Münchner Sagen & Geschichten

Rings in der Altstadt

Der Bau der Michaelskirche

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 70)


„Die gewaltigste kirchliche Schöpfung der deutschen Renaissance" - wird die St. Michaelshofkirche gelegentlich in Kunsthandbüchern genannt. Schon allein das Tonnengewölbe, das kühn und herrlich den Innenraum überspannt, ist Gegenstand steter Bewunderung. Wie fast jede der großen deutschen Kirchen hat die Michaelskirche eben darum auch ihre Baumeistersage. Es ward bis vor kurzem noch erzählt, daß dem Herzog Bedenken eingeblasen worden seien über die Dauer und Widerstandskraft der Deckenwölbung. Der Herzog, um diese zu erproben, hätte befohlen, in der Kirche eine Kanone abzufeuern. Aber der Baumeister, aus Angst vor dem, was ihn betreffen würde, wenn die Decke einstürzte, hätte derweil die Flucht ergriffen und wäre nimmer zu Tag gekommen. Nach Anderen hätte er sich gar von seinem eigenen Bau herabgestürzt oder sei in der Sakristei erhängt aufgefunden worden.

Noch eine — seltener gehörte - Sage weiß von dem Wettstreit zweier Meister zu melden, deren einer die Kirche mit dem Tonnengewölbe, der andere aber den Turm erbaut hätte. Als eines Tages der Turmerbauer den Kirchenbaumeister verhöhnt hätte ob seines Gewölbes, das sicher nicht bestehen könnte, da hätte der Verspottete geantwortet: „Mein Werk wird dauern, aber dein Turm wird einfallen." Und also sei es geschehen.

Von solcher legendären Ausschmückung abgesehen, ist die wirkliche Geschichte des Baues umstritten. Der fromme Herzog Wilhelm V., als er daran ging, den Vätern der Gesellschaft Jesu Haus und Kollegium zu erbauen, scheint das Werk zunächst dem Meister Wolfgang Miller aus Augsburg — von Andern wird Wendel Dietrich, der Schöpfer der wilhelminischen Residenz, genannt — übertragen zu haben. Der Bau, dessen Grundstein am 18. April 1583 feierlich gelegt worden war, schritt verhältnismäßig rasch voran, sodaß die Einweihung auf das Jahr 1590 festgesetzt werden konnte. Aber im Mai desselbigen Jahres geschah etwas Verhängnisvolles: der Turm, der an Stelle des heutigen Querhauses errichtet war, stürzte ein.

Schon etwa acht Tage vorher war im Innern Etwas herabgefallen; der Herzog befahl, daß eine Kommission sich nach der Kirche verfüge und mit Fleiß alles besichtige „ob sich irgend eine Gefahr zu besorgen." Die Kommission trat am 7. Mai zusammen, kam indes mit ihrem abgegebenen Gutachten zu spät, denn am 10. Mai erfolgte der Einsturz. Da er nicht unerwartet war, so hatten wenigstens alle Vorkehrungen getroffen werden können, um den Verlust von Menschenleben zu verhüten. Im übrigen maß das am 18. Mai abgefaßte Protokoll der alsbald eingeleiteten Untersuchung dem Baumeister Wolf Miller die Hauptschuld an dem Unheil bei, „dann er sah zu wenig und war ein unfleißiger Mann".
Dennoch, und obgleich besagter Meister zur Strafe erst im Fronhaus, dann im Falkenturm gefangen gesetzt ward, bezeichnet der Bericht nicht absichtslos den Einsturz als eine Schickung Gottes. Es scheint, daß die fürstlichen Räte der Baulust Herzog Wilhelms gern aus Rücksicht auf die fürstliche Kaste einen Zaum angelegt hätten; aber diese Absicht ging ihnen fehl. Der Herzog, so tief gläubig er war, sah durchaus keine göttliche Abmahnung in dem Vorfall; er soll auf den Einwand: „dem hl. Michael sei vielleicht der Bau der Kirche nicht genehm," geantwortet haben: „Mit Nichten; sie ist ihm nur zu klein." Er nahm also den Bau wieder in Angriff und befahl dem Hofbaumeister Friedrich de Sustris „ein Modell der Verlängerung der Kirche oder Langhaus und des neuen Chores zu machen." Die Erweiterung und Vollendung des Baues fand jedoch ihr größtes Hindernis in dem fühlbaren Geldmangel, der die Arbeiten oft zum Stocken brachte. Endlich am 6. Juli 1597 konnte die fertige Kirche festlich eingeweiht werden, in Beisein der gesamten fürstlichen Familie, mit Glockengeläute und Geschützdonner. Die Festpredigt hielt Herzog Wilhelms zweiter Sohn Philipp, der kurz vorher die Würde eines Kardinals erlangt hatte. Das prachtvolle geistliche Schauspiel, das die Jesuiten zu Ehren des Tages hatten aufführen wollen — der Triumph des Erzengels Michael — konnte ungünstigen Wetters halber erst einige Tage später von statten gehen. Eine eigene Schaubühne vor dem Kollegium war dafür errichtet; die Vorstellung, in der außer den Hauptdarstellern 900 Choristen mitwirkten — die Musik war von Georg Victorin, dem Kapellmeister der Jesuitenkirche, komponiert — dauerte acht Stunden.

 

Hier sei gleich des Verfassers der eindrucksvollsten Jesuitendramen gedacht: des Paters Jakob Bidermann, den sein Lehrer P. Matthäus Rader, der Autor der Bavaria Sancta et pia, neben Thomas von Aquino, neben Virgil und Aristoteles stellte. Nach einer Aufführung von Bidermanns Drama „Cenodoxus" sollen vierzehn Münchner Hofleute, religiöser Zerknirschung voll, in den Jesuitenorden eingetreten sein. Von dem „bayerischen Horaz", P. Jakob Balde, der durch P. Jakob Keller, den geistvollen Rektor des Münchner Jesuitenkollegs, Anregung und Förderung seiner poetischen Fähigkeiten empfing, ist später noch zu reden. Ganz abgesehen von der Rolle, welche hervorragende Jesuiten im politischen und religiösen Leben Bayerns gespielt haben, nimmt die Pflege des Schrifttums und der Tonkunst eine breite Stelle in der Tätigkeit des Ordens ein. Mahnt doch auch der Name der Straße, die seitlich der Michaelskirche sich hinzieht, an den hochverdienten Kirchenkomponiften und Organisten dieser Kirche: Kaspar Ett.

Wie die Entstehung der Kirche den Stoff zu einer Sage gegeben, indem aus den etlichen Hafttagen, die der „unfleißige" Wolf Miller bei Wasser und Brot hatte absitzen müssen, Flucht oder freiwilliger Tod geworden war, so knüpfte auch an die Aufhebung des Kollegiums sich eine sagenhafte Überlieferung. Als 1773 die Jesuiten ihr Heim verlassen mußten, sollten sie zuvor einen Schatz dort verborgen haben; ein Maurer, der mit verbundenen Augen hin und zurückgeführt worden, um diesen Schatz zu vermauern, hätte an einem Merkzeichen erkannt, wo er sich befände, aber erst auf seinem Todbette den Hergang erzählt. Einmal, weil er hätte Schweigen geloben müssen, aber auch „weil er den Patribus wohl geneigt gewesen." Natürlich fand sich niemals eine Spur von dem Hort; um so hartnäckiger erhielt sich die Mär davon, die Manchem im Volk zugleich als eine Art Bürgschaft für die Wiederkehr des Ordens galt. In vielen aufgehobenen oder zerstörten Klöstern sollen nach der Volkssage, ganz wie in den Ruinen alter Schlösser, solche Schätze versteckt sein. Aber der Glaube an die Rückkehr des Ordens hat sich bewahrheitet, denn heute ist bekanntlich die St. Michaelskirche wieder die der Jesuiten.

Nach der Einweihung der Michaelskirche zog sich ihr Begründer, Wilhelm V., ganz vom weltlichen Leben zurück und legte die Regierung in die Hände seines Sohnes, Maximilian I.

Literatur

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 Wilhelm V. Herzog von BayernSustris Friedrich deEtt Kaspar

Denkmal an Gerd Müller