Die Suche nach der vollkommenen Sprache
Als die Menschen mit Gott wetteifern und einen Turm bauen wollen, der bis zum Himmel reicht, erwartet sie eine folgenschwere Bestrafung für ihren Hochmut. Gott zerstört den Turm und verdammt sie dazu, in verschiedenen Sprachen zu sprechen. Seit dieser babylonischen Urkatastrophe träumt die Menschheit den Traum von der Wiedergewinnung der vollkommenen Sprache.
In seinem neuen Buch zeichnet Umberto Eco die Geschichte dieses Traumes nach. Er behandelt die Wiederentdeckung historischer Sprachen, die als ursprünglich oder in mystischer Weise vollkommen galten, wie das Hebräische, das Altägyptische oder das Chinesische. Er befaßt sich mit der Rekonstruktion von Sprachen, die als ursprünglich postuliert worden sind, er skizziert die artifiziellen Sprachen mit ihren teilweise barocken Wucherungen, und er schildert die Rolle der magischen Sprachen in der europäischen Kultur.
In gewisser Weise kehrt Eco damit noch einmal zu einem Thema zurück, das ihn schon in «Das Fou-caultsche Pendel» beschäftigt hat, die Sprache als Hort esoterischen Wissens und Hüter der letzten Geheimnisse. Doch hier ergreift nicht der Schriftsteller, sondern der Se-miotiker Eco das Wort, der die sprachhistorische Wirklichkeit hinter der literarischen Fiktion freilegt. Ein wenig beachtetes Kapitel der europäischen Kulturgeschichte wird aufgeschlagen und erweist sich, wie so oft bei Eco, als Schatztruhe erstaunlichster Einsichten und Beobachtungen. Von der ekstatischen Kabbala über die universale Grammatik bei Dante, von den GeheimSprachen der Rosenkreuzer bis zu den WelthilfsSprachen wie Esperanto führt die Suche nach der vollkommenen Sprache durch ein jahrtausendealtes Labyrinth der Zeichen und Zeichensysteme, in dem Ungeheures auf Absurdes, Bizarres auf Geniales folgt.
Umberto Eco, geb. 1932, ist Professor für Semiotik an der Universität Bologna. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte der Zeichentheorie vorgelegt. Weltberühmt wurde er durch die Romane «Der Name der Rose» und «Das Foucaultsche Pendel».
Einleitung
- Von Adam zur «Confusio linguarum»
- Genesis 2,10 und 11
- Vor und nach Europa
- Nebenwirkungen-
- Ein semiotisches Modell der natürlichen Sprachen
- Die kabbalistische Pansemiotik
- Die Lektüre der Torah
- Die kosmische Kombinatorik und die Kabbala der Namen
- Die Ur-MutterSprache
- Die vollkommene Sprache bei Dante
- Latein und VolksSprache
- Sprachen und Sprechakte
- Die erste Gabe an Adam
- Dante und die universale Grammatik
- Das «Volgarc illustre»
- Dante und Abu-lafia
- Die Ars Magna des Raimundus Lullus
- Grundelemente der Kombinationskunst
- Das Alphabet und die vier Figuren
- Der Arbor scientiarum
- Die universale Eintracht bei Nikolaus von Cues
- Die monogcnetischc Hypothese und die Ur-MutterSprachen
- Die Rückkehr zum Hebräischen
- Die universalistische Utopie bei Guillaume Postel
- Der Furor etymologicus
- Übereinkunftsthese, Epikurs These, Polygenese
- Die vorhebräische Sprache
- Die nationalistischen Hypothesen
- Die indoeuropäische Hypothese
- Die Philosophen gegen die Monogenese
- Ein zählebiger Traum
- Neue monogenetische Perspektiven
- Kabbalistik und Lullismus in der Neuzeit
- Magische Namen und kabbalistisches Hebräisch
- Kabbalistik und Lullismus in den Steganographicn
- Die lullische Kabbalistik
- Giordano Bruno: Kombinatorik und unendliche Welten
- Unendliche Gesänge und Ausdrücke
- Die vollkommene Sprache der Bilder
- Die «Hieroglyphica» des Horapollo
- Die ägyptische Schrift
- Kirchers Ägyptologie
- Kirchers Chinesisch
- Kirchers Ideologie
- Die spätere Kritik
- Ägyptischcr Weg und chinesischer Weg
- Bilder für Besucher aus dem All
- Die magische Sprache
- Einige Hypothesen
- Die magische Sprache John Dees-
- Perfektion und Verschwiegenheit
- Die Polygraphien
- Kirchers Polygraphie
- Beck und Becher
- Erste Ansätze zu einer Organisation des Inhalts
- 10. Die apriorisch-philosophischen Sprachen
- Bacon 218- Comcnius
- Descartcs und Mersenne
- Die englische Debatte über Charakter und Züge-
- Elementarbegriffe und Organisation des Inhalts
- George Dalgarno
- John Wilkins
- Die Tafeln und die Grammatik
- Die Realcharaktere
- Das Wörterbuch. Synonyme, Periphrasen, Metaphern
- Eine offene Klassifizierung?
- Die Grenzen der Klassifizierung
- Wilkins' Hypertext
- Francis Lodwick
- Von Leibniz zur Encyclopedie
- Die Characteristica univcrsalis und der Calculus
- Das Problem der Urbegriffe
- Die Enzyklopädie und das Alphabet des Denkens
- Das blinde Denken
- Das «I-Ching» und die binäre Zählung
- Nebenwirkungen
- Die Leibnizsche «Bibliothek» und die «Encyclopedie»
- Die philosophischen Sprachen von der Aufklärung bis heute
- Die Projekte des achtzehnten Jahrhunderts
- Die Spätsaison der philosophischen Sprachen
- Sprachen fürs Weltall
- Künstliche Intelligenz
- Einige Phantasmen der vollkommenen Sprache
- Die WelthilfsSprachen
- Die gemischten Systeme
- Das Babel der aposteriorischen Sprachen
- Das Esperanto
- Eine optimierte Grammatik
- Theoretische Einwände und Gegeneinwände
- «Politische» Möglichkeiten einer WHS
- Grenzen und Sprcchbarkeit einer WHS
- Konklusionen
- Die Neubewertung Babels
- Das Übersetzen
- Die Gabe an Adam
Anhang
- Bibliographie
- Übersetzung einiger fremdsprachlicher Buchtitel
- Namenregister