Rambaldi(1894) - Weinstraße

Rambaldi - 1894

Beschreibung: 694. Weinstraße. Beginnt beim nördlichen Teile des Marienplatzes am sogenannten Lindwurmeck, zieht sich gegen die Theatinerstraße und endet au der k. Polizeidirektion. Diese Straße erinnert an die älteste Zeit der Stadt, in welcher zu München noch der Welthandel blühte, im 14. Jhdt. und noch später ein öffentlicher Weinmarkt gehalten wurde und sich in der Dienergasse der ,,Weinstadel« befand (im Haus Nr. 20; s. Dienergasse), zur Niederlage für die unter dem Reife seilgebotenen Weine. Eine Urkunde von 1146 scheint schon auf eine Weinschenkgerechtigkeit hinzudeuten. Aus einem anderen Dokumente von 1385 erhellt, welche Sorten einheimischer und ausländischer Weine damals in München getrunken wurden; von letzteren erhoben die gemeinschaftlich regierenden Herzöge Stephan lIl., Friedrich I. und Johann ein Umgeld (eine Steuer). Auch gab es städtische ,,Weinverkoster·« Bei dem damals wohl weniger denn heute heiklen Gaumen unserer Vorfahren wurden 1433 sogar 600 Fuder bayerischen Landweines bis nach Regensburg verfrachtet. Ein geistlicher Spaßmacher nannte dieses altbayerische Marktgut aus Landshut und Dingolfings Umgebung im Gegensätze der lacrimae Christi witzig lacrimae Petri, weil in der Schrift (Lukas XXll, 62) steht: »Und Petrus . . . weinte bitterlich.« Immerhin aber mögen die in Altbayern, wie bei Freising, Landshut ec. gewachsenen herben Landweine ein gesünderes Getränke gewesen sein, als die vielen jetzt zum Verkaufe kommenden fabrizierten Weine. Das ehedem zwischen dem Hause Nr. 11 und der k. Polizei abschließende Thor, das alte Schwabingerthor, nahm in der zweiten Hälfte des 14. Jhdts. von dem daneben angesessenen Patriziergeschlechte Wilprecht den Namen Wilprechts-, später Nudel- oder Schäffler-Turm an und wurde 1591 abgebrochen. Nr. 13, k. Polizei-Direktion, war einst das Gebäude der englischen Fräulein und wurde 1691—94 an Stelle der Wilprechtschen Hauser am Wilprechtsturm, zwischen beiden Ecken des Stift- (Schrammer-) und Gruftgäßchens, und des paradeiserischen Hauses erbaut. *) In der Weinstraße befand sich auch, wie Lipowsky in seiner Urgeschichte, Il, 447 schreibt, »das Rechthaus«, wo das herzogliche Hofgericht seinen Sitz hatte (s. Marienplatz).. An alten Bezeichnungen sind noch zu erwähnen: Das »Frauen-Eck« (Haus Nr. 7), das »Schäffler-Eck« (Haus Nr. 12), das »Kloiber-Eck« (HausNr.15) und das bekanntere ,,Lindwurmeck« (Haus Nr. 3 des Marienplatzes, s. denselben) das noch immer ein besonderes Wahrzeichen der Stadt München ist, über welches Frz. Trautmann in seinem Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen S. 27 uns ein schauerliches Märchen erzählt.

*) Oberbayer. Archiv XVII, 143. Hübner I; 127.


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