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Ein Jahrhundert München

Allerhand Merkwürdigkeiten

 Der unter dem Übernamen „Der Eremit von Gauting" bekannte Freiherr von Hallberg machte im Jahre 1822 eine Fußreise durch den Isarkreis und ließ darüber eine „Reise-Epistel" drucken, in der er von München folgendes zu sagen hat, das ihm als merkwürdig auffiel:

Alles Große und Schöne in München fängt mit dem jetzt glorreich regierenden König an. Diepräch- tigen Kasernen, die schönenVorstädte, die Galerien ' und Kunstsammlungen, derBotanische Garten, das prachtvolle Krankenhaus, das neue Theater, die vielen Verschönerungen in und außer der Stadt sind alle sein Werk. Das Vorzüglichste, was seine heilsam tätige Regierung charakterisiert, ist das Kataster und die Landesaufnahme, wie kein Reich sie hat und nicht leicht erhalten wird. Künste, Wissenschaften, Handwerke aller Art blühen unter diesem weisen König,- kein ängstlicher Sinn hemmt den Lauf der Wissen- schaften. Das Genie kann seinen Flug auch über die Frauentürme hinaus wagen. Der König lacht, kennt sein Volk und dessen Liebe zu ihm. Er weiß, daß gute Regierungen nie das Licht zu fürchten haben. Von der Konstitution, die er seinem Volke mit so vieler Liberalität gegeben hat, sage ich nichts, weil ich das Konstitutionswesen und Unwesen für eine Krankheit des Zeitalters halte, die, wenn nicht alle Staaten von gleichen sparsamen Prinzipien ausgehen und sich vereinigen, nur dem Lande mehr Kosten und in seinem kranken Finanzzustand keine Hilfe noch Linderung in den Abgaben bringen kann. Wie kann z.B. Bayern seine Armee vermindern, wenn die ganze Umgebung mit den möglichst stärksten Massen schlagfertig dasteht! Der Ackerbau, der fleißige Bürger bezahlt in Bayern nicht den zwanzigsten Teil anderer Länder, dagegen muß der Biertrinker die Hälfte seines Durstes für die Staatskasse befriedigen. Der Zentner Salz kostet 5 fl. 21 kr., und jeder kann so viel nehmen, als er will, nicht wie in anderen Ländern, wo er ein bestimmtes Maß nehmen muß, weswegen auch diese Leute so sauer aussehen. Die Maut- abgabe in Bayern ist auf ganz entbehrliche Sachen gesetzt. Das Tagwerk Land oder Wiesen gibt im Durchschnitt nur 24 kr. Grundsteuer. Der Bauer, welcher ludeigen ist und nicht wie in Rußland verkauft, verspielt und verschachert werden kann, ist in Bayern sehr glücklich, und wenn er nicht heiraten darf, wenn er will, so zeugt er Kinder ohne den Segen des Priesters, worüber viele klagen und es Immoralität nennen zum 

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