Alte Quellen

Grabdenkmale

QuelleMünchen und seine Bauten (451)
Jahr1912

Wie die Kunst im allgemeinen seit Jahrhunderten in Münchens Mauern gepflegt worden ist, so ist dies auch hinsichtlich der Grabmalkunst der Fall gewesen. Dies zeigt sich jedem in raschem und hochinteressanten Ueberblick bei der Betrachtung der alten Grabdenkmale, welche ringsum in die Umfassungsmauern der Domkirche zu Unserer lieben Frau und der Pfarrkirche St. Peter als Reste der aufgelassenen ehemaligen Kirchhöfe dieser Gotteshäuser eingelassen und dadurch der Nachwelt erhalten geblieben sind. Aber auch in späteren Zeiten ist die Grabmalkunst in München immer bemerkenswert gewesen. Von den vielen Denkmälern, die davon Kunde geben, können wir hier aus Raummangel nur einige seit dem Jahre 1870 errichtete typische Beispiele bringen, wie selbe die Abbildungen (Seite 449 mit 452 darstellen.

Trotz dieser schönen Einzelbeispielen zeigten die Münchener Friedhöfe in der Gesamtheit der Denkmäler aas bekannte gleich unerfreuliche Bild wie anderwärts infolge des in ganz Deutschland aufgetretenen kaufmännischen Vertriebes fabrikmäßig hergestellter unkünstlerischer Dutzendware und infolge des Tiefstandes der künstlerischen Allgemeinkultur. Im letzten Jahrzehnt ist dieser barbarische Zustand unserer Friedhöfe allgemein erkannt worden und es wurde von den verschiedensten Seiten insbesondere angestrebt, dem einzelnen Denkmal künstlerisch befriedigende Gestalt zu verleihen. Auch wurden Gruppen von solchen Denkmalen in kleinen Musterfriedhöfen zusammengestellt.

In keiner deutschen oder außerdeutschen Stadt ist jedoch eine durchgreifende Reform vollzogen worden außer in München in dem im Jahre 1907 in Betrieb genommenen Waldfriedhof.

Die Grundzüge dieser von Baurat Dr.H. Grassel 1907 vorgeschlagenen und seitdem mit großem Erfolge durchgeführten Reform gründen sich auf das Bestreben nach harmonischer Gesamtwirkung und dem hieraus folgenden Verlangen 

der gegenseitigen Rücksichtnahme der nebeneinander be-sindlichen Einzelgrabdenkmäler in Material, Form und Höhe sowie auf das Verbot jeder Art von Einfriedung. Das Nähere hierüber ist enthalten in der von Baurat Grassel für den „Dürerbund" verfaßten 60. Flugschrift desselben: „Ueber Friedhofanlagen und Grabdenkmale." (Verlag von D. W. Gallwey, München.)

Der vorgenannten Reihe von Abbildungen neuerer Einzeldenkmale fügen wir daher auch einige solche an, welche harmonische Gesamtheiten von Grabdenkmalen darstellen. (Abb. Seite 453 und 454.)

Infolge des allgemein ersichtlich gewesenen großen Erfolges auch für die beteiligten Grabmalfirmen, hat mit Verordnung vom 22. März 1911 der Magistrat der Stadt München die Grabmalreform auch auf die vou da ab zu belegenden neuen Gräberfelder der übrigen drei städtischen Hauptfriedhöfe ausgedehnt, bei welchen es bisher nur in der Umgebung der dort errichteten Neubauten gelmigen war, einigermaßen befriedigende Grabdenkmalgruppen zu erreichen. Der Waldfriedhof ist der bevorzugteste Friedhof der Münchener Bevölkerung geworden und selbst von auswärts werden dort Familienbegrübniffe erworben.

Dieses Einverständnis sowohl der Allgemeinheit wie insbesondere auch der näher Beteiligten mit der im Münchener Waldfriedhof durchgeführten Reform ist eine der bedeutendsten kulturellen Errungenschaften der Neuzeit.


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