Rambaldi(1894) - Viktualienmarkt

Rambaldi - 1894

Beschreibung: 679. Viktualienmarkt.Beginnt mit dem Pfarrhofe zu Heiliggeist, nächst der Heiliggeistkirche und endet beim Rosenthal unfern des Schulhauses. Er hieß früher auch ,,Marktplatz« und wurde 1807 durch den Abbruch mehrerer zu den Benefizien der Heiliggeist-Pfarrkirche gehörenden Häuser hergestellt, dann 1823—1829 mittels Hinwegräumung der ehemaligen Bräu- und Ökonomiegebäude und anderer Häuser ansehnlich erweitert (s. Heiliggeiststraße). In unmittelbarer Nähe des Gemüsemarktes, am Eingange in die Westenriederstraße, sah man bis zum Jahre 1893 noch ein Stück der alten Stadtmauer mit einem bis dahin wohlerhaltenen zinnengekrönten Turm aus der Zeit Kaiser Ludwig des Bayers. Er war das Modell zum einstigen Karls-, Sendlinger- und Angerthorturm und gab uns noch ein treues Bild der Wart- und Wachtürme jener frühen Tage. Mehr als hundert solcher fester viereckiger Türme befanden sich ehedem mit Zwischenräumen an den Stadtmauern zu Verteidigungszwecken. Sie verschafften, wie wir aus einem Miniaturgemälde Hans Mielich’s von 1559 erkennen, München ein imposantes Ansehen. Von diesen zahlreichen Türmen, welche alle mit Erbauung der zweiten Stadtmauer von 1285 oder 1287 an bis 1315 oder 1319 entstanden sind, war uns nur mehr jener einzige, aber dafür vollkommen in seiner alten Gestalt erhalten, bis auch dieser nebst dem anliegenden an die Stadtmauer angebauten Cafe Gröber *), das den alten Münchnern noch wohl bekannt ist, der dringenden Notwendigkeit der Regulierung des Viktualienmarktes und der vielfach geforderten Durchführung der Reichenbachstraße weichen mußte. Auf der entgegengesetzten Seite des Marktes kam man an der Stadtmauer entlang durch einen Thorturm, den sogenannten ,,Seefeldbogen«, in das Krotten- später Rosenthal (s. dasselbe). Die ehemalige, sehr alte »Roßschwemme«, an deren Stelle sich jetzt das Kustermannhaus befindet, ist in den 1870er Jahren bei der letzten Erweiterung des Viktualienmarktes verschwunden. Dort befand sich bis 1810 an der Brücke auch die ,,Bäckerschnelle« oder der »Bäckergalgen«, ein beweglicher Korb zwischen zwei Balken, mittels dessen jene Bäcker, welche es mit dem Gewicht und der Qualität des Brotes zu leicht nahmen, in früheren Jahrhunderten ein unfreiwilliges Sturzbad erhielten; derselbe befindet sich gegenwärtig in den Sammlungen des k. Nationalmuseums und ist in der Folterkammer zu sehen.

*) Eine im städtischen Museum befindliche, im Jahre 1818 aufgenommene Ansicht der Stadt, vom Petersturm aus gezeichnet, zeigt uns diesen Turm nebst dem alten Cafe Gröber.


Weiter zur Straßenbeschreibung

Stadtmodell von Sandtner