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Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)
Durch diese Feierlichkeit pflegen die Metzger ihre ausgelernten Lehrjungen freizusprechen, wodurch diese in die Gemeinschaft der Gesellen aufgenommen werden.
Am Fastnachts-Mondtage eines jeden Jahres ziehen sie in Begleitung sämmtlicher Handwerksgenossen von ihrer Ladstube im Thale, — Herberge genannt, — in die St. Peterspfarrkirche zum Gottesdienste; nach demselben geht der Zug durch mehrere Straßen der Stadt. Musik eröffnet denselben; hierauf kommen, auf geschmückten Pferden reitend, die Metzgerlehrlinge, welche freigesagt werden. Jedem Lehrlinge folgt, ebenfalls zu Pferde, ein Söhnchen eines Gewerbsmeisters, das er sich eigens zum Pathen, hier Gevatter genannt, bei der vorzunehmenden Taufe erbeten hat. Alle sind festlich und neu gekleidet, in schwarzen Beinkleidern, rothen Westen und Jacken, die Hüte mit bunten Bändern und vielfarbigen Blumensträußen geziert; die Hüfte umgürtet eine reine weiße Schürze, an welcher der blanke Wetzstahl glänzt.
Nun folgen zu Fuß die sämmtlichen Metzgerknechte in sonntäglichem Anzuge, auf ihren Hüten reich gestickte Bänder und Blumenzier, und in den Händen Sträuße tragend. Ihnen schließen sich der Altgeselle mit den Kannen- und Willkommsträgern und den Beimeistern an. Der Altgeselle und die beiden Träger sind in altmodische rothe mit Silberborten besetzte Röcke und Westen gekleidet, um die Schulter hängt ein breites Bandelier mit einem Degen, auf dem Kopfe tragen sie dreieckige Hüte. Vor der Residenz hält der Zug an; sie sprechen daselbst mit herzlichen Worten den Mitgliedern des königlichen Hauses die Huldigung ihrer treuen Anhänglichkeit und Liebe aus, und bieten dann dem Hochgefeierten den Willkomm dar, der immer freundlich angenommen wird. Willkomm aber nennt man einen großen Pokal; derselbe ist von Silber und vergoldet, der Griff an der Kanne stellt einen Metzger mit dem Beile dar, auf demselben besinden sich die Jahrzahlen 1670 und 1747. It der Umzug geendet und auf dem Marienplatze angelangt, so begeben sie sich in ein nahe gelegenes Gasthaus, woselbst sich die Lehrlinge umkleiden. Sie erhalten nun eine Kleidung von weißen Fellen, die straff an dem ganzen Körper anliegend rings vom Scheitel bis zum Fuße mit Trotteln von vielen Kälberschwänzchen behängt ist.
Gegen ein Uhr erscheint der Altgeselle, mit den Lehrlingen auf dem errichteten Gerüste des Fischbrunnens am Marienplatze. Der Altgeselle verneigt sich zuerst fröhlich gegen das zuschauende Volk, dann läßt er Gläser mit rothem Weine füllen, und leert sie auf das Wohl des Königs, der Königin, des ganzen königlichen Hauses, der Stände des Reiches, der königlichen Behörden, des Magistrates, der Einwohner Münchens, aller Bayern und endlich einer ehrsamen Zunft. Darauf beginnt die Freisprechung der Lehrlinge auf folgende Weise:
Altgesell: Wo kommst du her, aus welchem Land?
Lehrling: Allhier bin ich ganz wohl bekannt, allhier hab' ich das Metzgerhandwerk aufrichtig und redlich erlernt, eben darum will ich auch ein rechtschaffener Metzgerknecht werden.
Altgesell: Ja, Ja! — Allhier hast du das Metzgerhandwerk aufrichtig und redlich gelernt, sollst auch ein rechtschaffener Metzgerknecht werden. Du sollst aber getauft werden bei dieser Frist, weil du gerne Fleisch, Bratwürst und Bratl iß'st. Sag an mir deinen Namen und Stammen, so will ich taufen in Gottes Namen.
Lehrling: Mit Namen und Stammen heiß ich N. N. in allen Ehr'n; das Taufen kann mir Niemand wehr'n.
Altgesell: Nein, Nein! — Das Taufen kann dir Niemand wehr'n; aber der Nam' und Stamm muß verändert wer'n (werden). Du sollst hinfüro heißen Johann Georg Gut, der viel verdient und wenig verthut.
Während dieses Spruches schlägt der Altgeselle mit flacher Hand die Lehrlinge wiederholt und derb auf die Schulter. Mit einem Male springen nun plötzlich alle Jungen jubelnd in den Brunnen, werfen unter die umstehende Zuschauermenge Nüsse u. dergl. aus, und begießen und bespritzen die Kinder, die sich herandrängen um eiligst die Nüsse aufzuheben, aus den vorhandenen Schapfen mit reichlichen Wassergüssen, worüber natürlich großes Gelächter und Jubelgeschrei entsteht. Hat dieser nasse und kalte Spaß einige Zeit lang gedauert, so steigen die Freigesagten aus ihrem Bade; jedem wird nun ein weißes Tuch um den Hals gebunden, und jeder mit einem blauen Bande geschmückt, an welchem silberne und vergoldete Schaumünzen, nämlich die Pathengeschenke ihrer kleinen Gevattern oder Thaler als Andenken von ihren sonstigen Verwandten und Freunden hängen. Von diesem Augenblicke an sind jene Lehrlinge freie und ehrsame Metzgersknechte; sie gehören nun zur Metzgerzunft, und dürfen bei allen Gelagen mit einem ehrbaren Mädchen tanzen.
Sobald die Freigesprochenen wieder umgekleidet sind, geht der Zug in die Herberge zurück. Die Abende des Fasching-Montages und Dienstages schwinden bei Schmaus, Gesang und fröhlichem Tanze in Freuden dahin, und somit endet die alljährliche Lustbarkeit dieses altherkömmlichen Zunftgebrauches.
Das Jahr der Entstehung dieses Gebrauches ist eben so unbekannt, wie beim Schäfflertanze; die Volkssage aber knüpft ihn gleichfalls an eine große Pest in alten Zeiten.