Friedrich Mann und Christian Buddenbrook
»Buddenbrooks« (1901), der Debütroman von Thomas Mann, musste sich wie kaum ein anderes literarisches Werk mit dem Vorwurf des Schlüsselromans auseinandersetzen. Schließlich orientierte sich der Autor bei der Konzeption seiner Romanfiguren augenscheinlich an realen Vorbildern. So schrieb er etwa seiner Romanfigur Christian Buddenbrook signifikante biografische Züge seines Onkels Friedrich Mann ein, der um die Jahrhundertwende an der damaligen Modekrankheit Neurasthenie erkrankt war. Die Dissertation von Sophie Strelczyk beschäftigt sich erstmals ausgiebig mit der Krankenakte Friedrich Wilhelm Lebrecht Manns und leistet eine literaturanthropologische Analyse der Fiktionalisierungsmechanismen Thomas Manns, indem sie Zeitzeugnisse wissenschaftlich auswertet, kontextualisiert und die Relation von Wirklichkeit und Fiktion problematisiert.
Vorwort
- Einleitung
1 Gegenstand und Fragestellung: Die Krankenakte Friedrich Wilhelm Lebrecht Manns
2 Bemerkungen zum Forschungsstand
3 Bilse und ich als literaturästhetische Programmatik Thomas Manns
- Methodische Voraussetzungen
1 Entwicklung eines methodischen Untersuchungsmodells
1.1 Perspektiven literarischer und historischer Anthropologie
1.2 Fiktionalisierung
1.2.2 Die Akte des Fingierens
1.2.3 Die Funktionalität triadischer Relationierung
1.3 Ein profiliertes Imaginäres: Wolfgang Iser und Cornelius Castoriadis
1.4 Das Arbeitsmodell: Ein Zwischenfazit
2 Medizin und Literatur: Untersuchungsansätze zur Fiktionalisierung medizinischer Wissensinhalte
- Die Akte Friedrich Manns und ihre zeitliche Kontextualisierung
1 Der kulturphilosophische Kontext des Fin de Siecle
1.1 Die Entwicklung der Decadence und ihre begriffliche Differenzierung
1.2 Dilettantismus als Konkretisierung des dekadenten Menschentypus
1.3 Kunst und Krankheit: Nietzsche und Der Fall Wagner
2 Der medizinhistorische Kontext: Verfallsbiologische Hereditätstheorien und der neurasthenische Diskurs
2.1 Degeneration und Entartung im Umfeld der Decadence
2.2 Neurasthenie: Kulturkonstrukt und psychische Erkrankung
2.2.1 Stresserfahrungen in einer modernisierten Gesellschaft: Die Nervenschwäche als gesellschaftliches Phänomen
2.2.2 Neurasthenie und Literatur um 1900
2.2.3 Die Neurasthenie als zeitgenössisches Krankheitsbild
3 Systematisierungsvorschlag des Archivmaterials: Die Krankenakte Friedrich Manns
3.1 Lebensstationen Friedrich Manns: Eine Herleitung zur Akte
3.1.1 Kindheit und Jugend
3.1.2 Nervosität und Kur: Frühe Merkmale psychischer Erkrankung
3.1.3 Berufliches und privates Scheitern im Kontext der Krankheit
3.2 Die Krankengeschichte Friedrich Manns
3.2.1 Krankheitsverlauf in der Irrenanstalt Friedrichsberg
3.2.2 Krankheitsverlauf in der Heilanstalt Strecknitz
3.2.3 Medikationen und Behandlungsmethoden
3.3 Briefe
3.3.1 Aufenthalt 30. Juni 1896 - 12. August 1897
3.3.2 Aufenthalte 1. Mai 1918 - 31. März 1926
- Literaturanthropologische Fiktionalisierungsmuster bei Thomas Mann
1 Selektion - Der Autor Thomas Mann und seine individuelle Form der Weltzuwendung
1.1 Buddenbrooks als individuell-persönliche Auseinandersetzung mit der Familiengeschichte
1.1.1 Das Exempel Friedrich Mann
1.1.2 Problematisierung eines ambivalenten Bruderverhältnisses: Die Geschwister Thomas und Heinrich Mann
1.1.3 Die Egozentrie des Werkes
1.2 Selektion des diskursiven Umfeldes der Decadence
1.2.1 Der Nietzsche-Einfluss
1.2.2 Nervenkrankheit und Entartung
1.2.3 Bourget, Bahr und der Dilettantismus
1.3 Darstellungsstrategie und poetologisches Prinzip: Thomas Manns Verhältnis zu seinen Quellen
1.3.1 Beobachtung und literarisches Schaffen
1.3.2 Der Vorwurf des »kalten Künstlers«
1.3.3 Der Essay Bilse und ich und seine zeitgenössische Beurteilung
1.4 Zwischenfazit
2 Kombination - Die reflexive Ebene der Fiktion
3 Entblößung - Literarisches Probehandeln im Modus des Als-Ob
3.1 Fiktion als Ort der Positionierung und Inszenierung des Ich
3.2 Erlebnis und Ausdruck: Buddenbrooks als literarischer Bewältigungsversuch
- Resümee
- Literaturverzeichnis