Mythos Trümmerfrauen
Von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes
Die Trümmerfrau gehört zum festen Repertoire nahezu jeder historischen Darstellung der Nachkriegszeit, ganz gleich, ob in TV- und Printmedien, in Schulbüchern oder in Ausstellungen der historischen Museen. Seit Anfang der 1950er Jahre bis in unsere unmittelbare Gegenwart kam es darürüber hinaus in den unterschiedlichsten Städten immer wieder zur Errichtung von Trümmerfrauen-Denkmälern. Leonie Treber hat erstmals die überlieferten Fakten geprüft und kommt zu dem Ergebnis, dass die Trümmerfrauen ein Mythos sind; es gibt nur ganz wenige Belege dafür, dass tatsächlich Frauen im Krieg und in der Nachkriegszeit Bombentrümmer beseitigt haben. Wie für Mythen gemeinhin üblich, handelt es sich bei den heute verbreiteten stereotypen Trümmerfrauen-Narrativen jedoch keineswegs um reine Lügen, vielmehr enthalten sie einige Brocken Wahrheit, die jedoch mitunter verfälscht und aus dem Kontext gerissen sind bzw. Wesentliches verschweigen. Die Autorin stellt dar, wie die Enttrümmerung der deutschen Städte tatsächlich stattgefunden hat. Meist waren professionelle Firmen mit technischem Großgerät und Fachkräften die Hauptakteure bei der Trümmerräumung. Und sie zeigt, wie der Mythos Trümmerfrau mit all seinen Facetten entstanden ist. Die Grundlagen für den Mythos der Trümmerfrau wurde bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit gelegt. Eine Analyse der zeitgenössischen Presseerzeugnisse von 1945 bis 1949 legt die dabei entworfenen Bilder offen und fragt nach dem Ursprung des Trümmerfrauen-Begriffs. Die Traditionslinien der Trümmerfrauen reichen in der DDR bis ins Jahr 1945 zurück und sind seitdem niemals abgebrochen, sondern kontinuierlich gepflegt worden. Die lange und stabile Tradierung der Trümmerfrau in der Erinnerungskultur der DDR trug somit wesentlich dazu bei, dass sich aus den getrennten und zum Teil diametral gegenüberliegenden Erinnerungssträngen der BRD und der DDR schließlich der gesamtdeutsche Erinnerungsort der Trümmerfrau flechten ließ.
- Danksagung
- Einleitung
- Die Trümmer müssen weg: Enttrümmerungsmaßnahmen während des Luftkrieges und in der Nachkriegszeit
- I. Die Trümmerräumung während des Luftkrieges
- 1.Ein System wird etabliert:
Der SHD und die Trümmerräumung als Sofortmaßnahme
- 2. Arbeitskraftreserven I:
Wehrmacht, Hitlerjugend und Reichsarbeitsdienst
- 3. Instandsetzung statt Trümmerräumung:
Die Eingliederung des Bauhandwerks
- 4. Arbeitskraftreserven II:
Die Trümmerräumung wird zur Zwangsarbeit
- 4.1 Kriegsgefangene und Zivilarbeiter
- 4.2 KZ-Häftlinge
- 5. Resümee
- II. Der Krieg ist aus: Ein Reich liegt in Trümmern
- 1. Viele Kriegsenden:
Kapitulation und Beginn der Besatzungszeit in den Städten
- 2. Die Konsolidierung der deutschen Stadtverwaltungen
- 2.1 Das Beispiel Nürnberg
- 2.2 Das Beispiel Berlin
- 2.3 Pragmatismus versus Ideologie:
Kontinuitäten deutscher Stadtverwaltungen
- 3. Die Trümmerräumung als städtische Herausforderung
- III. Die Trümmerräumung in der Nachkriegszeit
- 1. Die Trümmerräumung als Strafarbeit
- 1.1 Ehemalige Parteigenossen
- 1.2 Kriegsverbrecher und Häftlinge des »Automatischen Arrests«
- 1.3 Deutsche Kriegsgefangene
- 1.4 Strafgefangene
- 2. Die Professionalisierung der Trümmerräumung
- 2.1 Das Bauhandwerk arbeitet weiter
- 2.2 Die Eingliederung der Bauunternehmen in die Arbeiten der Enttrümmerung
- 2.3 Die Konzepte: Trümmerbeseitigung versus Trümmerverwertung
- 2.4 Die Trümmerverwertungsgesellschaft in Frankfurt am Main
- 2.5 Der Beginn der planmäßigen Trümmerräumung in Dresden
- 2.6 Die Professionalisierung der Trümmerräumung in der SBZ und den drei westlichen Zonen: ein Vergleich
- 3. Die Bevölkerung als Arbeitskräftereservoir
- 3.1 Arbeitslose
- 3.2 Bürgereinsätze
- 3.3 Deutsche Staatsbürger oder wer waren eigentlich die Arbeitskräfte?
- 3.4 Arbeitslose und Bürger als (un)erschÖpfliches Arbeitskräftereservoir für die Trümmerräumung: ein Systemvergleich
- 4. Resümee
- IV. Frauen als Akteurinnen bei der Trümmerräumung
- 1. Die Zeit des Luftkrieges
- 2. Die Nachkriegszeit
- 2.1 Die Trümmerräumung als Resozialisierungsmaßnahme für »leichte Mädchen«
- 2.2 Von der arbeitslosen Frau zur Bauhilfsarbeiterin
- 2.3 Die Heranziehung von Frauen zu den Bürgereinsätzen
- 2.4 Frauen und Selbsthilfe
Die Dimension der privaten Enttrümmerung
- 3. Die Frau als Akteurin bei der Trümmerräumung:
eine Frage des Systems?
- Die Repräsentation der Trümmerräumung in den Medien der deutschen Nachkriegszeit und die Geburtsstunde de: »Trümmerfrau «
- I. Die Deutung der Trümmerräumung in der zeitgenössischen Presse von Berlin und SBZ
- 1. Die enttrümmernde Frau wird zum Medienschlager
- 2. Der Begriff der »Trümmerfrau«
- II. »Trümmerfrau« versus Bauunternehmen, Bagger und männliche Arbeitskraft:
Die Darstellung der Trümmerräumung in der >West<-Presse
- III. Resümee
Deutsch-Deutsche Erinnerungen: Die »Trümmerfrau« in den kollektiven Gedächtnissen von DDR und BRD
- I. Die Etablierung divergierender »Trümmerfrauen«-Bilder in den 1950er Jahren
- 1. DDR
- 1.1 Die »erwerbstätige Mutter«
Frauenleitbild und Frauenpolitik in SBZ und DDR
- 1.2 Das Bild der »Trümmerfrau« in SBZ und DDR:
Vorbild für die Frau im Männerberuf und Vorreiterin der Gleichberechtigung
- 1.3 Die »Trümmerfrau« in Bronze gegossen - Denkmäler in Dresden und Berlin-Ost
- 1.4 »Aulbauhelferin« versus »Trümmerfrau«:
zwei weibliche Ikonen im Ringen um die Deutungshoheit über die Aufbauleistung der Frauen
- 2. BRD
- 2.1 Restauration der Mutter- und Hausfrauenrolle:
Frauenbüd und Frauenpolitik in der BRD
- 2.2 Das »Trümmerfrauen«-Bild in West-Berlin:
Heldin des Wiederaufbaus
- 2.3 Das »Trümmerfrauen«-Bild in der BRD:
Erst auf den zweiten Blick sichtbar
- 3. Resümee: Die »Trümmerfrau« im Zwiespalt
- II. »Erbauerin des Sozialismus« und »Vorreiterin für die Gleichberechtigung der Frau«: Die Kontinuitätslinien des »Trümmerfrauen« - Bildes in der DDR
- 1. Rolle rückwärts: Von der »Aufbauhelferin« zur »Trümmerfrau«
- 2. Die Frau im Bauberuf: Von der »Trümmerfrau« zur Ingenieurin
- 3. Die politischen Gedenk- und Feiertage der DDR
- 3.1 Die »Trümmerfrau« und der Internationale Frauentag
- 3.2 1. Mai, 8. Mai und 7. Oktober: Tage der »Trümmerfrau«
- 4. Die »Trümmerfrau«:
Ikone des kommunalen Gedächtnisses
- 5. Resümee
- III. Von der »armen Schwester im Osten« zur »Grundsteinlegerin des Wirtschaftswunders«: Ein wechselhafter Erinnerungsdiskurs an die »Trümmerfrau« in der BRD
- 1. Wenig Anlass zum Feiern? Die politischen Feier- und Gedenktage in der BRD
- 1.1 Die »Trümmerfrau« in den erinnerungspolitischen Reden zum 8. Mai
- 2. Die »Trümmerfrau« in den Medien der 1960er und 1970er Jahre
- 3. Die »Trümmerfrau« wird zur bundesrepublikanischen Gedenkikone: Die 1980er Jahre
- 3.1 Frauengeschichte
- 3.2 Frauen in der Rentenversicherung der 1970er und 1980er Jahre
- 4. Resümee
- Schluss
- Abkürzungsverzeichnis
- Quellen- und Literaturverzeichnis
- Abbildungsnachweis