Rambaldi(1894) - Oberanger

Rambaldi - 1894

Beschreibung: 25. Unger oberer. Zieht südwestlich von der Dultstraße unsern des städtischen Zeughauses, zur Blumenstraße bei den Anlagen des Schulhauses. Bei Entstehung der Stadt um 1158 ward hier ein Bach über einen Anger hereingeführt und davon der »Angerbach« genannt, welcher die ältesten Straßen der Stadt mit Wasser versorgte. Zur Zeit der Herstellung der äußeren Stadtmauer (1319) hatte schon das Gewerbe von diesem Gebiete (Felder, Wiesen, Gärten) Besitz ergriffen. Der »Hai«- oder ,,Hägeturm« am Ende der oberen Angergasse, unter dessen gotischen Gewölben der nunmehr überwölbte, die Mitte des Oberangers durchfließende Thorkanal in die Stadt rann, erscheint als der älteste Wasserreserves-Turm Münchens und wurde erst 1870 bei Einlegung der ihm benachbarten Ringmauern abgebrochen. Der ganze Anger hatte für München hohe Bedeutung. An ihn und an das Thal war ein großer Teil des gewerblichen Lebens der alten Stadt gebunden, und die Erzeugnisse des Gewerbefleißes bildeten eine Quelle des Wohlstandes von München. Besonders hatten hier die Tuch- und Lodenmacher (Wattmanger), Lobenwirker, Leinweber, Wollenschläger und Färber ihre Werkstätten. Wir müssen überhaupt auf dem Anger die erste Siedelung im Umkreise der alten Stadtmauer erkennen, und das bald auftretende »Angerviertel« zeigt sich als das bevölkertste Quartier der Stadt. Doch blieb noch immer so viel Raum, daß sich nicht blos der ursprüngliche Name in seiner wirklichen Bedeutung erhielt, sondern selbst dort noch die Messe (Dult) stattfinden konnte (s. Anger, unterer). Seit ältesten Tagen befanden sich hier ein Bleichhaus und die städtische Bleiche, die 1421 wegen der neuen Barchentfabrikation bedeutend vergrößert werden mußten. 1420 wurde eine iieue Walkmühle hergestellt, welche mit der in demselben Jahre erbauten Schleifmühle, die in den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts abgebrochen wurde, zusammenhing. Um dieselbe Zeit ließ der Rat auch ein neues Manghaus erbauen, das in dem alten Färbehause am oberen Anger Nr.56 vermutet wird. Doch bestand 1454 nebenbei noch das alte, und dieses war damals an Hutmacher verpachtet. Am »hinteren Anger« d. h. dem nördlichen Teile hielt man den Pferdemarkt ab, woher derselbe gewöhnlich der »Roßmarkt« genannt wurde, obgleich in früher Zeit Vieh aller Art zugetrieben wurde. Vor dem Wiesenplatze auf dem Blachselde war ferner schon im 13. Jahrhundert die Schießstätte der Armbrustschützen, auf welcher nicht blos die Uebungen, sondern auch Festschießen gehalten wurden, und zwar bis zum Ende des 16. Jahrhunderts (s. Schützenstraße). — Eine alte Familie nennt sich häufig »an dem Anger«. Schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts hatte sich dieselbe durch großen Reichtum zu hohem Ansehen emporgeschwungen und gehörte zu den hervorragendsten Patriziergeschlechtern der Stadt. Jhre Mitglieder wurden dem rittermäßigen Adel beigezählt und kommen bis zum Aussterben des Mannesstammes 1592 durch mehr als 3 Jahrhunderte in den höchsten städtischen Aemtern vor. *) — Der obere Anger hieß früher »hintere Angergasse», »Roßmarkt« (bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts), teilweise »Angerplatz« und schließlich »obere Angergasse« Ein unheimliches Haus befand sich am oberen Anger, nämlich das des Scharfrichters.**) Ja ältester Zeit soll derselbe in der Sendlingergasse gewesen sein. Als aber die Richtstätten außerhalb der Stadt verlegt wurden (s. Arnulfstraße), kam die Wohnung des Scharfrichters dahin, wo man an der Stadtmauer vom Sendlingerthore zum unteren Anger hinabging welcher Teil nunmehr zur Blumenstraße gehört. Das Haus des Scharfrichters als einer »unehrlichen Person,« ward aber nicht unter anderen Häusern, sondern alleinstehend mitten in der Straße erbaut. Dasselbe wird im Münchner Grundbuche von 1572 als »Haus des Züchtigers« genannt, und die Gasse hieß man vom Anfange des 14. Jahrhunderts an durch mehr als ein halbes Jahrtausend das »Henkergässel«, auch die »Scharfrichtergasse«. Erst im zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, als viele ältere Straßen der Stadt neue Benennungen erhielten, bekam diese Gasse den Namen »Glockenbachstraße« weil sie zum Glocken- und Angerbache hinabzog. Als 1841 der letzte von der Stadt besoldete Scharfrichter Martin Hörmann gestorben war, demolierte man jenes Haus mit seinem nach rückwärts gelegenen Stadel, in welchem man die Materialien zur Blutbühne aufbewahrte, ließ den Platz frei und ebnete ihn ein, so daß sich jetzt keine Spur mehr von ihm findet. 1436 sah sich der Magistrat durch die eingerissene Sittenlosigkeit veranlaßt, in der jetzt in der Blumenstraße aufgegangenen Mühlgasse nächst der Schleifmühle (jetzt steht das magistratische Gebäude Nr.17 am oberen Anger daselbst) ein »gemeines Frauenhaus« erbauen zu lassen. Dieses Haus wurde aber nach vorhergegangenen scharfen Befehlen der religiösen und sittlich strengen Herzoge Albrecht V. und Wilhelm V. 1579 ***) geschlossen und dem damals neu aufgestellten Wasenmeister (Schinder genannt) angewiesen. Die bei der nun abgebrochenen Schleifmühle über den Angerbach führende Brücke hieß aber davon Jahrhunderte lang im Volke die »H. . . .brücke«, eine Bezeichnung, welche der Bericht der k. Baukommission vom 9. Dez. 1811 als noch immer üblich beklagt. An Gebäuden sind bemerkenswert: Nr. 17, ein stattliches Ge- bäude, ehedem drei Häuser —- worunter das kurfiirstliche Militär- Waisen- früher gräflich Fugger’sche Haus —, welche die ehemaligen Landstände im Jahre 1774 und 1775 durch den Weingastgeber Josef Albert (s. Albertstraße) erkaufen, daraus diesen Bau herstellen ließen und denselben im Jahre 1807 an die Stadt gegen das Trinkstubengebäude vertauschten. ****) Abweichend hievon gibt Regnet in seinem »München in guter alter Zeit« S. 36 an: ,,Maximilian III. erbaute 1754—1755 an dieser Stelle einen Palast, dessen Bestimmung sonderbarer Weise niemand außer ihm kannte. Er wurde erst 1810 vollendet ec.« Der Plan scheint von Couvillier dem Jüngern herzurühren. Das Gebäude gehört nunmehr der Stadtgemeinde München und ist in demselben die Frauenarbeitsschule und das Arbeitslehrerinnen-Seminar untergebracht, nachdem es fiir verschiedene andere Zwecke gedient hatte; so diente es einmal unter General Moreau 1800 und 1801 als Kriegsspital *****), später wurde das bayr. Armee-Monturdepot darin untergebracht, dann gehörte es der Stiftung des allgemeinen Krankenhauses.
Das der Aktienbrauerei zum Löwenbräu gehörige Haus Nr. 11 war das frühere Lodererbräuanwesen.

*) Josef Maria Mauer, Münchener Stadtbuch S. 46.
**) Franz Trautniann, Alt Münchner Wahr- und Denkzeichen S. 101«, Oberb. Archiv XXXL 227.
**) Vgl. O. T. Hefner, Originalbilder aus der Vorzeit Münchens. (Ob. Archdw Bd. XllL S. 25 sf.) In dem im k. Nationalmuseum aufbewahrten Modelle der Stadt München, welches der kunstfertige Drechsler Jakob Sandtner i. J. 1572 vollendete, befindet sich an der Stelle dieses Hauses ein schwarzer Fleck.
***) August Muffat, k. Reichsarchivs und städt. Archivrats »Münchens merkwürdigste Straßen, Gebäude und Denkmale geschichtlich erläutert-· S. 15. Vgl. ferner ,,Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren«, Reifehandbuch des P. Nepomnk Hauntinger, herausgegeben von P. Gabriel Meier in den Schriften der Görres-Gesellschaf, Jahrgang 1889, S. 55.
****) Lipowsty, Urgeschichte Il. S. 309.


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