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Münchener Stadtbuch

XXXV. Die Brände in der Residenz zu München.

1. Der Der große Residenzbrand im Jahre 1674.

bloßen Füßen mit Fräulein de Erlange in das Zimmer, in welchem die älteste Prinzessin lag, da dieses Gemach der Gefahr am meisten ausgesetzt war; dann begab sie sich, gefolgt von sieben oder acht Damen, alle mit nackten Füßen und im bloßen Hemde, in das Zimmer des Kurprinzen Max Emanuel — des künftigen Kurfürsten, — welchen sie im tiefsten Schlafe aus dem Bette hob. Beide Kinder trugen sie und Fräulein Erlange in das Zimmer des Hofmeisters des Kurprinzen, Marquis de Beauvau, welcher von dem gegenwärtigen unglücklichen Ereignisse noch gar keine Nachricht hatte, und daher erst bei dem unerwarteten Eintritte der Kurfürstin schnell einen Schlafrock um seine Schultern warf. Auf diesem Wege fiel eine mit dem hereingebrochenen Unglücke auf seltsame Weise kontrastirende komische Scene vor, die aber geeignet war, den erschütternden tragischen Eindruck des Augenblicks zu verstärken. Einer Kammerfrau, die vor Angst ohnehin schon fast besinnungslos war, begegnete im Korridor ein Mann in Unterbeinkleidern, welcher unter schrecklichem Furchtgeheule fortwährend beide Arme ausbreitete. Bei diesem Anblick sing auch die Kammerfrau an laut aufzuschreien, indem sie rief, der Mann habe ein Gewehr und wolle sie umbringen. Die Kurfürstin, welche stets ihre Besonnenheit behielt, erkannte ihn jedoch sogleich als den Bruder ihres Arztes, und nachdem sie endlich die furchtsame Kammerfrau beruhigt hatte, befahl sie ihr, sich in das Zimmer der Madame Verreoni, ihrer ersten Kammerfrau, die seit längerer Zeit an der Gicht darnieder lag, zu begeben, um diese der drohenden Gefahr, der sie wegen der Nähe des Feuers ausgesetzt war, zu

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