Rambaldi(1894) - Schiltbergerstraße

Rambaldi - 1894

Beschreibung: 572. Schiltbergerstraße. Beginnt im nördlichen Teile der Steinstraße zu Haidhausen und endet am Johannesplatz. Zu Erinnerung an Johann Schiltberger (Pilotybild 97), geboren 9. Mai in der Nähe Freisings. Er hatte eine Reise und die Leiden seiner Sklaverei unter Türken und Tataren beschrieben *), und diese einfache und schmucklose, im 15. und 16. Jhdt. als beliebtes Lesebuch gebrauchte Arbeit, wenn sie auch gleich mit manchen seltsamen Zuthaten von Riesen, auffallenden Naturseltenheiten und oft bis ins Unkenntliche verstümmelten Namen versehen ist, läßt doch einen interessanten Blick in die Geographie jener Zeit thun und hat ihrem Verfasser den Namen "des deutschen Marko Polo« eingetragen. Im Jahre 1394 zogen nämlich mehrere bayerische Ritter nach Ungarn, um sich mit einem großen, aus Deutschen, Franzosen und Ungarn bestehenden Kriegsheer zu vereinigen, das der König Sigismund von Ungarn (später deutscher Kaiser) zum Schutze der abendländischen Christenheit gegen die unter dem Sultan Bajazet vordringenden Türken führen wollte. Der junge Schiltberger ging als Dienstbube des bayerischen Ritters Leinhardt Richartingen mit. In der am 28. Sept. 1396 durch die Franzosen begonnenen Schlacht bei Nikopolis in Bulgarien würde das christliche Heer vollständig geschlagen, König Sigmund floh. Als Bajazet 60,000 Mann der Seinen auf dem Sihlachtfeld tot liegen sah, ließ er aus Rache 10,000 Gefangene hinrichten, auch der Herr Schiltbergers befand sich unter diesen Unglücklichen; Schiltberger war wegen seiner Jugend, er war noch nicht 17 Jahre alt, begnadigt. Bei der Teilung der noch übrigen nicht ermordeten Gefangenen fiel Schiltberger dem Sultan Bajazet zu und wurde mit 300 seiner Unglücksgefährten in einen Turm in Gallipoli eingesperrt, von wo er nach Brusa als Läufer des Sultans kaum. Als solcher diente er 6 Jahre, erhielt dann ein Roß und machte nun im Gefolge Sultans weitere 6 Jahre die Feldzüge desselben mit, die er nicht gerade in richtiger Zeitfolge und untermischt mit seltsamen Begebenheiten beschreibt. Bajazet kam aber spater selbst in Gefangenschaft, nämlich in die des mächtigen Mongolenfürsten Tamerlan: das gleiche Los teilten seine Sklaven-, worunter Schiltberger. Auf den verschiedenen Kriegszügen seines neuen Gebieters und der Nachfolger desselben kam nun Schiltberger in ganz Asien herum, bis es ihm nach 33 Jahren der Wanderung gelang, über Konstantinopel, Gallaz, Belgrad, Lublin, Krakau, Sachsen, Breslau, Eger, Regensburg, nicht gerade auf dem nächsten Wege, 1427 in die Heimat zurückzukehren. Auf seinen unfreiwilligen Zügen besuchte er die Länder Kleinasiens, Syrien, Aegypten, Persien, Turkestan, Armenien, Georgien, die Krim, den Kaukasus, Sibirien ec. und machte sich die armenische, persische und griechische Sprache zu eigen. Nach seiner Rückkehr nahm ihn Herzog Albrecht Ill. von Bayern als Kämmerling, nach andern als Obersten seiner Leibwache und Erzieher seiner Prinzen auf; sein Todesjahr ist unbekannt. Wenn auch Schiltberger von 350 Jahre alten Greisen, von einem Riesen, der auf einmal so viel Holz nach Kairo trug, als nötig war, sämtliche Backöfen dieser Stadt zu heizen und darauf 12,000 Brote auf einen Sitze verspeiste und ähnlichen sehr ausfallenden Thatsachen wohl auch mit der Bemerkung schreibt: »Und wär es nit war, oder das ich es nicht gesehen hett, ich wölt es nit reden ttoch schreiben«, so thun doch diese Geburten aufgeregter Phantasie seiner übrigen Beschreibung keinen Eintrag, und bleibt er immer ein sehr merkwürdigen Bayern zur Ehre gereichender Mann. Die Straße trägt ihren Namen seit 28. Sept. 1877, resp. 1. Januar 1878; der Name wurde aber immer Schildberg geschrieben, bis er auf Anregung eitles noch jetzt lebenden Nachkommen, des k. Oberstabsarztes Dr. von Schiltberg, seit dem 6. April 1886 in richtiger Weise »Schiltberg« geschrieben wird.

*) Die Beschreibung seiner Reisen und Abenteuer, Ulm 1473; neue Ausgabe v. K.F. Neumann, München 1859: von Langmantel, Stuttgart, Litterarischer Verein 1885; von Benzel, München 1813; vergleiche ferner Mayer, Münchener Stadtbuch S. 113; Stumpf, Denkwürdige Bayern, S. 29.


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