Münchner Sagen & Geschichten

Rings in der Altstadt

Der Bürgersaal und die Augustinerkirche

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 75)


Gewissermaßen eine Tochter der Jesuitenkirche ist die Kirche des „Bürgersaales", die nur wenig weiter hinauf gegen das Karlstor und die ehemalige Stadtmauer liegt. Die Jesuiten hatten schon bald nach ihrer Berufung durch Albrecht V. eine Männerkongregation in München gegründet, die sich in eine „lateinische" für Adel und Beamte, und eine deutsche oder Bürgerkongregation teilte. 1709 erbauten die Herren und Bürger sich einen eigenen Betsaal nächst dem Jesuitenkollegium; später siedelte die lateinische Abteilung in die Dreifaltigkeitskirche über, sodaß dem älteren Betsaal Name und Eigenschaft des „Bürgersaales" verblieb. Eines der wertvollsten Besitztümer der Kirche ist die „foyensische Madonna", geschnitzt von Hans Krumpper, der wahrscheinlich selbst der Kongregation angehörte. Damit hatte es folgende Bewandtnis: „1611 war zu Foya in Mittelitalien eine Eiche gefällt worden, die umschloß inwendig wunderbarerweise ein schönes Muttergottesbild. Darum ward das Holz dieser Eiche nimmer verkauft, sondern nur an hohe Personen verschenkt, mit dem einen Beding, daß daraus nichts gebildet werden dürfte als Figuren nach dem Muster jenes wundersamen Frauenbildes, also eine stehende gekrönte Madonna mit dem Jesukind." Solch ein Stück der foyensischen Eiche verehrte Herzog Ferdinand von Bayern, der Kurfürst-Erzbischof von Köln, der Kongregation „aus sonderen Gnaden und gegen ihr tragender Affektion" durch den kurfürstlichen Beichtvater P. Georg Schrettel. Die Kongregation beauftragte mit der Verarbeitung des Holzes den Meister Krumpper, der daraus die mit Stolz behütete Madonna des Bürgersaales schuf.

Außer ihr besitzt der Bürgersaal und stellt es alljährlich an Weihnachten zur Schau: das liebliche Wachsbildnis des liegenden Jesukindes, das als „Augustiner Gnadenkindl" bekannt ist. Dieses Gnadenkindl ward im 16. Jahrhundert von der frommen Münchner Bürgerschaft der Klosterkirche der Augustiner-Eremiten geschenkt. Ein Frater des Klosters nahm das Jesulein eines Tages aus dem schützenden Schrein heraus und hatte das Unglück, es fallen zu lasten, so daß der kunstreich geformte Kopf des Bildes in Stücke brach. Der Ärmste wagte Niemand sein Mißgeschick zu offenbaren, betete nur inbrünstig zu Gott um Hilfe in seinen Ängsten. Als aber die Weihnachtszeit nahte, wo das Christkindl auf dem Altar ausgesetzt werden sollte, galt kein Verhehlen mehr: zitternd tat der Frater dem Prior sein schweres Bekenntnis. Der furchte streng die Stirn und öffnete den Schrein - siehe: da lag das Jesukind holdselig und ganz wie zuvor darinnen, und sah den armen Frater, der nicht wußte, wie ihm geschah, mild lächelnd an. Nur ganz feine Sprünge an seinem Köpfchen zeugten von dem Falle. So die Legende.

Auf die Kunde hiervon wurden die Münchner erst recht voll Andacht zu dem „Gnadenkindl", wie es fortan hieß. In reichste Zier wurde es gehüllt, und zu Weihnachten ward vor ihm das vierzigstündige Gebet gehalten, dem noch eine Andacht von vierzig Tagen folgte; dabei flehten die Beter insbesondere um Erhaltung des angestammten Regentenhauses. Die Kirche der Augustiner war eine geeignete Statt zur Fürbitte für das Haus Wittelsbach, besten Gunst seit frühester Zeit ihr gehört hatte. Die Stiftung des Klosters geschah durch Herzog Ludwig II. (den „Strengen"), der aus Regensburg die ersten Augustiner-Eremiten nach München berief und ihnen den Platz außerhalb der Mauer „im Haberfeld" (einem Teil des zum Kloster Schäftlarn gehörigen Konradshofes) anwies. Da Herzog Ludwig noch während des Baues, zu dem der Grundstein 1291 gelegt wurde, starb, übernahm sein Sohn Herzog Rudolf seine Stelle als dessen Schützer und Förderer. Zwei Tafeln an der Brustwehr des Orgelchores rühmten die Wohltäter in lateinischen Inschriften, deren eine auf deutsch besagte:
„Diese Kirche, Gott dem Allerhöchsten und den Heiligen Johannes dem Täufer und dem Evangelisten geweiht, wurde erbaut 1294 durch die Freigebigkeit des Herzogs Rudolf von Bayern und anderer Frommgläubiger."
Die zweite Inschrift ergänzte:
„Die durchlauchtigen Herzöge Wilhelm, Maximilian und Albert und andere Fromme haben sie verschönert 1620."
So stifteten auch die Herzoge Stephan, Friedrich und Johann 1391 eine Feiertagsmesse zum Gedächtnis aller verstorbenen Mitglieder des Fürstenhauses; die Kurfürstin Maria Antonia von Sachsen, Tochter Karl Albrechts von Bayern, stiftete der Kirche das gnadenreiche Bildnis der „Maria vom guten Rate". Vier gnadenreiche Marienbilder besaß die Klosterkirche; die Geschichte des berühmtesten, der „Hammerihaler Muttergottes", wird noch zu erzählen sein. Ferner befand sich bei den Augustinern seit 1441 der Marienaltar der „Bäckerbruderschaft", die von Ludwig dem Bayern solche Gunst empfangen hatte, wie ihr Häusl im Tal lange Zeit bezeugte. Nachdem der Bäckerknechte ursprüngliches geistliches Heim, die Kirche zum hl. Geist, 1327 abgebrannt war, übersiedelten jene mit ihren Ämtern und Gottesdiensten in die Kirche der Augustiner bis zur Aushebung derselben, worauf sie für die kurze Zeit, da ihr Verbündniß noch bestand, zum hl. Geist zurückkehrten.

Die Augustinerkirche war auch diejenige, in der viele Einheimische, wie anderwärts erwähnt, die Gruft Ludwig des Bayern suchten. So erbat und erlangte ein Privatgelehrter, J. Faßl, im Jahre 1877 von dem damaligen König Ludwig II. die Erlaubnis, nach dem kaiserlichen Leichnam zu forschen. Spukhaft liest es sich, wie die Nachgrabenden tiefer und tiefer ins Totenreich drangen, Leichen auf Leichen ans Licht gefördert wurden aus den Grüften der alten Kirche. In einem der Begrabenen glaubte Faßl nach mehreren Anzeichen den toten Kaiser zu erkennen, aber der Anatom der Universität, Prof. Rüdinger, sprach sich, nach Vergleichung mit den vorhandenen Bildnisien, entschieden gegen diese Annahme aus. Also wurde der unbekannte Tote, gleich den übrigen aus der Grabesruhe Aufgestörten, in stiller Nacht wieder bestattet: eine Sondergruft der Frauenkirche nahm ihn auf.

Wie in allen Kirchen und Begräbnisstätten Alt-Münchens, ist bei der Säkularisation der Augustinerkirche Vieles, Allzuvieles an wertvollen Epitaphien zu Grunde gegangen. Aus der Zahl Jener, deren Andenken lebendig in spätere Zeit hinüberging, sei nur ein Name herauagegriffen: Johann Kaspar Kerll, der weilberühmte Orgelmeister und Kirchenkomponiat, der in München kurfürstlicher Rat, Vizekapellmeister und Hofkapellmeister war. Nachdem er in diesen Eigenschaften über zwanzig Jahre hier gewirkt — von 1656 bis 1677 — ging er nach Wien, hat es aber nicht lange ausgehalten, sondern sich nach München zurückgewandt und sein Leben hier beschlossen.

Unter den Patres, die dem Münchner Kloster angehörten, waren manche, deren religiöse und gelehrte Bedeutung im öffentlichen Leben der Stadt oder des Landes Einfluß gewann. So Dr. Wolfgang Kappelmair, der Prior des Klosters († 1531), zu dessen Buche vom „wahren christlichen und lebendigen Evangelium unseres Herrn Jesu Christi" Joh. Eck die Vorrede verfaßte, und dem Herzog Albrecht V. „das größte Verdienst um die Erhaltung der katholischen Religion" in Bayern zuschrieb.

Die Augustinerkirche bildete die Ecke der heutigen Ettstraße und einen baulich höchst reizvollen Gegensatz zu St. Michael. Zur Vermehrung ihrer Einkünfte hatte Max Emanuel den Mönchen die Errichtung eines Mietstockes gestattet, „weil solcher der Stadt ein Ansehen gebe". Der auf solche Art entstandene Anbau behielt bis zu seiner Niederlegung den Namen „Augustinerstock".

Durch die Säkularisation (1803) ward die Kirche in eine Mauthalle verwandelt und das Kloster aufgehoben. An besten und des Augustinerstockes Stelle erhob sich 1912 das jetzige neue Polizeigebäude.

 

Literatur

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