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So lang der alte Peter …

Die Pest in München

Die Pest in München Achtmal im Ganzen ist München von der Pest heimgesucht worden. Die beiden schlimmsten Pestepidemien waren im 14. und 17. Jahrhundert. In grausiger Form trat sie auf kurz nach Ludwigs des Bayern Tod im Jahre 1348. Das Unheil begann mit einem heftigen Erdbeben, das den Lauf der Flüsse veränderte und Berge zum Wanken brachte. In Oberbayern — so hieß es — sollten die Mauern von gegen 20 Städten und festen Schlössern eingestürzt sein. Das war im Januar; bald darnach wurde, angeblich durch genuesische Handelsschiffe, die BeulenPest aus dem Morgenlande eingeschleppt. Vier Jahre lang wütete die Seuche, schien zeitweilig erloschen, flackerte stets neuerdings auf. In Bayern war sie besonders heftig, manche Dörfer starben völlig aus; die mannigfachen Pestsagen, an denen unsere VolkSüberliefcrung so reich ist, schreiben sich von diesem und dem späteren Auftreten des schwarzen Todes her, z. B. das in mannigfaltiger Lesart vorhandene Sprüchlein: „Eßt Kranewitt und Bibernell, so eilt der Tod nit so schnell," das in einem Dorf ein Vöglein vom Baume gesungen, an anderen Orten die Stimme eines unsichtbaren, wohltätigen Wesens gerufen haben soll. Auch das Verbrennen heilsamer Pflanzen, der im Frauen-Dreißigst geweihten Kräuter und der Palmzweige vom Palmsonntag wurde, meist vergeblich, angewcndet. Die wenigen und oft selbst nicht viel wiffenden Arzte waren machtlos gegenüber dem großen Sterben. In der Hauptstadt München starb der siebente Teil der Bevölkerung; aus den Toren von Paffau wurden an einem Tag ZOO Leichen getragen.

In etwas schwächerem Grade und unter anderen Erscheinungen trat eine als Pest bezeichnete Seuche im Jahre 1462 auf. Ein volles Jahr herrschte sie in München, wie auch anderwärts. Die Münchner in ihrer Not beschloffen, die Hilfe des Himmels anzurufen: sie wallfahrteten im Frühherbft 146Z in feierlicher Prozession zu den Heiligtümern auf den Berg Andechs. 5OOO Personen nahmen „mit großer Andacht, mit weinenden Augen und doch frohlockendem Herzen" an der Wallfahrt teil. Männer und Frauen gingen gesondert, unablässig betend und singend. Bald darnach erlosch die Seuche. Eines ihrer letzten Opfer war Herzog Johann von Bayern, Albrechts Hl. ältester Sohn, der vor der Pest von München nach Harthausen geflüchtet war, wo ihn am 18. November 146Z der Tod ereilte.

Vom Auftreten der Pest im Anfang des 16. Jahrhunderts gab in der ehemaligen Wieskapelle hinter St. Peter eine Votivtafel Kunde; auf dieser Tafel, die dann nach St. Peters Kirche kam, war gemalt, wie die Strafengel Gottes ihre Pestpfeile abschießen und unten die Menschen dahinsterben, bis Gott Vater dem Sterben Einhalt tut. Auch im Jahre 1572 infolge eines großen Notjahres hätte eine Pest geherrscht. Während des dreißigjährigen Krieges erschien die Pest zuerst kurz, aber schreckhaft in München im Jahre 1628. Eine Dienstmagd des kurfürstlichen geheimen Vicekanzlers erkrankte plötzlich und starb rasch. An ihrem Leichnam waren die Spuren der BeulenPest ersichtlich, doch blieb infolge der strengen Vorsichtsmaß. regeln, zumal der gewissenhaftesten Absperrung, an der es sonst in jener Zeit meist fehlte, die Ansteckung auf wenige Personen beschränkt.

Furchtbar wie je, hauste die Pest zwei Jahre nach dem Abzug der

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