Münchner Sagen & Geschichten

Geschichtliches und Sagenhaftes vom Münchner Dom

​Kaiser Ludwigs Grabmal

Raff - So lang der alte Peter... (Seite 20)


Da Kaiser Ludwig der Bayer jähen Todes verblichen und von Fürstenfeldbruck, wo dies geschehen, nach München gebracht worden war, fand er, obschon im Kirchenbann verstorben, seine Ruhestätte in der alten Münchner LiebFrauenkirche an der Seite seiner ersten Gemahlin Beatrix. Mehr denn hundert Jahre stand es an, bis ihm in der Kirche ein Denkmal errichtet wurde; das ließ Herzog Albrecht IV. setzen: ein Hochgrab aus rotem Schlehdorfer Marmor. Auf dem liegenden Stein ist oben der Kaiser abgebildet im vollen Ornat, auf der unteren Hälfte aber die Versöhnung Albrechts III. mit seinem Vater Herzog Ernst, der Albrechts heimlich Anvermählte, Agnes Bernauerin, grausam hatte töten lassen. In der Mitte zwischen beiden Darstellungen ist der Reichsadler eingemeißelt, das bayerische Wappen auf dem Herzen. Die kunstreiche und lebensvolle Arbeit des Hochgrabes, vormals Meister Hanns „dem Steinmeißel" zugeschrieben, wird neuerdings als ein Werk Erasmus Grassers angesprochen.

Dies Hochgrab fand seine Stelle im Chor der im fünfzehnten Jahrhundert neu erbauten LiebFrauenkirche, über der Gruft, in der Herzog Albrecht IV. die Gebeine seiner, in der alten Marienkirche bestatteten Vorfahren, darunter auch die des Kaisers, hatte beisetzen lassen. Hierbei verordnete Herzog Albrecht — durch eine Urkunde von 1490 —, daß zum Gedächtnis für ewige Zeiten jeden Samstag Abend unter feierlichem Geläute das Salve Regina gesungen werde, und desgleichen der Pfarrer mit der gesamten Geistlichkeit ein Miserere sprechen sollte, „zu unserer Vorfaren Fürsten von Baiern und unserer Begrebnuss."

Zugleich mit dieser Verordnung stiftete Herzog Albrecht die Salve-Glocke, die größte der Domkirche — (irrig wird manchmal die viertgrößte, die Bennoglocke, als solche bezeichnet). Die Glocke, die zum Salve-Gottesdienst allsamstäglich läuten sollte, wiegt 125 alte Zentner und stammt aus Regensburg, wie ihre Umschrift besagt. Diese lautet: „Susanna - haiss ich - in Jhesus - Maria - und - lukas - markus - mattheus - und - johannes - in - der - Namen - gos - man - mich - der - durchleuchtig - hochgeporn - fürst - und - Herr - Herr - Albrecht - pfalzgrave - pei - rein - hertzog - in - obern - und - nidern - paiern - was - stifter - mir - von - regenspurg - her - pracht - er - mich - die - bösen - weter - vertreib - ich - den - toben - peere ich - hanns - ernst - der - gos - mich - als - man - zält - von - gottes - gepurt - tausend - vier - hundert - und - in - dem neunzigsten - jar - tetragramaton -" Das letzte Wort ist ein altes Bannwort gegen Wetterschäden und sonstiges Unheil. Die Stelle, „die Toten beehre ich" deutet wohl auf die Totenehrung, das allwöchentliche Gebet, bei dem die Glocke auf Geheiß des herzoglichen Stifters geläutet ward. Heute geschieht dies nur an den höchsten Festtagen und deren Vorabenden.

Der Altar im Chor der Frauenkirche, an dem das Miserere für die verstorbenen Fürsten gebetet wurde (unterhalb des Hochaltars), hieß der Kaiseraltar, weil Ludwig der Bayer ihn zum Andenken seiner ihm vorausgegangenen Gemahlin Beatrix gestiftet hatte.

Albrecht IV. starb selbst achtzehn Jahre nach dem erwähnten Erlaß und ward bestattet „in Unserer Lieben Frauen-Pfarrkirchen zu München, allda sein Corpus in Kaiser Ludwigs und anderer Fürsten zu Bayern Begräbden ligt."

Aber die Sage entstand allmählig und verbreitete sich im Volk, daß der Leichnam des Kaisers gar nicht dort ruhe, sondern irgendwo verborgen sei. In einem unterirdischen Gewölbe an unbekannter Stätte sollte sein Leichnam, kaiserlich angetan, auf einem Sessel sitzen. Anstoß zu dem Gerücht gab vielleicht eine Stelle in Aventins Annalen: daß der Kaiser in seiner Gruft sitzend bestattet sei — was spätere Geschichtsschreiber wiederholten. Doch hat jedenfalls die Volksphantasie, die ihre Lieblinge so gern zum Gegenstand mythischer Überlieferung macht, in die bis vor Kurzem noch lebendige Legende von Kaiser Ludwigs entrücktem Leichnam sagenhafte Züge von Karl dem Großen und Friedrich Barbarossa verwoben. Vielfach wurde behauptet: in der alten Augustinerkirche sei die verborgene Kaisergruft, während tatsächlich die Augustiner, bei denen Ludwig der Bayer allerdings hatte ruhen wollen, der Leiche des im Banne Gestorbenen die Aufnahme verweigert hatten. Wie hartnäckig dies Gerücht sich erhielt und zu welchen Nachforschungen der Glaube daran führte, wird später noch gesagt werden.

Anno 1606 ließ Kurfürst Maximilian I. die Gruft seiner Vorfahren neu in Stand setzen, an Stelle des alten Zinnsarges einen neuen, drei Schuh hohen anfertigen und die vorgefundenen Schädel und Gebeine, aus denen die Reste Kaiser Ludwigs nicht mehr auszuscheiden waren, darein betten. Unter Maximilian ward die Kirche selbst teilweise umgebaut, dem Geschmack der Spätrenaissance angepaßt; auch über dem alten Grabstein des Kaisers ließ der Kurfürst eine prächtige Tumba im Jahre 1622 errichten. Als Meister derselben werden genannt: Peter Candid, Hubert Gerhard, Dionys Frey. Die lebensgroßen Erzfiguren, welche die Tumba schmücken, sind: zu oberst neben der Reichskrone die allegorischen Gestalten der Weisheit und Tapferkeit, an den vier Ecken kniende Gewappnete als Bannerträger, an den beiden Längsseiten die stehenden Bildnisfiguren Albrechts V. und Wilhelms IV. Die lateinische Inschrift des Grabmals lautet in deutscher Übersetzung: Ludwig dem Vierten, dem erlauchten Kaiser, hat dies gesetzt Maximilian, Herzog von Bayern, des heiligen Reiches Kurfürst, auf Geheiß seines Großvaters Albrecht V. und seines Vaters Wilhelms V. im Jahre des Heils 1622." Das so umgestaltete Grabmal wurde aufgestellt unter dem nach St. Benno genannten Renaissancebogen, den Kurfürst Maximilian zwischen Chor und Langhaus der Kirche hatte errichten lasten. Nach der letzten Restaurierung der Frauenkirche, als dieser Bogen beseitigt worden, verblieb die Tumba des Kaisers noch im hohen Chor, wurde später, „weil sie die Aussicht auf den Hochaltar benahm", nach hinten versetzt und steht heute an einem dämmerigen Platz unter der Orgelempore.


Das Grabmal Kaiser Ludwigs ist die hervorragendste Grabmalsschöpfung der Domkirche und der Stadt überhaupt; das Übrige verschwindet vor ihr. Dennoch fehlt es nicht an Denkmälern, die wertvoll sind in künstlerischer Hinsicht wie durch das Andenken der namhaften Toten, die im Innern der Frauenkirche ruhen oder auf dem ehemaligen Frauenfreithof bestattet waren. Im Chor befindet sich außer der Fürstengruft die Kapitelgruft und zumal die Grabstätte der Erzbischöfe von München-Freising, mit charakteristischen Steinbildniffen von Künstlerhand. Auch vom schönen Grabstein des Bischofs Tulbeck, des Münchner Goldschmiedsohnes, wäre zu reden, von den Denksteinen der Patrizier Riedler und Ligsalz, von denen des Historikers Andreas Felix von Oefele und des Ritters Wilhelm Lew in voller Rüstung. Dies Denkmal sowie die Kopie von Hans Mielich nach Michelangelos „Jüngstem Gericht" die das Grabmonument des berühmten Kanzlers Leonhard v. Eck zierte, ist aus dem alten Franziskanerfreithof hierher gerettet worden.
Wie im Innern, so an der Außenmauer grüßen vertraute und ehrwürdige Namen: Kreittmayr, Ligsalz, Prielmayer u. A. Ein gar schönes Grabmal mit einem „Christus im Grabe" ist das der Familie Strobel. Die Ruhestätte der Gattin Cosmas Damian Asams, Maria Anna, geb. Mörl, ist bezeichnet durch eine Grabschrift, deren treuherzige Verse lauten wie von einer hellen innigen Frauenstimme vorgetragen. Nahe davon ist der Grabstein des „kunsterfahrenen, arbeitsamen, redlichen und aufrichtigen" Johann Michael Fischer, der als dreier Fürsten Baumeister allein 32 Kirchen nebst unzähligen anderen Gebäuden in seinem Leben aufrichtete, bis er 1766, wie seine Grabschrift sagt: „zum letzten Gebäu des Hauses der Ewigkeit den Grundstein legte." —
Friede all diesen Toten! Schirmend und gewaltig ragen über ihrer Ruhestatt, als bedeutsames Wahrzeichen Die, in deren Schatten ihr Erdenwallen sich abgespielt hat: die Frauentürme.

Literatur

Geschichtliches und Sagenhaftes vom Münchner Dom

 Kaiser Ludwig IV.

I.M. Mayer Kgl. Hofsattler und Kutschenfabrikant