München Bücher

Die Isar

Ein Lebenslauf

Titel Die Isar
Untertitel Ein Lebenslauf
Autor:in Plessen Marie-Louise
Verlag Hugendubel Heinrich GmbH
Buchart Gebundene Ausgabe
Erscheinung 1983
Seiten 373
ISBN/B3Kat 3880341982
Kategorie Bildband 
Suchbegriff Isar 
Regierungsbezirk Oberbayern
Zitierhinweis:

Im Sommer 1931, mitten in der Trostlosigkeit der großen Wirtschaftskrise, ist der Münchner Volksschullehrer und Literat Julius Kreis auf einem Ausflugsfloß von Tölz aus die Isar hinuntergefahren. Darüber hat er in einer Skizze berichtet, die so schön ist wie der Gegenstand, dem sie gilt: »Die Landschaft. Das Isartal. Dieses Flußtal ist wie der schönste Traum. Es ist stundenweit einsam wie die Welt am ersten Schöpfungstag. Im weiten Bett strömt der grüne Fluß, vielfältig verzweigt durch das Land. über den Tannenwäldern am Ufer steht im zitternden Sonnenglast der Auwald. Wundervoll in der Farbtönung klingen Luft und Gras, Gestein und Wald zu herrlichen Bildern. Ein dunkles Wetter baut sich im Süden auf. In das blaue Schwarz des Himmels wachsen gespenstisch weiße Wolkentürme, indes der Norden im Licht liegt. Wie heben sich Mauern und Kirchtürme leuchtend aus dem schieferschwarzen Himmel über den goldgrünen Buchenwäldern am Georgenstein. Aus einem einsamen Häusl am Hang grüßt das Floß ein Jodler wie eine überirdische Schalmei, und in Schmunzeln löst sich der Bann, als die Jodlerin, ein altes Weibl, zum Vorschein kommt und die Flößer ihr neben der Anerkennung nicht ganz ernstgemeinte Wünsche und Anträge zurufen.

Im grünen Fluß neben dem Floß schwimmen und tauchen die braunen Leiber der Badenden, es ist, wie wenn ein guter Zauberer allen Spuk der großen Stadt, der schweren Zeit der entgötterten Natur mit gütiger Hand aufgelöst hätte in zeitlose, grüne Wasser-, Baum- und Himmelsseligkeit.

Im Dämmern gleitet das Floß an der Lände bei Maria Einsiedel ans Land. Es ist, als ob ein schöner Zauber geendet hätte, und Heimweh nach dem glücklichen Tag geht mit uns zu der nächtlichen Stadt, zu den Mauern, mit.«

ähnlich verklärte Erinnerungen verbindet wohl jeder, der seine Heimat entlang dem oberen Fluß hat, mit der Isar. Die Juchzer gab es auch noch dreißig Jahre nach der Fahrt des Julius Kreis; bloß kamen sie jetzt oft schon aus den Blechinstrumenten der Münchner Dixielandbands. Die Isar eignete sich ganz gut als Mississippi-Ersatz. In den frühen sechziger Jahren bin ich als Musiker oft auf dem Floß gewesen. Im prallen Sonnenschein, der glitzernd vom Fluß zurückgeworfen wurde, so daß man die Augen zuzwicken mußte, kam man bis Grünwald nicht ohne einen Mords-Sonnenbrand. Der gehörte zu so einem durchglühten Tag dazu, genauso wie der sanfte Rausch, der einem den Schock des eiskalten Isarwassers beim Hineinspringen erträglich machte. In Mühlthal wurde meistens Halt gemacht. Im ungemähten Gras lagen die schläfrigen Floßfahrer. Ganz gut kann ich mich an so einen Juli-Mittag in Mühlthal erinnern, wo ich den König der Münchner Tenoristen, den Postler Dieter Gautsch (- er ist bald darauf gestorben -) weitab von allen anderen in einer Wiese habe liegen sehen, das Saxophon am Mund, in selbstvergessenem musikalischen Gespräch mit der Landschaft ringsum: Pans Stunde unterm hellblauen bayerischen Himmel.