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Münchener Stadtbuch

XLIV. Fanny Zaloska.

1785.

Kurze Zeit darauf sahen mehrere Leute, welche eben über den Frauenfreithof gingen und an die Thürme zufällig hinaufblickten, oben an dem Geländer der Thurmwächters Wohnung eine weibliche Gestalt, die weit sich überwiegend in die Tiefe hinabsah, dann zurücktrat, ihre langen blonden Locken mit der Rechten zurückstrich, dann sich mit beiden Armen auf das Geländer stützte, sich hinaufschwang und sich hinabstürzte. Ein Augenblick, — und der Leichnam der unglücklichen Fanny Zaloska lag zerschmettert unten! —

Mit Blitzesschnelle verbreitete sich die Kunde von diesem entsetzlichen Vorfalle in der Stadt. Der Eindruck war um so größer, als in der Frauenkirche an der Stelle, wo sie geknieet hatte, ein von ihrer Hand geschriebenes Blatt mit dem Verlaufe der Geschichte in kurzen Worten gefunden wurde, dessen Inhalt rasch von Mund zu Mund lief. Das von Wuth und Grimm gegen die ehebrecherische Mutter ergriffene Volk gerieth in Bewegung, umstellte deren Wohnung und stieß gefährliche Drohungen aus. Lodoiska wurde anfangs versteckt gehalten, am folgenden Tage aber ergriff sie verkleidet die Flucht. Duras folgte ihr. Von ihrem weiteren Schicksale hat man nichts mehr gehört.

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