Münchner Sagen & Geschichten

Das Geistergericht

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


In der Nähe von München zwischen Ramersdorf und Zorneding liegt eine weite Haide. Zu gewissen heiligen Zeiten entsteigen dort Nachts aus der Erde Geistergestalten in alter verblichener Tracht, um Gericht zu halten. In einem großen Kreise sitzen sie umher, in ihrer Mitte eine Gestalt als Angeschuldigter, zu seiner Seite der Nachrichter mit bloßem Schwerte. Eine Glockenstunde lang dauert die lebhafte und erregte Verhandlung; doch dem Geistermunde ertönt kein lautes Wort, klanglos sind alle Reden. Endlich wird der Angeschuldigte von dem Nachrichter enthauptet, in diesem Augenblicke schlägt die Ramersdorfer Kirchthurmuhr ein Uhr, und mit dem ersten Schlage ist das Geistergericht verschwunden.

Nur zufällig haben solches nächtliche Wanderer erblickt; denn kein Bewohner der Umgegend wagt sich in solchen Nächten auf die Haide.


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