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Ein Jahrhundert München

Was man von Ludwig I. erwartete

Joseph Görres ließ in seinem „Rheinischen Merkur" den „Kurfürst Maximilian I. an König Ludwig bei seiner Thronbesteigung" folgende Worte richten: „Wie Du Dein Angesicht der Zukunft entgegcnwendest, so laß es auch auf die alte Zeit gerichtet sein. Baue nicht auf fließende Wasser und den Flugsand mensch- licher Meinungen. Sei ein christlicher Fürst, Säule zugleich dem Glauben und Schützer der Geistesfreiheit, und Dein Beispiel möge die Zeloten von zweierlei Art verstummen machen. Sei auch den Künsten ein Nährvater und Beförderer,- sie mögen unter Deiner pflege nach ihrer irdischen Bestimmung fortdauernd das menschliche Leben verschönern und erheitern und nach ihrer höheren die Urquellen aller Schönheit verherrlichen,- aber lasse Dich von ihrem Zauber nicht über Gebühr befangen. Dulde nicht, daß aufrührerische Gesinnung die Grundfesten des Thrones untergrabe: denn die große Säule des Hauses, auf der alle Gewölbe ruhen, darf nie auf wankendem Grunde stehen, soll nicht dem Ganzen der Einsturz drohen. Wolle auch Du die Erfahrung der Zeiten ehren, denn das Volk hat sich dem Fürsten nicht zur Dienstbarkeit, sondern zum Schuhe übergeben, daß er nicht mit Gewalt über Sklaven, sondern mit Milde nicht bloß über Bürger, sondern für sie herrsche. Sek Du ein rechter Fürst von Gottes Gnaden und vollende, was Du früher angefangen. Wolle nicht, daß die Nation, in Masse schon dem Ernst des Krieges pflichtig, auch im Frieden im leeren Spiele sich erschöpfe. Achte jegliches Talent und jedes Verdienst in Deinem Reiche, aber laß Dir jene frechen Glückspilze nicht nahe kommen, die km Verderben der letzten Zeit aufgeschossen und im Schlamme der Sündflut, die über Deutschland hergestiegcn, festgehastet.......Wie Deine Herrschaft mit dem neuen Jubeljahr beginnt, so sei fortan ein Schirmvogt und Hort des Glaubens, damit Bayern wieder werde, was es zuvor gewesen, ehe sie das Gegenteil ihm angelogen: ein Schild und Eckstein der deutschen Kirche. Wolle nicht gestatten, daß der Christen Recht allein

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