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Raff - So lang der alte Peter... (Seite 80)
Aus der inneren Stadt von der Kaufingerstraße her ging es zur Neuhauserstraße durch einen Torturm, der zuerst das Kaufingertor, später der „Öde Turm" hieß. Im Jahre 1479 ward er wegen Baufälligkeit zum Teil abgetragen, dann aber neu und stattlicher aufgebaut. In dem Turm hing ein Glöcklein, das ward geläutet, wenn jemand hingerichtet wurde. Eine Uhr war an dem Turm, darauf zwei Männer die Stunde schlugen und eine Kugel, die das Wetter anzeigte: drehte sich die blaue Hälfte heraus, so regnete es, wenn aber die vergoldete Seite, so ward es heiter. Seit dem Neuaufbau war der Turm gar schön mit Malereien geziert; es waren da zu sehen Kaiser Ludwig mit Fürsten, sowie Pauker, Trompeter und Fahnenträger. Darnach hieß der Turm der „Schöne Turm".
Im Jahre 1807 aber wurde der Turm des engen Durchgangs wegen abgerisisen. Einige Tage, ehe die Zerstörungsarbeit anhub, wurden die Umwohner nächtlicherweile durch einen seltsamen Lärm aufgeschreckt. Ohne irgend etwas zu erblicken, hörten sie Trompetengeschmetter, laute Befehlsrufe und schließlich vom schönen Turm gegen das Karlstor zu ganz deutlich den Abzug einer Reiterschar, deren Harnische laut rasselten, während das Straßenpflaster von den Pferdehufen hallte. Dies gespenstische Treiben hielten viele für ein Zeichen davon, daß die Geister des alten München, seine Herrscher und Führer, vor dem neuen Zeitalter davongingen und die Stadt verließen auf immer.
Muß aber doch nicht ganz so schlimm gewesen sein. Wenigstens war noch manch eine Stätte den Geistern Alt-Münchens zu Rast und Einkehr bereitet — eine davon ganz nahe vom schönen Turm. Denn in der Kaufingerstraße, im Sabbadinihaus, hat Lorenz Westenfrieder, der in jenem Jahr 1807 noch lebte, gewohnt.