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Ein Jahrhundert München

Die Franzosen und der Galerieraub

Wie Harpyien warfen sich die Damen auf die Mappen, deren Inhalt man jedoch mit unseren Gemälden fortgeschafft hatte. Sie durchsuchten sie sämtlich, ohne etwas zu finden. Neveu zeichnete schleunigst den Namen seiner verhängnisvollen „Nepublique" auf zehn Gemälde, und da es gerade die Stunde war, wo sic ihr Gabelfrühstück einzunehmen pflegten, so luden sie mich so dringlich dazu ein, daß ich Folge leisten mußte. Das Dejeuner oder vielmehr üppige Diner fand beim General statt, der im Hause des Grafen von Törring einquartiert war, und ging auf Kosten Seiner Exzellenz des Ministers. Die Damen schafften an und bestellten wie in einem Gast­ hofe. Nach dem Kaffee zog ich vor, mich zu entfernen, schickte einen Eilboten nach Schleißheim (wohin wir alle am nächsten Tage gehen sollten), um die Bilder ge­ gebenenfalls noch schnell zu verbergen, und verständigte Bischof Haeffclin von dem Besuche des Kommissärs, der in der Bibliothek Bücher und Handschriften auswählcn wolle.DieserkamingrößterVerlegenheit:„WiesollichdenneineganzeBibliothek verstecken?" sagte er zu mir. „Wem mich anvertrauen?"

„Netten Sie wenigstens das Kostbarste an Handschriften."
„Aber wo sie verbergen?"
„Unter Ihrem Bett!" erwiderte ich und ging zum Konzert im Nedoutcnsaal, wo  ich meinem Kommissär versprochen hatte, mich einzufinden. Da ich nichts durch Gewalt vermochte, so wollte ich wenigstens meinen Mann für mich gewinnen, um möglichst wenig Unheil von ihm zu erfahren.

Pierre de Salabert, der vorher Abbe und Prinzenerzleher gewesen und später einflußreicher pfälzischer Staatsminlster war, ist den Münchnern durch das für ihn von Karl von Fischer erbaute und nach ihm benannte Palais Salabert (später Prinz Karl-Palais) am Eingang zum Englischen Garten bekannt.

Über Max Joseph Graf von Montgelas (1759—1838), den allmächtigen Minister Max Josephs, vergleiche die später folgenden Ausführungen K. H. v. Langs.

Joseph August Graf von Törring (1763—1826), Staatsminister, auch als Dramatiker bekannt.

Theodor Graf von Morawitzky (1735 —1810) war seit 1799 Kultusminister,- später übernahm er das Justizministerium.

Jakob Dörner der Altere (1741—1813), Maler in München, war 1765 als Inspektor an die kur­ fürstliche Galerie berufen worden.

Johann Georg von Dillts (1759-1841),- er war ursprünglich Geistlicher, wandte sich dann der Kunst zu, war namentlich als Landschaftsmaler von Bedeutung und vom damaligen Kronprinzen Ludwig als künstlerischer Reisebegleiter erwählt. Als Galeriebeamter trat er später in Dorners Stellung.

Kasimir Freiherr von Haeffelin (1737—1827) war erst Bibliothekar des Kurfürsten, seit 1803 bayerischer Gesandter am päpstlichen Stuhl und starb als Kardinal.

Die aus den von Frankreich besiegten Staaten weggeführten Kunstwerke wurden später im Musee Napoleon vereinigt, aber nach dem Wiener Frieden von 1815 fast vollzählig wieder ausgeliefert. Auch München, das zweiundsiebzig Gemälde abgegeben hatte (einschließlich jener aus Schleißheim), erhielt achtundzwanzig davon zurück, d.h. alle irgendwie wichtigen, mit Ausnahme eines Gemäldes von Rubens, einer Anbetung der Heiligen drei Könige, das nach Lyon kam.

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