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Leben im Umkreis von St. Joseph

100 Jahre Pfarrkirche - 90 Jahre Pfarrei St. Joseph

Titel Leben im Umkreis von St. Joseph
Untertitel 100 Jahre Pfarrkirche - 90 Jahre Pfarrei St. Joseph
Autor:in Lurz Franz
Verlag Stadtpfarramt St. Joseph
Buchart Gebundene Ausgabe
Erscheinung 2002
Seiten 269
ISBN/B3Kat 0000000318
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Kategorie Münchner Stadtteile 
Suchbegriff St. Joseph 
Ort München 
Regierungsbezirk Oberbayern
Zitierhinweis:

Zur Hinführung

 

Mai 1898:

Der Rechtsanwalt August Rumpf hat eine Vision. Gewünschtes, Geplantes, bereits Geschehenes vereinen sich zu einem farbigen, vie-schichtigen Bild: In nicht zu langer Zeit wird die Kirche St.Joseph am unteren Ende der Augu-stenstraße stehen und neben St.Ludwig ein geistliches Zentrum bilden für die Vorstadt im Norden Münchens, dort wo - derzeit noch -nördlich der Görresstraße das freie Feld beginnt und Wege zu den der Stadt vorgelagerten Gärtnereien führen.

Und so könnten Vision und Wirklichkeit sich entwickelt haben:

 

Kurz überprüft der Rechtsanwalt, Vorsitzender des Kirchenbauvereins St.Joseph die Bauakten für die Notkirche, klemmt sich die Tasche unter den Arm und zieht die Wohnungstüre hinter sich zu.

 

Früher als sonst hat er heute seine Kanzlei am Promenadeplatz verlassen, hatte sich in der Wohnung an der Barerstraße frisch gemacht und ist nun zum Lokaltermin zur Baustelle an der unteren Augustenstraße aufgebrochen. Noch an der Schellingstraße überlegt er kurz, ob er eine Pferdedroschke am Halteplatz vor der Pinakothek mieten soll, doch dann eilt er zu Fuß in westliche Richtung. Für längere Zeit verweilt er an der Kreuzung von Schelling- und Augustenstraße. Sein Blick geht nach Norden, er fixiert jene Stelle, an der jetzt noch nicht sichtbar - die Josephskirche entstehen soll. Die Straße wird ein Ziel haben, denkt er, sie wird auf eine Kirche zuführen. Am Ende der Schellingstraße eröffnet sich im Osten der Blick auf die marmorweißen, massiven und doch grazilen Türme der Ludwigskirche, die im Abendlicht leuchten, und für einen

Moment träumt er, wie auch die Josephskirche im abendlichen Glanz erscheinen würde. 3 bis 4 Patres aus dem Orden der Kapuziner, so die vertraglichen Vereinbarungen, würden nach Fertigstellung der Notkirche den Stadtpfarrer von St.Ludwig, Prälat Rathmayer, in seiner 50.000 Seelen-Gemeinde unterstützen. Was August Rumpf auch als Vorsitzender des Kirchenbauvereins nicht ahnen konnte, war, daß nur 15 Jahre später die Patres Kapuziner eine eigene Pfarrei St.Joseph betreuen würden, die von der Heß- bis zur Hohenzollern-, und von der Arcis- bis zur Schleißheimer Straße reichen würde.

Aus Richtung der Theresienstraße erschallt ein gut vernehmbares Kommando an die Pferde. Die Pferdetram setzt sich in Bewegung und biegt in die Augustenstraße ein. Ab August nächsten Jahres würde die Strecke „elektrifiziert" werden. Und August Rumpf zweifelt keinen Moment, daß dann auch die Josephskirche eine Haltestelle bekommen würde. Unwillkürlich zieht er den Hut tiefer ins Gesicht, als er seinen Weg in die Augustenstraße fortsetzt und der Wind in die nach Norden offene Straße einfällt, Staub aus den Feldern und Gärtnereien der Milbertshofener Flur und des Exerzierplatzes der nördlichen Kasernen vor sich hertreibend.

 

Lärmend und fluchend laden an der Görresstraße Bierführer Fässer ab. Ein Gendarm beobachtet die Arbeiten mißtrauisch, hatten doch in letzter Zeit Brauereifuhrwerke auf offener Straße Bierfässer verloren. Kein Wunder! Nach alter Übung erhielten die Bierführer von jedem Wirt, den sie belieferten, ihre Maß Freibier, was der nüchternen Arbeit nicht immer zuträglich war.

Stimmengewirr vom geselligen Leben in den Biergärten an der Görresstraße liegt über der Straße, übertönt vom hellen Glockenschlag der Aussegnungshalle des Nördlichen Friedhofs. In Gedanken rechnet er nochmals durch: Mitte März hatte man Hebebaumfeier an Priesterhaus und Notkirche gefeiert. Wenn die Arbeiten so weitergingen...

 

Gegenüber eilt S.M. Gundelia vom Orden der Franziskanerinnen aus Mallersdorf, die den Schwindhort betreuen, vom Bauplatz in die Görresstraße. Sicher hatte sie ein sorgendes Auge darauf geworfen, daß ihre Zöglinge nicht

zu oft in der Nähe der Bauarbeiter herumstanden, deren deftige Sprache die Phantasie der Kinder in eine höchst unerwünschte Richtung leiten konnte.

 

Er rechnet nochmals: Wenn die Arbeiten so weitergingen, könnten, wie geplant, noch Ende nächsten Monats Priesterhaus und Notkirche an die Patres übergeben werden...Zwei Jahre war es erst her, daß der Provinzial des Kapuzinerordens...

Seine Überlegungen werden in die Gegenwart zurückgerissen...er erreicht die Baustelle... Berichten wir also der Reihe nach.