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Trautmann - Die Alt-Münchner Wahr- und Denkzeichen (Seite 86)
Unter der großen Sonnen Uhr an der Liebfrauenkirche ist außerhalb des Kirchthors zur Linken ein ehrwürdig alter Grabstein.
Dieser gilt dem blinden Tonkünstler Conrad Paumann, Ritter, gebürtig von Nürnberg, einem Mann, gleich merkwürdig in Begabtheit, Charakter und Geschick. Man sieht ihn da, in rothem Marmor von kindlich schlichter Kunst alter Zeit gebildet, an der Orgel sitzen im Talar und seiner rupfenen Langhaube, die Finger ausstreckend auf den Tasten, zu Füssen sind allerlei Instrumente, die Wendung des Hauptes aber soll nach der guten Meinung des Bildhauers wohl ausdrüden, daß der Meister den Tönen ein aufmerksames Ohr leihe.
Wenn man nun in Betracht zieht, was das heiße, blind sein und es in der Musik aller Wege so weit zu bringen, daß Einen die Kaiser und Fürsten einholen lassen und mit koſtbarsten, seidenen und sammtenen, mit Pelz vebrämten Röcken, nebst einem kostbarem Schwert und sonstigem Geschenk beehren - voraus mit größtem Lob - so läßt sich dabei schon Manches denken und in Betracht nehmen, und mahnt es die Nachwelt in nicht unbedeutender Weise zu Fleiß und Ausbauer.
Aber damit ist es hier nicht abgethan.
Denn dieser Meister Conrad - von welchem, nebenbei gesagt, in der Staatsbibliothek noch ein von ihm diktirtes, wundervoll und heilig -anmuthig -schönes Kirchenlied vorhanden ist, das gar Vielen Freude machte, wenn es je wieder bekannt würde – dieser Meister hat nicht allein während seines Aufenthaltes in Nürnberg ganz merkwürdige, mahnungsreiche Schicksale gehabt, sondern ihm war es auch beschieden, als er durch Gottes Fügung nach München zog, den edlen Herzog Albrecht den Dritten – eben Jenen, welchem früher sein Vater die Agnes Bernauer in's Wasser werfen ließ – mit seiner Gemalin Anna von Braunschweig zu versöhnen. Dieß geschah durch ein Paar vielsagende, hochfürstliche Reime, welche der blinde Meister in Musik setzte und singen ließ, gerade als die widerspenstige Anna ihr Nachtgebet betete und sich weitaus allein dachte bis sie die Töne und die wohl bekannten Reime vernahm, sodann der Thüre zuschritt, die Sänger und Pagen mit Lichtern sah und den Meister Conrad und ihren Gemal, dem sie sich längst gerne versöhnt hätte, wenn sie nicht zu stolz gewesen wäre.
Diesen Stolz bebauerte sie noch später gar oft; draus mag sich allein schon Mancher eine Warnung nehmen und in der Feindschaft die Hand zuerst bieten – denn das Leben ist so kurz – und je mehr Herzen gewonnen, desto reicher ist Einer!
Bei dem Gesagten kommt noch in's Spiel, daß der Meister zu Nürnberg einen welschen Musikus, Namens Fra Solina, zum Nebenbuhler hatte, den er im Orgelspiel besiegte und, als er ihn dafür der Zauberei anklagte, auch im Gotteskampf mit dem Schwert.
Auch hatte der Meister eine Pflegetochter, welche ihre Liebe zum Meister Lindenast von Nürnberg bis zum Tode des Conrads verheimlichte, weil sie diesen nicht verlassen wollte. Aber der Meister wurde es noch inne und gab ihr in inniger Anerkennung ihres erhabenen Sinnes, von Herzen seinen ganzen Segen. - So wurden die beiden Liebenden nach langer Entsagung noch glücklich. Der arge Welsche aber welcher von je sein sündiges Auge auf die Cornelia gerichtet hatte und den Conrad zu München im alten Hof ermorden wollte, starb im Gefängnisse.
Das Eckhaus, gerade über der Bank in der Theatinerstrasse, gehörte dem Conrad.
Seine Grabschrift lautet wörtlich so:
Anno Dom. MCCCCLXXIII an Sant Paul Bekehrungsabent ist gestorben und hie begraben der Kunstreichist aller Instrumenten und der musika Maister Conrad Pauman Riter pürtig von Nürnberg und plinter geborn dem god genad.