Münchner Sagen & Geschichten

St. Onuphrius auf dem alten Eiermarkt nächst dem Rathhaus.

Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen (Seite 38)


Über dieses große Bild, welches einen hoch heiligen Königs-Sohn aus Asien vorstellt, und weshalb es angemalt sei, giebt es allerlei Meinung und Versuch geschichtlichen Nachweises. Die sicherste Kunde, wie sie im Mund des Volkes sagenweise ging, ist aber wohl diese:

Es lebte Einer in den 1490ger Jahren zu München, des Namens Heinrich Pirmat, seines Zeichens war er ein großer Kramherr, nächst war er sehr fromm und wäre längst gerne zum hl. Grab nach Jerusalem gewallfahrtet. Aber der Gedanke an seine Hausfrau war ihm stets zum Hemmschuh, denn sie war immer kränklich, dazu schon bei Jahren, da wußte er nicht, wie lange er sie etwa noch habe —und so wollte er sie nicht verlassen. Eines Tages Anno 1493 schied sie nun von hinnen, und da Herzog Christoph von Bayern mit vielen anderen just seine Pilgerfahrt in das heilige Land antrat, beschloß der Pirmat, mitzuziehen, obschon ihm die Sache gefährlich vor kam, weil er eben selbst nicht mehr zu den Jungen gehörte. Er war aber nicht so fast seinerwegen besorgt, als vielmehr wegen des Söhnleins seines Bruders, welches er schriſtlich auferziehen wollte, so lang ihn eben Gott noch leben ließe. Indeß er stellte Alles zu des Himmels Fügung und that das Gelübde: Falls er wieder zurückkäme, wolle er das große Bild des heiligen Onuphrius an sein Haus malen lassen. Weil nun das Bild wirklich angemalt wurde, muß derselbe Pirmat wieder mit Heil heimgekommen sein und vier Jahre darauf sein Gelübde gelöst haben; oder er blieb längere Jahre in Palästina und wer weiß, was er da erlebte und erlitt. Auf dem Bild steht einmal die Jahreszahl 1497.

Weshalb er aber gerade den Onuphrius und keinen anderen Heiligen anmalen ließ, ist wieder unsicher. Aber es geschah entweder deshalb, weil sein Neffe Onuphri hieß, oder zum Andenken an eine Kapelle, welche am Ort des Pirmathauses in noch viel früherer Zeit, im zwölften Jahrhundert, gestanden, und worin Heinrich der Löwe, als er von seiner Pilgerfahrt in's hellige Land zurückgekehrt, nebst anderen Heiligthümern auch besonders die Gebeine des berühmten hl. Onuphrius niedergelegt hatte. Sie kamen später nach Braunschweig.

Obwohl da nun Jeder den besagten Heiligen angemalt sieht, und etwa sein Name dort und da genannt wird, so habe ich doch oft bemerkt, daß die Legende desselben fast ganz und gar unbekannt geworden ist.

Deshalb will ich sie in ihrer wahren Weise, wie sie schon vor vierhundert Jahren nach der urältesten Tradition und auch Aufschreibung erzählt und gedruckt ward, folgen lassen. Da ist der Gang der Sprache völlig der alte, nur die Worte habe ich hie und da verständlicher geschrieben.

Selbige Legende lautet in ihrer ganzen Kindlichkeit, wie folgt:
,, Sanct Onuphrius war ein Christ und hätt Gott lieb und war ein Mönch im Kloster Mepoligano, und in einem Kloster ward er erzogen; und es waren noch hundert Mönche in dem Kloster, die hatten alle ein seliges Leben und durften nicht reden, dann (außer) zu einer rechten Nothwendigkeit und von Gott.
In dem Kloster da lernte Onuphrius von Kindheit auf die heilige Schrift und geistliche Zucht; da hörte er die anderen Mönche das Einsiedlerleben oft loben und sprachen die:
,,Helyas habe seinen Leib im Wald sehr gekasteit und habe die größten Tugenden des Weissagens und Wunderwirkens empfangen; und wäre auf einem feurigen Wagen in das Paradies gefahren und hätte die Gabe des heiligen Geistes seinen Knechten mit getheilt und lebe noch."

Und sie sagten auch von Sankt Johannes, dem Täufer, wie er auch in der Wüste sei gewesen und hätte verdient, daß er Christum hätte getauft ."

Und da Sankt Onuphrius das oft hatte gehört, da fragte er die Mönche, warum sie das Einsiedlerleben so oft lobten.

Da sagten sie: ,,Da (in der Wildniß) sind sie viel frommer, denn wir, wann (weil) sie leben ohne menschliche Hülfe. Das thun wir nicht; wann wir helfen einander volbringen den Gottesdienst, und wenn wir siech find, so nehmen wir Trost von einander und haben Häuser für das Ungewitter und noch viel anderen Trostes, den da die Einsiedler nicht haben. Aber die Engel Gottes trösten sie und bringen ihnen ihre Nothdurft, wann Gott vergist der Armen nimmer, als geschrieben ist: „Die Heiligen, die auf Gott hoffen, die wandeln in Stärke und nehmen Federn an sich, wie die Adler, und fliegen und werden nicht müde. "

Von diesen Worten ward Onuphrius sehr getröstet und dachte er: Ich will auch ein Einsiedler werden - und betrachtete einige Zeit. Darnach stand er einmal heimlich bei der Nacht auf und machte sich auf den Weg und trug ein Brod mit sich, daß er kaum genug hatte bis zum vierten Tag. Da kam er an eine Stätte und dachte, da will ich bleiben.

Da sah er zur Hand ein Licht vor ihm (sich), daß war gar schön. Da erschrak er gar sehr und fürchtete, er müsse davon (deshalb) wieder in sein Kloster gehen. Da ging alsbald ein schöner Engel um das Licht, der sprach:
,,Früchte dich nicht, wann ich bin ein Engel, und bin dir von deiner Geburt an gegeben worden, daß ich deiner hüten soll, und bin ich nun zu dir gesandt, daß ich bei dir soll bleiben, und ich soll dich das Einsiedlerleben lehren. Und in derselben Arbeit sollst du sein und dein Herz bewahren in aller Hut. Lobe Gott und verharre im Guten, wann ich verlaß dich nicht, bis ich deine Seele vor Gottes Angesicht bringe."
Darnach ging der Engel mit ihm wohl sechs oder acht Meilen zu einer Höhle, die war gar schön.
Da ging Onuphrius hinzu und wollte besehen, ob Jemand da wäre und schrie hinein.
Da ging ein heiliger Einsiedler heraus.

Da fiel ihm Sankt Onuphrius zu Füssen und betete ihn an.

Da hob ihn der bei seiner Hand wieder auf und gab ihm den Kuß des Friedens und sprach auch: ,,O Sohn, geh herein, du bist mein Bruder in dem Leben und im ewigen Leben."
Da ging Onuphrius hinein zu ihm und blieb etliche Zeit bei ihm, und da lehrte ihn Jener das Einsiedlerleben.

Da nun etliche Tage vergingen, da sprach der Einsiedler zu Sankt Onuphrius: ,, Steh' auf und geh' weiter in die Wüste, da sollst du in einer Höhle wohnen."
Und der Einsiedler ging vier Tage lang mit St. Onuphrio, und am fünften Tag kamen sie an eine Stadt, die hieß Calcedonia, und es waren Palmbäume nahe dabei.

Da sprach abermals der Engel zum Sankt Onuphrius: „ Siehe das ist deine Stätte, die dir von Gott bereitet ist.“ Und der Einsiedler blieb da dreißig Tage und lehrte ihn, wie er Gott lieb haben sollte und befahl ihn da Gott und ging wieder heim und kam oft wieder zu Sankt Onuphrio und sah, wie es mit ihm ginge.
Und eines Tages da kam der Einsiedler abermals zu ihm und fiel alsbald nieder und starb.
Und als Onuphrius sah, daß er todt sei, da war ihm gar leid und war er sehr betrübt und fiel nieder und weinte gar sehr und begrub ihn darnach, mit großer Andacht und diente fürdaß unserem Herren mit Beten, Fasten, Wachen und viel anderer guter Uebung. Und er erlitt also viel, daß er oft fürchtete, er müsse sterben  denn des Tages marterte ihn die Hitze und des Nachts die Kälte, und er litt auch viel Hunger, biß sich etwa Gott über ihn erbarmte. Es stunden auch etliche Palmen bei ihm, und was die alle Jahre brachten, das las Sankt Onuphrius auf und mischte Kräuter und Blätter baran und aß das. Das war in seinem Munde so süß als Honig. Da tröstete ihn auch unser Herr und sandte ihm ein Brod durch einen Engel. Für diese Gnade dankte er Gott mit großer Andacht.

Der liebe Herr Sankt Onuphrius aß (aber), wie gesagt, zuerst nur Kräuter und Blätter und wohnte in den Höhlen und in den Thälern der Berge, und da er nun siebenzehn Jahre im Wald gewesen war und viel durch Gott gelitten hatte, wollte ihn Der von der Welt nehmen und ihm seinen Lohn geben und ihn auch vorsehen.

Zu diesen Zeiten war ein guter Mann, der hieß Þaffnucius. Der saß eines Tages allein und gebachte in seinem Herzen: Ich will in den wüsten Wald geben und will die Einsiedler-Mönche sehen und will ihre Heiligkeit lernen.

Und er ging aus und nahm Wasser und Brod mit sich, damit er nicht verzage. Und er lag auf dem Weg bis auf den vierten Tag und es zerrann ihm die Nahrung, die er mit sich genommen hatte.
Da warb er gar krank, weil er nichts hatte, sich zu speisen und rief Gott mit großem Ernst an.
Zur Hand leuchtete ihm die göttliche Gnade und vertrieb dem Paffnucio die Krankheit, die er hatte. Und da er nun gekräftigt ward, da hob er sich auf den Weg und ging abermals vier Tage, ohne daß er etwas speiste. Da ward er gar müde und fiel auf die Erde und rief Gott an.

Und zur Hand ward er gestärkt von der Kraft Gottes und sah einen Menschen, der war herrlich gestaltet und war schön und löblich und war lang und hatte einen klaren Anblick. Der trat mit gütlichem Antlitz zu Paffnucius und berührte ihm seine Hände und Lippen und gab ihm alle seine Kraft zurück und verschwand. Da stand Paffnucius zur Hand mit der Hilfe Gottes auf und ging siebenzehn Tage in die Wüste, bis ihm Gott eines Tages eine Stätte vorsah, wo er bleibe. Da war er fast müde und dachte sich: Wie gar elend bin ich!

Und da er sich das gedacht, da sah er Sankt Onuphrium von ferne hergeben. Der war gar scheußlichen Ansehens, recht wie ein wildes Thier, und war überall rauh, wie ein Bär und hatte Haare an sich, daß es ihm all seinen Leib bedeckte, so lang war es, und er hatte um die Hüften Kraut und Blätter.
Da nun Paffnucius den Sankt Onuphrium sah, erschrat er gar sehr und floh auf einen Berg und verbarg sich unter das Laub. Da schrie ihm Sankt Onuphrius nach und sprach: „Gottes Knecht, komme her und fürchte dich nicht, wann ich bin ein Mensch, wie du!"
Und von den Worten wurde Paffnucius getröstet und ging zu ihm und fiel Ihm zu Füßen. Da weissagte ihm Onuphrius und sagte zu ihm:
„Steh auf, wann du bist Gottes Kind; du heißest Paffnucius und bist ein Freund der heiligen."

Da stand Der zur Hand auf und setzte sich zu ihm und bat ihn, daß er ihm aus Liebe sage, wie er heiße und von wannen er gekommen sei.
Und da ihm Onuphrius Alles gesagt hatte, sprach er noch: „Ich habe siebenzehn Jahre so gelebt und in allen den Jahren habe ich keinen Menschen hier gesehen, denn dich allein, und hab' auch von keinem Menschen Speise genommen. Willst nun du Gottes Willen erfüllen, so bereitet er (auch) dir Alles, was dir Noth thut nach dem, wie er spricht: Ihr sollt nicht sorgen um Essen und Trinken. Sucht zuerst das Reich Gottes, so werden Euch alle Dinge desto vollkommener zugezogen.“

Darnach führte er den Paffnucius wohl drei Meilen weit zu seiner Höhle und ließ ihm die sehen; die war mit Palmbäumen geziert. Da sprachen sie ihr Gebet zu Gott und saßen da zu einander und redeten süßiglich von Gott, bis die Sonne untergehen wollte.

Da sah Paffnucius ein Brod und ein weniges Wasser (erscheinen). Draus erkannte Onuphrius wohl, daß Jener krank und müde sei, und sprach: Steh auf und iß, ich sebe, daß du dessen benöthigt bist."

Sprach Paffnucius: „ Ich esse nicht, als mit dir." Da aßen sie miteinander, und da sie genug hatten, da blieben ihnen dennoch Stücklein übrig. Und sie vertrieben da die ganze Nacht im Lob Gottes. Des andern Tags früh sah Paffnucius, daß Sankt Onuphrii Antlitz gar sehr entstellt sei, und fragte ihn, warum das wäre.

Da sprach er: „ Ich soll von dieser Welt scheiden, und dich hat Gott zu mir gesandt, daß du mich begrabest, denn ich werde bald sterben und es wird meine Seele in den Himmel erhöhet. Wer Gott um meiner Willen ein Opfer bringt, der wird von allen bösen Geistern befreit und von aller menschlichen Bosheit und ihm wird der himmlische Friede gegeben mit den himmlischen Engeln. Und wer vor Armuth kein (großes) Opfer geben kann, der gebe einem armen Menschen ein Almosen, so will ich bitten, daß er die ewigen Freuden besitze. Wer aber das Almosen nicht geben kann, der opfere Weihrauch, Gott zu einem süßen Geschmack. Für den will ich Gott bitten."

Da sprach Paffnucius: ,,Vater ich will dich fragen. Wer da aber nicht mit Opfer oder Almosen und auch nicht mit Weihrauch ehren kann, was soll der thun, daß er deinen Segen habe und deine Hülfe?" Da sprach Sankt Onuphrius: „Der stehe auf und recke seine Hände auf zu Gott und spreche ein Pater Noster mit Andacht durch meinen Willen, im Namen der heiligen Dreifaltigkeit: Für diesen Menschen will ich dann bitten, daß er des himmlischen Lebens theilhaftig werde mit allen Heiligen.“

Da bat ihn Paffnucius, daß er ihm, wenn er stürbe, erlaub', daß er seine Wohnung hätte.

Da sagte Onuphrius : „ Mit Nichten, wann es Gottes Wille ist, daß du predigen sollst, was du in dem wilden Wald gesehen und gehört hast. Und also wirst du behalten und selig werden."

Da fiel Paffnucius nieder vor ihm und sprach: „ Vater, darum, weil dir Gott um deiner Güte und großen Arbeit willen nichts versagt, bitte ich dich, daß du Gott anflehest, daß er mir helfe, dir gleich zu werden, und daß ich im ewigen Leben immer ewiglich mit dir sei."

Da sprach Sankt Onuphrius: „ Es geschieht also, wie du gebeten hast."
Und gab ihm den Segen.
Darnach stand er auf und bat mit großen Zähren und sprach: ,,Herr Jesu Christe, in deine Hände empfehl' ich meinen Geist."
Und legte sich nieder.
Da kam einschönes Licht und umgab seinen heiligen Leichnam, und in dem Licht verschied er.

Da fuhr seine Seele zu den ewigen Freuden. Und Paffnucius begrub ihn und zog von dannen zu seinem eigenen Werk und verkündete aller Menge des Onuphri Wort und alles Heil Christi. 


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