Münchner Sagen & Geschichten

Rings in der Altstadt

In der Burggasse

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 52)


Vom Marienplatz herauf zum alten Hof verdienen vier Häuser der Burgstraße ein kurzes Verweilen davor.

Das Haus Nr. 12 war das Haus des Staatsmannes und Rechtsgelehrten Wiguläus Xaver Aloys von Kreittmayr, des Verfassers der bayerischen Gesetzbücher, von dem die Gedenktafel, die das Haus schmückt, zu rühmen weiß, daß er „das Recht klarer und die Gerichtsbarkeit menschlicher machte." Um seiner Verdienste willen geadelt und zum Freiherren des hl. römischen Reiches erhoben, starb er als Geheimrats-Vizekanzler, 85 Jahre alt, in seiner Vaterstadt München, die ihm dankbar ein Denkmal auf dem Promenadeplatz errichtet hat.
Schräg über von dem Kreittmayrhaus, an dem schönen gotischen Hause Nr. 5, wo sich ehemals die Stadtschreiberei befand, erinnert abermals eine Tafel an den Mitbegründer der bayerischen Akademie der Wissenschaften, den Oberbergrat Johann Dominik von Linprun, der in diesem Hause 1787 starb. Auch die erste Sitzung der Akademie fand hier in Linpruns Wohnung statt. 

Wenn ein phantasievoll Gearteter in einer schönen Mondnacht allein durch die Burgstraße geht, träumt er sich vielleicht ein Bild zurecht, wie etwa Karl Spitzweg es gemalt haben könnte: eines, wo die Fenster der zwei alten Häuser offen stünden und die ehrwürdigen bepuderten Gelehrtenhäupter der beiden Zeitgenossen sich herausneigten, einander zunickten, und der eine zöge eine goldene Tabatière heraus und nähme bedachtsam eine Prise, wozu der andere mit höflicher Reverenz ihm gutes Wohlsein wünschte.
Im Haus Nr. 11, neben Kreittmayr, glömme etwa noch stiller Kerzenschein; und wer durchs Fenster schauen könnte, sähe den kleinen Mann am Tische und die wundersamen Gebilde, die er mit nimmermüdem Reißstift aufs Papier zeichnet, der Franz Cuvilliés, der Schöpfer der Amalienburg, den Kurfürst Max Emanuel vom Hofzwerg zum großen Künstler hat ausbilden lassen.

Aber inzwischen höbe drüben im Hause Nr. 8 ein leises, süßes Klingen an, so silbern wie der Mondenglast, und die bezopften Herren lauschten, und alle Häuser und Giebel schienen aufzuhorchen, wer da solche Töne aus dem alten Clavycimbel hervorzulocken verstünde?
Um das zu wissen, braucht einer bloß nahe an das Haus zu gehen; denn da steht geschrieben, wieder auf steinerner Tafel, wer die Geister des Wohllauts in dem alten Gebäude zurückgelassen hat. „In diesem Hause und zwar im Eckzimmer des zweiten Stockes vollendete Wolfgang Amadeus Mozart im November und Dezember 1780 seine Oper Idomeneo."

Fünfundzwanzig Jahre zählte er bald, fühlte sich unglücklich in Salzburg, im Solde des Erzbischofs, der ihn nicht würdigte, während in München ein schon seit Mannheim ihm wohlgesinnter Fürst war. Eben vom Kurfürsten Karl Theodor hatte er jetzt den Auftrag für eine Oper erhalten, die im Fasching 1781 gespielt werden sollte, in dem entzückenden neuen Theater neben der Residenz. Und der Wolfgang Amadeus Mozart, dem von je „das Opernschreiben im Kopf steckte", wie er selbst bekannte, schrieb und probte und freute sich, im Verein mit seinen Musikfreunden, dem Anton Raaff und dem Cannabich, und mit Vater und Schwester daheim in Salzburg auf die bevorstehende Aufführung. Sogar der Katarrh, den die Münchener Winterluft ihm beschert hatte, störte seine Opernfreude nicht. Es war wie das Morgenrot eines künftigen leuchtenden Tages, das da aufging in der dürftigen Mietstube des engen Hauses in der Burgstraße.

Täglich gehen durch die Haustüre, über die Schwelle Menschen aus und ein, meist uneingedenk des Genius, der da geweilt hat, obschon die Namen seiner dramatischen Werke rings unter den Fenstersimsen verzeichnet stehen. Wer aber seiner gedenkt, dem klingt es beim Kommen und Gehen durch alle groben Alltagsgeräusche fein und melodisch hindurch . . . „hier schrieb Mozart am Idomeneo."


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