St. Anna-Klosterkirche

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)

Zurück

St. Anna-Klosterkirche (der Franziskaner am Lehel), S. Annastr. 13.

Geschichte. Als um 1700 die Bewohnerzahl im Lehel­viertel (damals noch außerhalb der Stadt gelegen), auf 2000 gestiegen war (s. „Lehel"), berief man als Seelsorger die Eremiten von der Hieronymiten - Kongregation aus ihrem Kloster am Wallersee; daher die vielen Beziehungen der Klosterkirche zum hl. Hieronymus. 1727 er­hielten sie Kirche und Kloster. Letzteres diente, nach Entfernung der Ordensleute durch die Säkularisation 1805 als „Lehel-Kaserne“; von 1827 an wurde ein Teil der Kaserne und die Kirche den Franziskanern eingeräumt zum Ersatz für den Verlust des älteren Münchner Klosters am Max Josephsplatz, und zwar auf Wunsch König Ludwigs I. „eingedenk, daß Mitglieder dieses Ordens unsern erhabenen Vorfahrer Kaiser Ludwig den Bayer zu einer Zeit verteidigt haben, in welcher dies mit größter Gefahr verbunden war“ [F ].

Kunst. 1727—39 von Joh. Mich. Fischer, dem „bedeutendsten Kirchenbaum eister des bayerischen Rokoko“ [ D ]; sein einziger Bau in der Stadt.

Grundriß: Hauptraum oval mit Mulden­gewölbe auf 8 elliptisch gestellten Säulen, in das die Bögen der Altar nischen, des Chores und der Emporen einschneiden. Oestlich Eingangs­halle mit Empore; westlich der Hochaltarraum mit einer Apsis hinterm Altar, der wie ein Umgang aus der Mauerflucht heraus tritt und im Ge­wölbe so tief in den Hauptraum einschneidet, daß dem Hauptraum oval ein kleineres Oval vorgelegt erscheint. An jeder Längsseite des Haupt­raums je 3 Kapellennischen mit interessantem Wechsel der Breite und Tiefe des Raumes; starke Kurven — im ganzen Innenraum keine gerade Linie ! — für Orgelempore und Hochaltarraum: „ein saalartiger Eindruck, der von höchst malerisch gedachten Seitenkapellen kontrastiert wird “ [W 181]. An den Ecken des Hauptraums gegen die Altarnischen Pilaster mit reichen korinthisierenden Kapitellen; darüber Gesimsstücke. (1850—55 Erweiterung nach Osten und Abschluß durch einen Ziegelrohbau mit 2 Türmen in nüchternen romanischen Formen von Vort). — Ueber den Bögen und in den Zwickeln Stuckornamente in äußerst zarten Formen, namentlich in den Pilasterkapitellen, die schon stark zum Frührokoko neigen; nicht überladen und aufdringlich. Grund tapetenförmig bemalt. Ueber dem Chorbogen bayerisch-österreichisches Allianz Wappen in großer Kartusche (die Gemahlin des damaligen Kurfürsten Max Emanuel war aus Oesterreich); darüber der rote Kurhut; um den Schild die goldene Vlieskette; unten ein lebensgroßer schwebender Engel mit der bayerischen Fahne (darauf die Patrons Bavariae).

Hochaltar, von Egid Asam. Die mehr breite als hohe Wand ist durch 4 Pilaster in 3 Flächen geteilt; an der größeren mittleren in geschwungenem Rahmen das figurenreiche Altarbild („St. Anna und Joachim unterrichten Maria“) von C. D. Asam; an den andern Flächen flott modellierte überlebensgroße Statuen: S. Hieronymus und Augustin. Charakteristisch die 4 kräftig gewundenen Säulen des Aufbaus auf reich verzierten Konsolen; Schaft aus feingeschliffenem Stuck, ohne Ranken, nur im untern Drittel mit kronenartigem Reif ge­gürtet; Kapitell mit nach einwärts gekehrten Voluten (Asamart). Auf den Säulen einfach geschwungene Kämpfer; darüber mäßig ausladende Gebälkstücke (in wohltuendem Einklang mit dem architektonischen Kranz gesims). Auf den beiden äußern Gebälkstücken schwingt sich der große, über den ganzen Altar sich wölbende Baldachin an (auf den mittleren Gesimsen Blumenvasen); am zierlichen Baldachin fein ausgeschnittene Lambrequins mit Quasten, von Blumen und Ranken begleitet; in der Innenfläche Kassetten, eingelassen mit Sternen, Rosetten und Spiegel­teilchen. Die beiden großen Genien mit phantastischem Federhelm sind dekorative Lieblingsfiguren Asams. „Die kleinen heitern Putten, Wolken und Blumen am Giebel sind dem tändelnden Geist des Rokoko sehr nahe verwandt, wie hier überhaupt der Emst und die Kraft des Barocks (an Säulen und Gebälk) mit der eleganten Grazie des beginnenden Rokoko (im Giebel) mit Geschick und Geschmack vereinigt sind“ [H f].

Seitenaltäre, ebenfalls von E . Asam, zwar einfacher und kleiner, jedoch in Architektur und Dekoration ein wirkungsvolles Ganzes; rechts: 1. Franz von Assisi; 2. hl. Ludwig (hier byzantinisches Madonnenbild, Beutestück des bayer. Obersten Lydl aus dem im Türkenkrieg 1688 eroberten Semendria); 3. hl Paula (Altarbüd: „Hieronymus übergibt der von ihm bekehrten hl. Paula und deren Tochter Eustochia den Ordensschleier“; links: 1. St. Anton von Padua; 2. Kreuzaltar; 3. Hieronymusaltar (Altarbild „Der hl. Bischof Eusebius erteilt dem hl. Hieronymus die Wegzehrung“ von C. D. Asam; Giebelbild der „selig gesprochene“ Hieronymitenpater Nikolaus von Furca Palenae). Kanzel mit Relief des Guten Hirten -, oben Christus als Weltrichter (wahrsch. von Toh. Straub). Grabstein des Freiherrn von Mandeiß 1782. [F, Hf, KB , W].

Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)