Alte Bücher

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Münchener Stadtbuch

L. Alte Gebräuche und Sitten

15. Am Himmelfahrtstage.

In der Frauenkirche dahier war am Christi Himmelfahrtstage ein alter Brauch, der seit Ende vorigen Jahrhunderts wohl in der Haupt- und Residenzstadt München verschwunden, aber hin und wieder auf dem Lande noch heut zu Tage gang und gäbe ist.

Man pflegte nämlich an diesem Festtage Nachmittags vor der Vesper in der Kirche ein Bildniß des Heilandes mit der Osterfahne in das Gewölbe durch eine angebrachte Oeffnung hinaufzuziehen, um dadurch sinnbildlich die Himmelfahrt des Herrn vorzustellen. Darnach aber warf man Oblaten und brennendes Werg auf das Volk in der Kirche, ja zuletzt noch einen gräulichen Teufel herab, der war ausgestopft mit Heu und Stroh, mit Hörnern und einem Pferdefuße versehen, schwarz bemalt, mit feurigen Augen und heraushängender rother Zunge, zum Zeichen, daß dieser Fürst oer Finsterniß nun durch den Heiland gestürzt und seine Gewalt vernichtet sei. Um diese gräßliche Puppe balgten und schlugen sich sogleich die Buben, die sich natürlich schon lange zuvor auf diesen Spaß freuten, und trugen sie dann hinaus vor die Stadt auf den Gasteig, wo sie dieselbe unter Halloh und Geschrei verbrannten.

Ueber diesen Brauch hat uns der alte Meistersänger Hans Sachs von Nürnberg, der sich in seiner Jugend beinahe ein Jahr lang in München aufgehalten hatte, einen lustigen Schwank in Reimen erzählt, den wir hiemit unsern freundlichen Lesern in Kürze wiedergeben.

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