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München in guter alter Zeit

Viertes Kapitel - Im Angerviertel.

die Herzöge Ernst und Wilhelm zogen 1403 mit ihrem Vetter Johann von Straubing vor die noch immer ungehorsame Stadt und berannten und blockierten sie. Nun erhoben sich ihre Anhänger in der Stadt, vertrieben den demokratischen Rath, erbrachten die Stadtthore und rissen beim Schifferthor selbst ein Stück der Stadtmauer ein, durch die nun die Herzöge Ernst und Wilhelm am 1. Juni 1403 einzogen. Nachher wurde die Mauer wieder ausgebessert und ein bayerischer Löwe daran gemalt.

In der Richtung gegen das Angerthor folgte in geringer Entfernung vom Schifferthor der 1822 abgebrochene Taschenthurm, der als Militärgefängnis diente, ursprünglich aber einer der Befestigungsthürme der inneren Mauer gewesen war.

Gleich dem Taschenthurm ist in den letzten Jahren auch das Angerthor verschwunden. Vom Angerthurm wird anderwärts eingehend die Rede sein.

Was aber den sogenannten Anger betrifft, der dem Stadtviertel seinem Namen gab, so war derselbe bis zur Stadterweiterung durch Kaiser Ludwig ein vor dem alten Sendlingerthor (später Püttrich-, Blauenten- und Ruffinithurm) gelegener Wiesenplatz; von ihm als einem solchen „in prato“ ist in mehreren gleichzeitigen Urkunden die Rede.

Dagegen ist die heutige Bezeichnung „unterer“ und „oberer“ Anger erst in jüngeren Datums: noch im XVI. Jahrhunderte wurde, was heute zu beiden Seiten gezählt wird, in die Mühlgasse, den heutigen oberen Anger, und in den Roßmarkt, den heutigen unteren Anger getheilt. Die alten Bezeichnungen verloren sich aber ach Verlegung der Jahrmärkte oder Dulten auf dedn Rindermarkt, die Rosengasse und die Kaufingergasse. Den oberen Anger föoß seit Jahrhunderten ein Isarkanal hinunter, der bis vor Kurzem noch offen, nun ganz überwölbt ist, zu dessenbeiden Seiten sich die Häuserreihen entlang zogen und man kann wohl sagen, daß sich von allen Stadttheilen Münchens keiner seit Jahrhunderten so wenig verändert hat als der obere Anger.

Es war im Jahre 1204, als Ludwig der Kehlheimer auf dem genannten Wiesplatz, dem „Anger“, ein Minoritenkloster gründete. Aus dieser Zeit, etwa 1220-30, stammt denn auch die innere Klosterkirche zu St. Jakob, die älteste Kirche der Stadt. Aus diesem Kloster wurden die Minoriten aber 1284 von Ludwig den Strengen in ein neues Kloster auf dem heutigen Max-Joseph-Platz versetzt, das später als Franziskanerkloster viel genannt ward. An die alte Kirche aber, welche sammt Kloster nach Abzug der Mönsche Clarissinen überlassen wurde, baute man eine zweite größere Kirche für das Volk, die jedoch 1404 einstürzte, aber alsbald wieder aufgebaut wurde und im Jahre 1810 ihre heutige unpassende Fasade erhielt. Sieben Jahre vorher waren die Nonen nach Detramszell versetzt worden.

In dem Kloster der Clarissinen spielte im vorigen Jahrhundert eine häßliche Geschichte, die wir nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen, um so weniger als sie aktenmäßig verbürgt ist.

Im Jahr 1749 trat eine Wundarzttochter, Maria Baumann von Hornstein bei Scheyern, als Novize in das Angerkloster, wo sie sich ihrer Jugend und Schönheit halber vorerst der Gunst des Klosterbeichtvaters P. Olympius vom Orden des hl. Franziskus erfreuen durfte. Sie verscherzte selbe aber bald durch ihre Sprödigkeit und wurde nun auf sein Anstiften vielfach verfolgt und mißhandelt. Ein Versuch, ihre Eltern über ihre Lage aufzuklären, mißlang, ebenso ein Fluchtversuch, da sie die Halmberer'schen Metzgerseheleute. die Nachbarn der Nonnen, wieder an sie auslieferten. Umsonst schritt der Weihbischof von Freising, Freiherr von Werdenstein, zu ihren Gunsten ein. Sobald dieser München wieder verlassen, wurde die unglückliche Magdalena auf des Beichtvaters Anstiften zu lebenslänglicher Einkerkerung verurtheilt. Ihr Kerker bestand in enem kleinen finsteren Loche, ihr Lager aus etwas Stroh auf dem Erdboden. Ein zweiter Fluchtversuch mißlang wie der erste, sie wurde noch im Kloster ergriffen. In einem anderen Kerker gebracht, fand sie dort eine andere Unglücksgefährtin, die Schwester Christina, die bereits dreizehn Jahre an diesem Orte des Entsetzens verlebt Hatte und darüber schwachsinnig geworden war. Als sie später in ihren vorigen Kerker zurückgebracht worden, und darin neuerlich drei Jahre und acht Monate geschmachtet, vernahm ein im Kloster beschäftigter Schornsteinfeger ihr Jammern und Wehklagen, erinnerte sich des Gerüchtes von der Flucht der Schwester Magdalena und erstatte Anzeige beim Stiftsdechante, der seinerseits

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