Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Name | Fausttürmchen |
Stadtbezirk | 1. Altstadt-Lehel |
Stadtbezirksteil | Angerviertel |
Name | Beruf | von | bis |
---|---|---|---|
Pfitzner Hans | |||
Scholl Sophie |
Das Thürmlein mit der drohenden Faust.
Auf der Stadtmauer zu Linken des Sendlingerthores, wenn man herausgeht, ist ein sonderliches, spitzes Thürmlein zu sehen, und auf dessen Spitze eine Faust, die in Nähe und Ferne droht. Manche meinten nun , es sei da einmal ein Hofnarr eingemauert worden, welcher die Thorschlüssel den Feinden aushändigte. Mit der Aushändigung hat es denn auch seine Ridhtigkeit, aber nicht mit dem Hofnarren. Sonst ist es im Ganzen ein rechtes Münchner Wahrzeichen, und da mit ist es so beschaffen:
An der inneren Stadtringmauer unfern dem Sendlmgerthore steht ein Thürmchen, mit einer drohenden Faust auf der Dachspitze., Dieses Thürmchen hat einen inneren Raum von 6 bis 8 Fuß Breite und 10 Fuß Höhe, und der Boden ist gepflastert. Die Erbauung desselben fällt in die Zeit der Ummauerung der Stadt unter Kaiser Ludwig dem Bayer, sohin vor das Jahr 1315. Von dem oberen Theile kann man durch Oeffnungen in die Weite schauen, und er war daher früher wahrscheinlich ein Wartthurm, ein „Lueg ins Land," wie ein solcher auch an der nordöstlichen Seite der Stadt noch gegenwärtig steht.. Der Sage nach hatte einst in alten Zeiten ein Raubritter der Stadt Fehde angekündiget, und mit einem Rathsherrn gegen großen Lohn ein heimliches Bündniß eingegangen, daß dieser ihm zur bestimmten Zeit ein Thor öffnen solle, die Stadt zu überfallen und mit Brand anzustoßen. Aber der verrätherische Anschlag ward noch rechtzeitig entdeckt, und der ungetreue Rathsherr zur gerechten Strafe in diesem Thurme lebendig eingemauert, so daß er elenden Hungertodes sterben mußte. Zur Warnung für alle Verräther wurde dann eine drohende Faust auf die Spitze des Thurmes gesetzt.
Auch sollen an der Mauer, an welcher dieß geheimniszvolle Thürmchen steht, in alter Zeit die Selbstmörder beerdigt worden sein. Noch zu Anfang unseres Jahrhundertes bekreuzten sich die Leute, welche an dieser Stelle vorübergingen.
Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)
Das Faustthürmlein am Sendlingerthor
Auf der Stadtmauer zu Linken des Sendlingerthores, wenn man herausgeht, ist ein sonderliches, spitzes Thürmlein zu sehen, und auf dessen Spitze eine Faust, die in Nähe und Ferne droht. Manche meinten nun , es sei da einmal ein Hofnarr eingemauert worden, welcher die Thorschlüssel den Feinden aushändigte. Mit der Aushändigung hat es denn auch seine Ridhtigkeit, aber nicht mit dem Hofnarren. Sonst ist es im Ganzen ein rechtes Münchner Wahrzeichen, und da mit ist es so beschaffen:
Vor etwa vierhundertundsechzig Jahren waren zu München ein paar Herzoge zu gleicher Zeit am Regiment, der Ernst und Wilhelm.
Diese zwei hatten einen wilden, unruhigen Vetter, Namens Ludwig, welcher ihnen oft und viel zu schaffen machte, bis er sich allgemach friedlicher verhielt; auch ließ er verbreiten, er sei die meiste Zeit ungemein unbaß, und mit dem und anderem brachte er es so weit, daß sich seine fürstlichen Vettern ganzsicher glaubten.
Inzwischen sie sich nun nichts Bösen mehr versahen, war er vielmehr auf ihren vollen Schaden bedacht, wollte sie gänzlich von München verscheuchen, die Stadt in Beschlag nehmen und verhandelte deshalb mit dem Bürgermeister von da.
Der war auch treulos genug, auf den Handel einzu gehen und für goldene Hoffnung und Dank seine rechten Herren zu verrathen, und als die Angelegenheit fest abgemacht war, ging er seine Sache ganz klug an.
Denn er erkor sich etliche schlimme Gesellen, und die brachten es über kurze Zeit dahin, daß das Volk mißmuthig ward und die Köpfe zuſsammensteckte. So trieben sie es fort und fort, bis die Leute zu München fest daran glaubten, es gehe ihnen nicht so gut, als es sein sollte; kurz es fuhr ein wilder, störrischer Geist in sie - wer ihn angestiftet hatte, daran dachte zuleßt kein Mensch mehr, und darauf gab es bald dort, bald da nichts als Gemurmel und Zusammenrottirung.
Als das so vor sich ging, that der falsche Bürgermeister jeder Zeit, als sei er hoch erzürnt, erließ verschiedene Mahnungen und stellte immer wieder Ruhe her, weshalb ihm die Herzoge stets mehr vertrauten.
Das Gemurmel und Rottieren hob aber stats wieder an. Was immer die Herzoge thaten, und wäre es auch das Beste gewesen, es galt ein für allemal nichts mehr; hier und da ging allmählig die Rede, sie seien nicht einmal die rechten Herren, und zuletzt ward die Steuer strittig und nur mit Widerwillen erlegt. Im Ganzen, es sah nicht zum Erfreulichsten aus; denn die Münchner waren von Argwohn und Trutz, und die Herzoge waren voll Verdruß, Ungeduld und Mißliebe – und darauf hatte es der Bürgermeister abgesehen.
Als ihn nun die Herzoge fragten, was denn da weiters zu thun sei, sagte er: „Hohe Herren, Euch ist große Strenge nicht angenehm, mit der Milde aber fahren wir nimmer weit, so viel bedünkt mich sicher und gewiß. Also ist mein herztreuer Rath dieser: Sobald sich wieder etwas Aufrühriges zeigt, verlaßt diese undankbare Stadt, damit das Volk verspürt, was es heiße, wenn Ihr nicht da seid, und das viele Geld des Hoflagers wo anders hinfließt. Wenn sie das etliche Zeit empfunden haben, werdet Ihr bald sehen, daß sie zum Kreuz kriechen, um Eure Wiederkunft flehen und das gegebene Exempel nie mehr vergessen. Sollte aber wider Erwarten das Alles nicht zutreffen, so würde ich an Eurer Stelle auch nicht mehr säumen, sondern mit Gewalt und Zorn heimkehren und ihnen die verdammten, störrischen Köpfe mit dem Richtschwert brechen lassen - es kömmt auf ein Dutzend nicht an."
Mit dieser Anrede kirrte er die gnädigen Herren, so daß sie seinem Rath folgten, sich bei nächster Unruhe auf ihre Rosse setzten und mit ihrer ganzen Hofhaltung die Burg verließen, fort über den Marktplatz, bei St. Peter vorbeiritten und weiter durch die Sendlingergasse zum Thor hinaus und auf Weilheim zu.
Als das geschah, stand das Volk auf Plätzen und in den Gassen umher und plauschte durcheinander. Der Bürgermeister aber, der die Herzoge scheinbar demüthig begleitet hatte, stieg mit seinen Helfern auf die Stadtmauer, schritt bis gegen das offene Wart-Thürmlein zur Linken, sah von dort den abziehenden Herzogen nach und rief, als sie in der Ferne verschwanden: ,,Viel Ade, Ihr hohe Herren! Das hätten wir gut angestellt! Ballt die Faust, wenn Ihr das Weitere vernehmt, ich ball' sie Euch hinwieder — heisa, Ihr seid draußen und nimmer kommt Ihr herein!“
Also waren die Herzoge fort, und es wurde fort und fort geplauscht und zuleßt gespottet: Die Herzoge seien aus Furcht abgezogen, theils vor dem Volk, theils vor ihrem fürstlichen Vetter, der keineswegs unbäßlich sei, sondern, wie eben verlaute, heranziehe, um die Stadt einzunehmen, die ihm gebühre.
Bei all dem Reden und Plauschen thaten des Bürgermeisters Helfer ihr Bestes und zeigten große Furcht vor dem Vetter, wenn man ihn nicht frei und friedlich einziehen lasse; kurz das Volk wandte sich ganz und gar von seinen rechten zwei Herren ab und versah sich einer goldenen Zukunft, wenn nur erst der neue Herr da wäre.
Als nun der Tag verstrichen, Gebetläuten vorüber war und der fürstliche Vetter Ludwig mit den Seinen wirklich vor die Stadt an’s Angerthor rückte, ward ihm bad vom Volk angelweit aufgethan, obschon der Bürgermeister zum Schein Bedenken zeigte.
Darauf zog der neue Herzog ein, sah mit lachendem Antliß und fast gnädig umher auf die Menge, und hinter ihm ritt Einer, der warf Groschen aus, als ob da Geld in Hülle und Fülle daher käme.
Drob entstand ein Jubelgeschrei um das andere, und also ging es fort und weiter, bis der Vetter und Herzog an der Burg absaß, von ihr Besitz nahm, und die Münchner glaubten, nun hätten sie sich des Besten zu versehen.
Da gingen sie aber weit fehl - voraus der Bürgermeister. Denn als er am nächsten Tag zum Herzog kam und sagte: ,,Hoher Herr, es ist uns das Spiel wohl gelungen“, schlug ihn Jener auf die Schulter und sagte entgegen: ,,Da fehlt sich's nicht, Ihr seid im Verrath ein ganzer Mann. Habt nur Acht, daß Ihr mir's nicht eben so machen möchtet, denn es könnte übel für Euch ausfallen, ich hab' viel bessere Augen, als meine vielgeliebten Vettern!"
Da kann sich Jeder des Bürgermeisters Staunen, Schrecken und Enttäuschung denken, zumal weil der herzogliche Vetter nicht im Geringsten dergleichen that, als habe er je ein Wort von Dank und Geldeslohn verloren. Viel mehr brach er von allem Vergangenen ab und befahl so gleich eine gewaltige Steuer; und als der Bürgermeister stotterte, über solches Verlangen käme die ganze Stadt in Aufruhr, fuhr Jener von seinem Sitz auf, schlug auf's Schwert und verlangte Augenblicks Gehorsam. Darüber verging dem Bürgermeister aller gute Muth, er war mit einemmal über die Treppe hinab unten im Schloßhof, ohne daß er recht wußte, wie er hinabgekommen sei, nächst verließ er die Burg voll Demüthigung und Zorn, begab sich auf's Rathhaus, berief sämmtliche Bürger und verkündete, was der neue Herr verlange.
Da entstand ein großer Rumor, und Einer machte dem Andern Vorwürfe. Aber es half kein Zank und Streit, die Steuer mußte erlegt werden, und über eine Woche schrieb der Herr Vetter schon wieder eine aus, und die war noch um Vieles höher.
So ging es von Woche zu Woche und von Mond zu Mond, und es schien anders gar nicht, als ob der neue Herzog ganz München an den Bettelstab bringen wolle, denn er forderte stets öfter und stets mehr; und wo immer sich die geringste Zusammenrottirung zeigte, da ließ er ſeine Leute ohne Weiteres mit dem Schwert drohen.
Ueber all das gerieth das Volk in Verzweiflung; denn so wohlhäbig und muthig es vordem gewesen war, um so viel ärmer und gedemüthigter ward es jetzt, und es sah Jeder ein, so könne es nicht mehr viel länger an währen, wenn man nicht sämmtlich Hunger sterben sollte, denn es ging schon an die legten Pfennige.
Dem Bürgermeister ging's aber auch nicht zum Besten, denn zu allem seinem Zorn über des Herzoge Undank kam noch die Verzweiflung über seine eigenen Helfer. Die verlangten rastlos Belohnung, und so oft und so viel er ihnen geben mochte, sie verlangten immer auf's Neue und mehr. Dabei drohten sie ihm ein über das anderemal, sie wollten dem Volk Nachricht geben, wer an all seinem Leid schuld sei - gar auch den zwei Herzogen, dem Ernst und Wilhelmus zu verkünden, was er ihnen vom Thürmlein auf der Stadtmauer nachgerufen habe, worauf es ihm, dem Bürgermeister, eben nicht gar gute Früchte tragen werde, wenn die zwei Herren eines Tages doch wieder gen München kämen, mittlerweil sie sich selbst wohl weiß brennen wollte.
Also sah sich der Bürgermeister gänzlich in seiner Helfer und Spießgesellen Hand und bot nach und nach sein Letztes auf, sie zufrieden zu stellen; und als dieß erschöpft war, sah er sich gezwungen, zum Seckel der Stadt zu greifen. Dazu verhöhnten sie ihn noch, so daß ihm allerletzt doch die Geduld brach und er ihren Drohungen Trotz entgegensetzte.
Darauf währte es nicht lange, so hielten die Schelme ihr Wort, schwärzten den Bürgermeister aller Orte in der Stadt an, verkündeten, was er auf der Stadtmauer zu ihrem größten Staunen gerufen habe, und das ging von Mund zu Mund. Eh´ der Tag verflossen war, kochte und gährte es im ganzen Volk, und eh' zwei weitere Tage verflossen, erhob sich ein großer Rumor, des Bürgermeisters Haus am Marktplatz ward gestürmt, und wäre er da gewesen, hätten se ihn sicher ermordet. Er war aber nicht daheim, sondern wo anders, unweit der Burg - von da flüchtete er zum Herzog und flehte ihn um Hülfe an.
Sagte der Herzog voll Hohn: „So lang ich da bin, will ich Euch wohl schützen. Wann ich aber fort bin, seht nur selber zu, wie Ihr´s richtet; das kann bald kommen, denn die längste Zeit bin ich schon da gewesen. Hier zu Stadt ist nichts mehr zu holen, denn das Volk ist ärmer, als arm, und hungriger, als die Kirchenmäuse. Also räum' ich weiters nur mehr die Herzogsburg aus und zieh' mit der kostbaren Habe von dannen. Wie's dann weiterhin ergeht, ist mir ganz gleich. Das Volk hat seine gerechte Strafe, und ich hoffe, Euch soll sie auch nicht ausbleiben. Jetzt wißt Ihr's, wie ich gesinnt bin, und das sei Euer Lohn, Ihr gottverdammter Verräther, der seinen rechten Herren die Pflicht gebrochen hat. Meine Großmuth und Gnade ist noch von der besten Art, denn wollte ich gerecht sein, wär' billiger nichts, als daß ich Euch das Haupt ab schlagen ließe! "
Als das der Herzog in Gegenwart seines Marschalls zum Bürgermeister sagte, meinte Der, ihn treffe vor Schrecken den der Schlag und wollte Etwas stammeln. Der Herzog aber donnerte ihm zu: ,,Auf da und fort aus meiner heilig hochfürstlichen Nähe!"
Da machte der Bürgermeister wie der Blitz linksum und sputete sich hinaus, der Herzog aber schickte ihm etliche Kriegsleute nach. Die brachten ihn heim, vertrieben das Volk und hielten die Nacht über Wache, so daß dem Bürgermeister nichts widerfuhr.
Mittlerweile Iieß der Herzog Alles auf Wägen häufen, was sich an Gold und sonstiger Kostbarkeit in der Burg vorfand. So ging es die ganze Nacht hindurch bis zum hellen Tag, und als eben die sieben Uhr Messe zu St. Peter zu Ende war, schwang er sich im Burghof auf sein Roß und zog aus mit allen seinen Grafen, Rittern und dem Kriegsvolk; die paar Kriegsknechte vom Bürgermeisterhaus waren auch dabei, in der Mitte fuhren die beladenen Wägen, und also ging's durch die Burggasse, an St. Peter vorbei und weiter in die Sendlingergasse und gegen das Stadtthor zu.
Da strömte das Vok grollend und schmähend mit; der Herzog aber achtete darauf nicht, sondern lachte, als freu' er sich des ohnmächtigen Zornes; am Sendlingerthor aber hielt er an, wandte sich mit seinem Roß, griff in den Seckel, warf eine Hand voll Groschen unter die Menge und rief dazu: ,,Da, nehmt meinen Dank! Seht Ihr, allso viel ist mir Euer Groll und Zorn werth. Ihr habt’s nicht besser verdient. Viel Gruß an Eueren Bürgermeister, Der hat Euch die Brüh eingebrockt, sonst wär' ich so weit nicht gekommen! Blast auf, Trumpeter, mit Schall!"
Drauf warf er sein Roß herum und ritt zum Thor hinaus; die Seinen nebst den Wägen folgten ihm nach - und Alle fort hinaus und rechts ab auf die Freisinger Landstraße zu.
So war der fürstliche Vetter wieder zur Stadt München draußen, das Volk aber eilte und drängte zum Marktplatz zurück, am Bürgermeister Rache zu nehmen.
Der versah sich dessen gar wohl und wollte sich da und dorthin verbergen. Es ließ ihn aber Niemand Zuflucht nehmen. Also wandte er sich von einem zum anderen Ort und nirgends fand er Sicherheit, denn überall hieß es: ,,Hinweg, Verräther!" Da floh er entlang durch Gassen und Gäßlein, und das Volk eilte ihm nach, und seine eigenen Spießgesellen waren überall voraus, bis er in einen offenen Hof gelangte, der war nahe am Sendlingerthor. Da klomm er über eine Mauer und kam auf einen stilen Pfad, der in den linken Thurm führte: In den wischte er hinein, verriegelte die Thüre, machte sich auf die Stadtmauer hinauf, und von der dachte er schlimmsten Falls hinabzuklimmen, oder zu springen, daß er mit Heil die Freiheit gewinne, oder seinen Tod finde. Er kam auch über das Stiegenwerk hinauf und dachte, die Mauerwache niederzustoßen, falls sie ihm in den Weg trete; vom Rücken aber glaubte er sich für eine Weile sicher.
Dem war aber nicht so. Denn die Spießgesellen hatten seinen Pfad bald erkundet, die Menge kam heran, die Thurmthüre ward eingebrochen, dieselben Spießgesellen rannten die Treppen hinauf, ihnen so Viele nach, als vermochten, und riefen Alle der Mauerwache zu: „Greif´ zu und halt den Verräther!"
Da rannte die Mauerwache auf den Bürgermeister zu und die Anderen kamen auf dem Gang oben von hinter her, so daß der Bürgermeister nicht mehr wußte, wo aus und an und nicht weiter, als bis zum offenen Thürmlein kam, wo er dazumal die Herzoge verspottet hatte. Nächst dem wollte er eben auf die Mauer klimmen und einen Sprung hinabthun, aber er hatte keine Zeit dazu, denn die Anderen griffen schon nach ihm.
Da riß er sein Schwert heraus und rief: „Nit um sonst!" Und hieb und stach um sich; und da er seine Helfer und Spießgesellen erkannte, rief er: „Ihr auf mich, die Ihr mein Werkzeug wart, Ihr Schurken, so wollt Ihr Euch weiß brennen? Wart, ich wil Euch roth färben!" Und stach und hieb voll Wuth auf sie ein; sie hinwieder auf ihn. Da glückt' es ihm besser, als Ihnen; denn den Ersten stach er nieder und dann den zweiten und den Dritten warf er über die Brustwehr in die Stadt hinab, daß es ihm den ganzen Schädel zerschmetterte, und dann ging es gegen die Anderen. Die schrien und schlugen auf ihn ein, und er hinwieder auf sie, vor sich und hinter sich. Da that er noch Manchem Schaden; er aber ging, auch nicht leer aus, bis er ganz erschöpft war und sein Schicksal vor Augen hatte. Drauf raffte er die letzte Kraft zusammen, rief : ,,lebendig sollt Ihr mich nicht haben!" und wollte über die Brustwehr seinem Helfer nach und sich auch das Haupt zerschmettern. Aber die Anderen rißen ihn zurück und warfen ihn zu Boden; da tobte und rang er noch lange, bis er gebunden und gefesselt war.
Drauf führte man ihn davon, über den Mauergang zurück, über das Gestieg' und Gestaffel des Thurmes hinab in die Sendlingergasse und entlang durch die Stadt bis zum Falkenthurm und warf ihn in den finstersten Kerker.
Gleichen Tages berieth sich das Volk mit dem Rath der Stadt, der an Allem schuldlos war, und da ward ein Beschluß gefaßt, der Allen wohlgefiel.
Drauf setzten sich drei Rathsherrn zu Roß, desgleichen sechs von den Bürgern. Die ritten selbander aus und fort zu den zwei rechten Herzogen, wo die zur Zeit waren, das war etwa zu Dachau. Dort stellten sie alles Geschehene vor Augen und flehten um Vergebung für die hart geprüfte Stadt, "denn das Volk sei gut," sagten sie, ja vom allerbesten. Aber es sei verführt und verrathen worden, gleichwie von teuflischer List. Also möchten die gnädigen Herren das bedenken, weiters keinen zu großen Groll hegen und wiederkehren, denn es werde ihnen mit Reue und tausend Freuden aufgethan."
Da währte es nicht zwei Tage, so kamen die Herzoge heran, ritten um die Vesperzeit mit Trumpetenschall um die ganze Stadt und an jedes Thor, und jedes wurde ihnen aufgethan. Zuletzt ritten sie an das Angerthor, durch das thaten sie ihren Einzug, als sie in der Stadt waren, hielten sie eine kurze Weile an, und der Ernestus sagte zum Volk:
,,Euch gebührte doch wohl gute, eindrückliche und scharfe Straf; denn Ihr habt hoch gefrevelt und Euch von heiliger Pflicht losgesagt, als ob es Euch bei je einem Anderen besser erginge, denn bei uns, die es doch stets gut mit Euch gemeint haben! Habt Ihr's nun gefunden und erfahren? Das ist mit Recht über Euch gekommen, drin hat unser Vetter ganz wahr gesprochen! In's Weitere sei Euch aber verziehen und vergeben, und es sei Alles vergessen und abgethan. Also bleibe von all dem Unglück kein Zeichen, als daß Ihr noch lange leere Seckel habt, davon wir Alle Schaden tragen, und daß dort das Angerthor vermauert werde. Das Zeichen währe für alle Zeit! “
Ueber diese milden Worte brach das Volk in Jubel aus. Die Herzoge aber ritten ben Anger entlang und durch die Gassen weiter zum Marktplatz und fort, bis sie im Burghof von den Rossen stiegen. Da fanden sie die Burg von allem Gut' und Kostbaren leer, grämten sich darüber nicht wenig, ließen sich von allem Bericht erstatten, was und wie die Sache von Anfang an beschaffen gewesen und weiter verlaufen sei, vernahmen dabei die ganze Sache des Bürgermeisters und zuvörderst, was er ihnen nachgerufen habe.
Nächsten Tage ward das Volk zum Rathaus befohlen. Dahin kamen auch die Herzoge geritten, hielten an der Thüre an und befahlen, den Bürgermeister aus dem Falkenthurm zu nehmen und anherzuführen.
Da er nun in Ketten daherkam, fiel er vor den Herzogen auf die Kniee und flehte um sein Leben. Es schrie aber alles Volk gegen ihn. Drauf boten die Herzoge ab, und der Wilhelmus, heißt's, sprach mit lauter Stimme:
,,Du Satansgesell, bittest du nun für dein Leben? Das sei dir geschenkt, und hättest doch besser um den Tod gefleht, so viel kann ich dir wohl melden. Denn du sollst wohl leben, du Verräther, aber also, daß dir das Sterben Tag für Tag willkommener wär´." Drauf schwieg er und ließ seinen Bruder Ernestus reden, und Der sagte:
„ Weißt du, wie du uns gerathen hast und was du uns am Thürmlein nachriefst, als wir von deiner List umgarnt, von hinnen zogen? Die Hand hast du uns zum Spott geballt und hast gerufen: Ihr seid draußen und kommt nimmer herein! Sind wir nun wieder da, ober nicht? So ist dein Wort zu Lügen geworden und zerbrochen. Was Wort aber wir dir zum Widerspiel an thun, das bleibt fest und beständig. Und das Wort lautet: In dem Thürmlein, daran du uns beschimpft und verhöhnt hast, sollst du eingemauert sein bis auf zweier Ziegel Weite, durch die man dir deine karge Atzung geben könne, und da bleibst du dann zum Widerspiel deines Wortes - da bist dann du drin und kommst du nimmer heraus! Wie aber du gegen Recht und Pflicht die Hand geballt hast und des Volkes Leid und Elend auf deiner Seele trägst, also ballen wir sie in einem Zeichen auf deines Kerkers Spitze für stets dir und jedem Verräther! Solches bring' deine Schach auf die Nachwelt! Dem aber, der dich nützte, uns zu vertreiben, und unser treues Volk zu verführen, dem dien' es zur zeitlichen Drohung, daß wir und seiner Zeit auch an ihm zu rächen gedenken!
Auf dieß brach der Bürgermeister ganz verzweifelt zusammen, aber die Schergen riſſen ihn auf und führten ihn fort zum Sendlingerthore und auf den Mauergang zum Spitzthürmlein. Da waren schon die Maurer zur Hand, das Volk drückt und drängte sich unten innerhalb der Stadt und sandte tausend Verwünschungen hinauf, und eh ' viele Zeit verstrich, war der Bürgermeister eingemauert.
Da hatte er seinen Lohn, und über kurze Frist hörte er über sich hämmern, denn auf das Thürmlein ward eine Faust geschmiedet.
So war die Sache Beschaffen. Die Herzoge hatten ihre Stadt wieder in Besitz, der Bürgermeister aber faß in seiner engen Haft.
Drin lebte er vierthalb Jahre, und die Mauerwache hörte ihn gar oft toben und rumoren; mit der Zeit aber hörte sie ihn dann mehr klagen und seufzen, bis er einst seine Atzung nimmer annahm und den Atzknecht um einen geistlichen Herren bat. Der kam dann. Dem beichtete er und trug ihm auf: „Die Herzoge und sämmtlich löbliche Stadt um Vergebung zu bitten, nebstbei um ein mitleidiges Vaterunser und Ave Maria, denn es sei seine Zeit da! “
Das richtete derselbe geistliche Herr wohl aus, und Männiglich betete für die Seele des Bürgermeisters.
Nächsten Tages hörte man im Thürmlein nichts mehr, als ein leises Flüstern; über den kommenden Tag gar nichts mehr, und da war es klar, daß Der im Thürmlein drin verstorben sei.
Drauf wurde die Mauer aufgeschlagen und der Bürgermeister also todter gefunden. Er hatte die Hände fest andächtig ineinander, schien sich demnach bis zum legten Augenblick ganz ruhig und tapfer verhalten zu haben.
Nächst wurde er herausgehoben und auf dem Friedhof bei hl. Geist begraben. Selbiger Friedhof ist im Lauf der Zeit verkommen, also weiß man auch nicht mehr, wo derjenige Bürgermeister liegt.
Das Thürmlein aber blieb auf Weiteres wieder offen, und die Faust blieb auf der Spitze oben. Da mahnt sie noch heut zu Tage an die Schmach des Verrathes, wie die Herzoge gesagt hatten.
Sofern sie aber dem fürstlichen Vetter galt, traf der zwei Herzoge Wort gleichfalls ein.
Denn als der fürſstliche Vetter späterhin vernahm, daß die löblichen Münchner wieder bei Geld seien, fuhr die Lust wieder in den wilden Herren, die Stadt München mit Gewalt einzunehmen, wie es ihm früher mit List gelungen war. Da wollte er dann das besagte Drohzeichen herabreißen lassen und das Volk wieder so arm machen, wie dazumal.
Drum ersah er vermeintlich die rechte Zeit und rückte mit Heeresmacht, aber doch ganz heimlich heran. Die Herzoge aber merkten das Spiel, riefen Alles zu den Waffen, zogen gegen den Vetter aus, stießen in der Gegend auf ihn, wo Blutenburg steht, das hat seinen Namen vom vielen Blut, das da floß – und schlugen in der Weise grauenbar und wüthig auf ihn ein und die Seinen, daß er eine schmähliche Niederlage erlitt, mit genauer Noth entkam und sich weiters nicht mehr träumen ließ, der Stadt München etwas anzuhaben, oder gar das innewohnende, goldtreue Volk zu berücken.
Weil er sich aber so schwer an seinem Vetter vergangen hatte, strafte ihn der Himmel noch mehr. Denn da stand sein eigener Sohn gegen ihn auf, von Dem wurde er gar gefangen genommen, dann von einem Ort zum an deren geführt, aller seiner Macht und Habe beraubt und schließlich in einen Thurm zu Burghausen gesetzt, darin er blieb bis an seinen Tod.
Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen
Das rothe Licht.
Jeder weiß, daß das Faustthürmlein am Sendlinger-Thore ein rechtes Münchner Wahrzeichen ist. An demselben zeigte sich aber früherhin noch etwas anderes.
Das hing mit dem Scharfrichter zu München zusammen. Zu wissen:
Mit Absicht ward bei uns sicher Keiner vom Leben zum Tod gebracht, wenn er unschuldig war. Gleichwohl traf es ein oder das andere Mal im Lauf der Jahrhunderte zu, daß Einer auf's Hochgericht mußte, obwohl er nichts Böses gethan hatte - die Richter waren eben im Irrthum, und wie die Wege des Schicksals sonst noch wunderbar sind.
Wie dem nun sei, wenn Einer unschuldig starb, blieb es nie verborgen.
Denn da erglomm in der folgenden Mitternacht das Faust-Thürmlein in blutrothem Licht, und zugleich that es drei schwere Schläge, gleich, wie mit einem Richtschwert, an des Scharfrichters Wohnung, welche früher innerhalb der Stadtmauer auf dem freien Platz unterm Thürmlein befindlich war.
Wenn nun der Scharfrichter die drei Schläge hörte und die blutrothe Helle sah, ließ er sich nicht beifallen, die Thüre aufzuschließen und zu fragen, wer da klopfe und was es da mit dem rothen Lichte sei, denn der wußte von Urgroßvaters Zeiten oder noch weiter her, was die Sache zu bedeuten habe.
Das nächste, was er that, war also nur, daß er so gleich niederkniete, mit lauter Stimme ein Vaterunser und Ave-Maria um das andere betete, bis es ein Uhr von der innern Stadt herüber schlug, und mit dem Schlag verschwand und verlöschte auch das rothe Licht. Dann legte sich Jener wieder auf seinen Pfühl, konnte aber begreiflich nicht mehr schlafen, und am Morgen zeigte er beim Rath an, was heute Nacht vorgegangen sei. Auf das begaben sich die Leute sogleich in Kirchen und Kapellen, denn man glaubte nichts anderes , als daß die drei Schläge und das rothe Licht ein Wahrzeichen für oder von dem unschuldig Verstorbenen gewesen sei, und so betete man eifrig für seine Seele und noch mehr dafür, daß der wirklich Schuldige entdeckt werde.
Dieß traf auch ein paar Mal ein. Das erste Mal mit einem Goldschmied unweit des schönen Thurmes, der heut zu Tage nicht mehr steht; das zweite Mal mit einer Dienstmagd, die ihr Stüblein zuhöchst in einem Hause, unweit der Dienersgasse, hatte. Die Beiben starben unschuldig, weil es schien, sie hätten sich kostbares Kleinod angeeignet, mittlerweile es eine Dohle und ein Rabe war, welche es entführt hatten – auf dem genannten Hause ist noch heute ein Rabe, oder wie Manche meinen, eine Krähe auf der Dachspitze zu sehen. Wie gesagt, da kam die Unschuld zwei Mal zu Tag. Was mit der Dohle und dem Raben geschehen sei, darüber verlautet zwar keine Kunde, aber wohl von ein paar anderen Fällen - dabei erlitten dann die wirklich Schuldigen die Strafe des Todes.
Das letzte Mal aber erging die ganze Sache, wie folgt, und sie soll vor ungefähr zweihundert Jahren statt gefunden haben:
Zu München lagen zwei Vettern über eine Erbschaft in Streit. Von diesem ward aller Orte viel gesprochen, bis zuletzt der Eine den Prozeß gewann, und der Andere leer ausging.
Als nun der Eine urplötzlich so viel Geld hatte, gab er es hoch und zechte und spielte in der Bürgertrinkstube, im Ammerthalerhof, oder in anderen Schenken, war vor dem Kehraus nicht vom Tisch zu bringen, und dann schwankte er gegen die Neuhausergasse heimzu, wenn ihn nicht ein Paar seiner Freunde führten; und wenn er dann des Weges durch die Eisenmannsgasse kam, in welcher sein Vetter wohnte, so höhnte und spottete er beinahe jedesmal, und seine Gesellen lachten und spotteten desgleichen.
Da er nun wieder einmal im Ammerthalerhof war, würfelte er mit zwei fremden Kaufherren und gewann ihnen viel Geld ab. Drauf schritt er in der Nacht allein heimwärts, und da hörte man ihn an der Hausthüre seines Vetters wieder höhnen und lärmen. Das war man schon gewöhnt. Mit einemmal aber vernahm man etwa Anderes, denn da rief er offenbar um Hülfe.
Drauf machten sich die Leute da und dort an die Fenster. Etliche schlossen die Hausthüren auf und eilten hinaus, und als sie hinkamen, fanden sie den reichen Vetter in seinem Blute liegen. Den armen Vetter aber sahen sie auch. Mit dem rang der Andere, der reiche, so schwach er auch schon war, und stöhnte ein über das andere Mal: ,,Hast du dich so an mir gerächt und mir zehn Goldgulden geraubt? Das kostet dir selbst das Leben, daß dich die Raben fressen!"
Da betheuerte der arme Vetter ihm und rastlos Allen ringsumher: Er sei, gleichwie sie, herausgekommen, sobald er den Ruf um Hülfe vernommen habe; da hab' er seinen Vetter im Dunklen angetroffen, wie er jeßt da liege, und er sei in der ersten Hast dem Thäter nachgeeilt – Der aber sei entflohen, und deshalb sei er wieder zurückgekehrt, um dem Vetter Hülfe zu leisten.
All das glaubte ihm weder der Vetter, der wenige Zeit darauf starb, noch sonst Jemand, sondern er wurde ergriffen und in den Falkenthurm geführt; weiters hob sich das Recht an, und als sich weder beim vermeinten Deliquenten selbst, noch auch in seinem Losament das geraubte Gold fand, ward seine Sache dadurch keineswege besser. Denn da er selbst gesagt hatte, er sei vom Ort der That vorerst hinweggeeilt, um dem rechten Thäter nach zusetzen, so hielt man das nur für eine Ausflucht, und nahm an, er habe seinen Raub schnell in Sicherheit gebracht und sei erst dann wieder zurückgekehrt. In Kurzem, er ward der schrecklichen That schuldig erklärt, über nicht lange Zeit mußte er auf's Hochgericht und da betheuerte er seine Unschuld bis auf den letzten Augenblick, aber es glaubte ihm Niemand.
Als nun Mitternacht kam, und Meister Martin, der Scharfrichter, ohne alle Sorge schlief, that es urplötzlich einen Schlag auf seine Hausthüre, so daß er auffuhr und horchte; über eine Weile that es den zweiten und darauf ben dritten Schlag, und als er zum Platz, zur Mauer und zum Faust-Thürmlein blickte, so glomm und glühte es rings und aufwärts ganz rothfeurig.
Da warf er sich sogleich auf die Kniee nieder, betete nach überkommenem Brauch, bis es Eins schlug und der rothe Schein verschwand, beschloß, in aller Frühe zum Bürgermeister und Oberrichter zu gehen und Anzeige zu thun, und legte sich vor der Hand nieder auf seinen Pfühl; er war aber zum Schlafen nimmer gemacht, wie in früheren Zeiten sein Ururgroßvater, dem war die Sache auch begegnet.
Da hörte er Schritte auf dem Platz draußen, die hielten an der Thüre an, und dann that es auf dieselbe einige Schläge und am Fensterladen desgleichen, und dazu vernahm er die Worte:
„Mach' auf, Meister Martin, mach auf!"
Als er dieß hörte, dachte er: Die gefährliche Zeit ist vorbei, das ist kein Geist und Keiner von der anderen Welt, sondern Einer von dieser; wer weiß, was in der Stadt drin los ist! Dem zu Folge erhob er sich ganz rasch, warf sein Gewand um, riegelte die Thüre auf und fragte: „Wer da, und was giebt's?"
Da stand Einer vor ihm mit zerrausten Haaren und schier brennenden Blicken, und der sagte: „Was staunst du, kennst du mich nicht?"
Sagte der Scharfrichter: „Jetzt kenn ich dich, du bist der Dolwein. Weshalb bist du so ganz verwirrt?
"Sagte der Andere: „Hast du das rothe Licht brennen gesehen und die drei Schläge auf deiner Thüre gehört?"
Sagte der Meister Martin: ,,Meiner Seel', das hab' ich gesehen und gehört, und Der, welchen ich gerichtet hab', der war unschuldig. Hast du's etwa auch geschaut und vernommen? Hab' Muth, Gott wird's wohl fügen, daß der Thäter zu Tag kommt!"
Versetzte Jener: ,,Das ist schon geschehen, und ich bin es selbst, des Ermordeten Zechgeselle. Ich hab' dem Einen den Tod gegeben und ihn ausgeraubt und bin fortaus und dem armen Vetter entronnen, der mich verfolgte. Da ist er zurück und ward ergriffen anstatt Meiner, und anstatt Meiner hast du ihn hingerichtet!"
Fragte der Scharfrichter: „Wo ist das Gold?"
Drauf Jener: „Da ist's, nimm's, und greif' auf mich und führ mich zum Rath oder Gefängniß noch in dieser Nacht. Ich hab' keine Ruh' mehr, bis ich meinen gerechten Tod finde!"
Da konnte der Scharfrichter nicht mehr zweifeln und hieß den Dolwein für sich gehen und sagte, er wolle ihm auf eine Armeslänge folgen, weil er ihn vor dem Urtheil nicht anfassen dürfe. Damit war der Andere einverstanden und schritt vor ihm bis zur Thurmwache am Sendlinger Thor, die rief der Meiſter Martin heraus und übergab ihr den Gesellen.
Da legten sie ihm Ketten an und führten ihn fort und stadteinwärts in den Falkenthurm; drin blieb er bis zum Morgen; nächst ward er vor Gericht geführt und die ganze Sache klar erwiesen, und über kurze Frist das Recht an Dem vollzogen, für welchen der arme Vetter vom Leben in den Tod gegangen war.
Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen