Alte Quellen

Paulskirche am St. Paulsplatz

Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (235)
Jahr 1914
Straße Sankt-Pauls-Platz

Paulskirche am St. Paulsplatz. Von G. Hauherisser 1892 bis 1906 in den für Süddeutschland neuen Formen der rheinischen Gotik erbaut. Die Orientierung des Chores nach Osten (Ostung) veranlaßte die Anlage des Haupteinganges abseits der Hauptzufahrtstraße und die Betonung der der Stadt zugekehrten Chorpartie; daher wurde der Hanptturm kühn auf die Mauer des Vorchores gestellt und als Gegengewicht auf der Westseite 2 kleinere Türme errichtet; so bietet, namentlich von der Stadtseite her, das hochaufstrebende Kirchengebäude mit den feinen Silhouetten der Türme und Giebeln ein ungemein wirkungsvoll gruppiertes Bild.

Grundriß und Aufbau. Die Kirche ist eine dreischiffige Basilika von 76:27 m mit Querschiff und Chorabschluß in 5 Seiten des Achtecks. Die beiden schlanken West türme, die sich oberhalb der Galerien ins Sechseck verjüngen, erreichen mit ihren Streben, Fialen, Turmgiebeln und Spitzhelmen die Höhe von 76 m. Im Westgiebel ein Radfenster von 10 m Durchmesser. Darunter das Hauptportal mit einem schlichten Vorbau, in dessen Giebelnische die Statue des Kirchenpatrons steht; über dem Haupteingang selbst ein spitzbogiges, von H. Wadere ausgestattetes Tympanon: Christus als Weltenrichter in schimmernder Mandorla, umgeben von den Evangelistensymbolen; darunter die Apostel und in deren Mitte Maria. Seitenfassaden massig und einfach, ohne Galerien, aber von zwei- und dreiteiligen Fenstern mit reichen, mannigfaltigen Maßwerkbildungen durchbrochen und durch schwere Strebepfeiler gegliedert, deren Bögen über die Verdachung der Seitenschiffe zu der 28 m hohen Mauer des Mittelschiffes hinübergreifen. Den östlichen Abschluß bilden die Giebel der Kreuzarme des Querschiffs, die in Rücksicht auf die Wirkung des Hauptturms sowie als Folge der innern Ausgestaltung nicht zur Höhe des Hauptschiffes emporgeführt wurden; ihre Fassaden mit reichen Portalen, An- und Vorbauten werden von seitlichen Strebepfeilern gestützt, von breiten, fünfmal geteilten Maßwerkfenstern und im steilen, fialenbekränzten Giebel der Südseite durch schmale Nischen gegliedert. Schlank emporstrebende Treppentürmchen, oben achteckig mit Spitzdachhelm, sind jeweils östlich angebaut und vermitteln auf der einen Seite den Uebergang zur Marienkapelle, andrerseits zur zweigeschossigen Sakristei mit ihrer reizvollen Eingangshalle. Dahinter schließt sich der Hochchor an mit schlanken Strebepfeilern, hohen zweiteiligen Maßwerkfenstern und einer spitzbogigen Zwerggalerie unterm kräftigen Hauptgesims. Ueber all dieses erhebt sich, von kräftigen Streben gestützt, die gewaltige, imponierende Masse des Hauptturmes, der hier nicht — wie sonst üblich — auf den Pfeilern der Vierung aufruht, vielmehr auf 2 starken elliptischen Bögen, die — im Innern nicht sichtbar— über dem Chorgewölbe den Druck auf die verstärkten seitlichen Chormauern und Strebepfeilern übertragen.

Ueber einer Zwerggalerie löst sich die Masse des- Turmes allmählich und leicht aus dem Viereck ins Achteck, wird umringt und flankiert von Fialen und Türmchen und weiter oben nochmal von einer auf Konsolen aufruhenden Galerie horizontal gegliedert; dann aber streben die von schmalen Maßwerkfenstem durchbrochenen Mauern unaufhaltsam empor bis zu den hohen Giebeln mit Maßwerkfüllungen, hinter denen sich die krabbengezierten Gräten der bleigedeckten Kuppel in schlankem Anstieg zur Laterne erheben; diese von Streben und Fialen gestützt und umgeben, endigt in einem reichgegliederten Riesen, der vom. weithin schimmernden Kreuze bekrönt wird: so klingt das ganze Kirchengebäude wie in einem mächtigen Akkord in diesem logisch aufgebauten Hauptturm aus. Für die Steinmetzarbeiten der Außenarchitektur wurde als Material der unterfränkische Marktbreiter Muschelkalk und für die Fassadenflächen der wetterfeste, weißgraue Tuffstein vom Mangfalltal verwendet,

lnnenraum. Das 12 m breite Hauptschiff, das sich, in 8 breiten, auf derbkräftigen Rundsäulen aufruhenden Spitzbogenarkaden nach den Seitenschiffen zu öffnet, ist von Kreuzgewölben umspannt, deren Rippen aus figuralen Konsolen herauswachsen. Darunter gliedern schlanke, auf den Kapitellen der Arkadensäulen aufstehenden Dreiviertelsäulchen mit Triforiengalerien dazwischen die Wandflächen, während schmale Fenster darüber die Halle belichten. Im Westen schließt über tiefansetzenden Spitzbogen die Orgelempore mit zierlicher Brüstung und kleinem Kanzelausbau die 3 Schiffe ab.

Oestlich ist das Querschiff dem Chor vorgeschoben, dessen Vierung von zylindrischen Pfeilern mit vorgelegten Diensten getragen wird. Im nördlichen Kreuzarm ist neben dem Josephsaltar eine Sängerbühne eingebaut, zu der eine nach der Kirche zu offene, kunstvolle Wendeltreppe führt; im nördlichen Arm öffnet sich, der Kirchenhalle zu, die schmale Marienkapelle. Nach dem Querschiff öffnet in reich profiliertem Triumphbogen der eingezogene und etwas erhöhte Chor, an dessen rechter Seite in der Art eines hochragenden Sakramentshäuschen zum Hauptturm führende verkleidete Wendeltreppe emporsteigt, ein Werk von graziöser leichter Gliederung, zierlich durch Maßwerk, Giebel, Krabben und Kreuzblume. Ihr gegenüber belebt über der Sakristeipforte eine schmale Galerie mit Maßwerkbrüstung auf kräftigen Kragsteinen die Wandfläche, während die Mauern der Chorendigung (im Altarraum) neben den hohen Maßwerkfenstern von fein profilierten Gewölbediensten durchzogen wird. Während alle Wandflächen nur einen einfachen, glatten Mauerverputz erhielten, sind die architektonischen Glieder aus warmtönigem, zartgeädertem, gelbgrauem Lichtenauer Sandstein (bei Ansbach) hergestellt, der die eingehendste plastische Behandlung zuläßt. Daher hat Meister Simon Korn mit unerschöpflicher Phantasie und nie versagendem Humor die Gedanken des Baumeisters verwirklicht: das Kirchenmäuslein duckt sich dort in die Ecke der Empore des Kreuzarmes, der Drache windet sich aus Rankenwerk empor, spielendes Getier aller Art schlüpft durch verschlungenes Geäst und dazwischen schauen ernste Heiligenfiguren mit ihren Symbolen von den Kapitellen auf die Andächtigen herab. Unter einem schlanken, lebhaft durchbrochenen Baldachin in Savonier Kalkstein steht der Hochaltar, dessen Mensa und Retabel aus poliertem Jurakalkstein, alle übrigen Teile aber aus feuervergoldetem Kupfer sind. An der Rückwand 2 Reliefs in vergoldetem Altsilber: Bekehrung des Saulus und letzter Gang des Paulus); neben der Tabernakelnische die 4 Evangelien, über denen aus den (die Reliefs abschließenden) Wimpergen reizvolle Engelsköpfchen niederschauen. Weiter oben in der Mitte unter zierlichem Baldachin der Gute Hirt (sämtliche Plastiken von Albertshofer). Der ganze Metallaltar ist ohne jeden Guß und ganz von der Hand getrieben (Firma Harrach nach Entwürfen von Hauberisser). Am Steinbaldachin 3 Figuren (in der Mitte Paulus, zu Seiten St. Maximilian und Walpurga, die Patrone der Stifter des Hochaltars) von G. Busch.

In der Marienkapelle ein Flügelaltar nach Hauberissers Entwurf aus der Werkstätte Bietzlers; das Flügelbild, das über der schlichten Predella mit einer Kreuzigungsgruppe unter reichem Laub- und Rankenwerk aufgestellt ist, ist ein Werk Gabriel Hackls: die Seitenstücke zeigen Mariä Verkündigung und Mariä Heimsuchung, das Mittelbild die hl. 3 Könige (denen der Künstler in der naiven Manier der Gotik den hl. Wolfgang zugesellt hat); darüber St. Georg und Johannes, sowie etwas höher Maria mit dem Kind, umgeben von 2 hl. Frauen (Arbeiten von Gg. Busch). Gegenüber in spätgotischem Stil der prächtige St. Josephsnltar, nach Hauberissers Entwurf aus der Werkstatt Eisners, mit figürlichem Schmuck von Gg. Busch; über der Kreuzigungsgruppe in der Predella auf der Retabel füllen den Schrein St. Joseph mit dem Jesuskind, St. Johann Baptist und seine Mutter Elisabeth; an den Seitenflügeln die Reliefs: Mariä Vermählung und die Flucht nach Aegypten; darüber die Statuen von Maria, St. Alexander und Viktoria; über diesen wieder die Figürchen des Heilandes mit 2 Engeln. Auch die Kanzel (aus Savonier Kalkstein) ist entworfen von Hauberisser; die 5 Brustbilder (die 4 Kirchenlehrer St. Hieronymus, Ambrosius, Augustinus und Gregor der Große, sowie in der letzten Nische der „Säemann“ aus dem Evangelium) sind entworfen von Thomas Buscher. Die Beichtstühle sind gleichfalls entworfen vom Architekten und geschmückt mit Engelsköpfchen mit Spruchbändern, einem Werk des Bildhauers Burger.

Der Kreuzweg, in farbig gefaßtem Holzrelief, ist ein Werk von Gg. Busch. Die Figuren sind nahezu rund gearbeitet; flächig und kräftig geschnitzt, treten sie prachtvoll hervor. Die Gruppen heben sich vom goldenen Hintergrund wirksam ab und sind auf den einzelnen Stationen jeweils durch einen zierlichen Baldachin mit Rankenwerk zusammengescldossen [SB 04/11; CK 04/05].


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