstadt, sowie der streitbaren Bevölkerung von 28 umliegenden Ortschaften dem Gegner nach ins Feld und trafen ihn zwischen den Dörfern Alling, Puchheim und Hoflach. Ein heißer Kampf entspann sich; „Maria, reine Maid" war das Feldgeschrei der Münchner. Der junge Albrecht, Herzog Ernsts Sohn, warf sich, um Ludwigs Fahne zu erobern, tollkühn in die Feinde hinein, stürzte mit seinem verwundeten Gaul; das sah Herzog Ernst, der Vater, packte mit beiden Fäusten den wuchtigen Streitkolben und machte sich „mit plumpen und kübigen Streichen" Bahn zu seinem Sohne. Er kam eben recht, um einen Edelmann, der den jungen Herzog gefangen nehmen wollte, niederzuschlagen unter höhnischem Zuruf: „Ei, wolltest du einen Fürsten fahen?" Die Münchner drängten ihrem Herzog nach; vor ihrem Ungestüm wankten die feindlichen Heerhaufen und wandten sich zur Flucht, die bald allgemein ward. Viele der Fliehenden gerieten in das nahegelegene Haspelmoor und blieben stecken. Über vierhundert Gefangene fielen den siegreichen Münchnern in die Hände. Unter lautem Jubel und Geläute aller Glocken zogen die Sieger in München ein; die Überwundenen, die sie mit sich führten, gehörten zu Herzog Ludwigs besten Männern. Sie wurden milde behandelt und freigelassen, nachdem sie Urfehde geschworen hatten; Ludwig der Gebartete vermochte nichts weiter und mußte die Hand zum Frieden bieten, der den traurigen Krieg unter Vettern und Stammesgenossen beendigte.
So hatte ein Heer vorwiegend von Bürgern und Bauern unter Führung seiner Herzöge in offener Feldschlacht Waffenruhm gewonnen; und die Zünfte, diesmal durch die Tuchmacher, halten das Lob erneut, das die Tapferkeit der Schuhmacher unter Herzog Rudolf I. (gegen die Augsburger) und der Bäcker unter Ludwig dem Bayern (gegen die Österreicher) verdient hatte. Die siegreichen Herzöge stifteten ein Bild in die Kirche zu Hoflach, auf dem sie sich und ihre Waffengenossen verewigen ließen. Das war der Tag von Alling.