Straßenbenennungen

Datum07.1939SignaturDE-1992-STRA-40-62d 
AbsenderDezernat 7/13Empfänger
ArtBriefStatusEinwände
Suchen Personen
KategorieJuden
 

München, den Juli 1939

Gegenstand:
Straßenbenennungen.

 

mit 4 Beilagen!

I. An den Herrn Oberbürgermeister.

Die Um- und Neubenennung von Straßen bereitet im letzter Zeit immer grössere Schwierigkeiten. So ist einerseits die Umbenennung von Straßen, die nach Juden und jüdischen Mlschlingen I.Grades benannt sind durch den Erlass des Reichsministers des Innern vom 27.7.1938 bindend vorgeschrieben. Andererseits ist nach der VO. vom 1.4.1939 für jeden neuen Straßennamen die Zustimmung des Führers notwendig. Der Führer hat aber in letzter Zeit wiederholt Straßenumbenennungen abgelehnt.

Nach Mitteilung des Herrn Reichsministers Dr. Lammers hat der Führer nunmehr auch den Namen Artusstraße als Ersatz für die Heckscherstraße abgelehnt (Heckscher ist jüdischer Mischling I.Grades.) Diese Ablehnung hat umsomehr überrascht, als der Name einfach und kurz ist und in das Stadtviertel (Richard-Wagner-Viertel) sehr gut gepasst hätte.

Ich möchfte hier besonders darauf hinweisen, dass München bereits über 3800 benannte Straßen und Plätze hat; die bekannten Namen aus allen Gebieten sind daher schon verwendet, so auch aus den Werken Richard Wagners. Es muss daher nehr und mehr auf Namen zurückgegriffen werden, die der Allgemeinheit weniger bekannt sind. Manche, auch bekannte Namen sind wegen der Aussprache oder wegen der Rechtschreibung für die Straßenbenennung aber nicht verwendbar.

Ebenso hat die Ablehnung- der Einbeziehung der Kruppstraße in die Ungerezstraße überrascht. NAch dem hier vorliegenden Entwurf der Ausführungsbestimmungen zur VO. vom 1.April 1939 soll ein einheitlicher Straßenzug nur einen Namen erhalten. Dies trifft aber gerade für den Straßenzug Ungerer-Kruppstraße zu, wenn man nicht etwa die Eisenbahnunterführung vor Freimann als Unterbrechung des Straßenzuges ansehen will. Im Farverkehr, und dieser kommt doch hier hauptsächlich in Frage (Zufahrtsstraße zur Reicnsautobahn München-Berlin !), dürfte aber die Unterführung, besonders nach ihrer Verbreitterung, kaum als Unterbrechung empfunden werden.
Zur Zeit sind folgende Fälle anhängig:

A) Umbenennung der Paul-Heyse-Straße (jüdischer Mischling I.Grades):
Mein Vorschlag "Treitschkestraße" ist abgelehnt worden. Hinsichtlich des Gegenvorschlages "Johann-Strauss-Straße” darf ich darauf hinweisen, dass Johann Strauss mehr Vertreter leichterer Musik ist, während sich im Viertel der Paul-Heyse-Straße Namen von Klassikern befinden (Beethoven, Schubert). Ich habe die Verhandlangen im Juni mit einem neuen Vorschlag "Legion-Condor-Strasse" vorgelegt.

Als weitere Namen können noch vorgeschlagen werden

Heinrich-Stephan-Straße, nach dem Schöpfer des deutschen Postwesens, Gründers des Weltpostvereins. Die Bahnpostgebäude, das Veranlassung zu diesem Vorschlag gibt, wird allerdings beim Ausbau der neuen Bahnhofstraße beseitigt werden. Auch, sind Verwechslungen mit der Stephanstraße im 10. Stadtbezirk nicht ausgeschlossen.

Egloffsteinstraße. nach Günther Freiherrn von Egloffstein, 1.Präsident des DDAC.

Ludwig-Schaller-Straße, nach dem Schüler Schwanthalers, Schöpfer der Standbilder des Prometheus und Phidias in den Nischen der Glyphotek. Schaller liegt in München begraben. Eine Verwechslung mit der bestehenden Hermann-Schallerstraße halte ich nicht füt möglich.

Schneemannstraße, nach dem Universitätsprofessor Dr. Schneemann dem Begründer der naheliegenden Polyklinik.

Letzten Endes doch noch
Johann-Strauss-Straße, nach dem Schöpfer des Wiener Walzers. Eine Verwchslunung mit der Rtchard-Strauss-Strasse halte ich nicht für möglich.

 

B) Umbenennung der Heckscherstraße (jüdischer Mischling 1.Grades):
Die Straße liegt zwischen der König-Marke-, Kurwenal-, Tristan- und Isoldenstraße. An bekannteren Gestalten aus Wagners Werken kämen allenfalls noch in Frage: Alberich, Rheintöchter, Wanderer. (Die Namen der Rheintöchter selbst, sowie der Walküren kommen nach der Ablehnung der "Artusstraße" durch den Führer überhaupt nicht in Frage.

Oesterleinstraße. nach dem Begründer des Richard-Wagner-Museums tri Eisenach. Die Eisenachstraße befindet sich in der Nähe.

Wesendönckstraße, nach der Freundin Richard Wagners, der fünf ihrer Lieder vertonte.

Da an der Straße die Heckscher~Nervenheil- und Forschungsanstalt liegt, liegt auch der Gedanke nahe, die Straße nach einem Arzt oder Forscher zu benennen. Als solche kämen in F'rage:

Griesinger, Wilhelm. Arzt, führend auf dem Gebiet der Hirn- und' Nervenkrankheiten. Geb. 29.7.1817 zu Stuttgart, gest. 26.10.1860 zu Berlin.

Nißl Frank, Mediziner, Professor, Mitbegründer det 1918 errichtteten deutschen Forschungsinstituts für Psychiatrie, hervorragend durch psychiatrische, besonders hirnanatomische Arbeiten.
Nißl liegt in München begraben.

C) Umbenennung des Possartplatzes und der Possartstraße.(jüdischer Mischling I.Grades): 
Meinem Vorschlag "Verdiplatz und Verdistraße" wurde der Vorschlag "Richard-Wagner-Platz und Richard-Wagner-Straße" entgegengestellt. Dies würde allerdings die Umbenennung der jetzigen Richard-Wagner-Straße bedingen.

Als weitere Vorschläge kämen allenfalls noch/in Frage:
Marschnerplatz und Marschnerstraße. nach dem. Komponisten von Hans Heiling. 

Lautenschläaerplatz und -Straße, nach dem hier begrabenen Bühnentechniker Karl Lautenschläger, Erfinder der sogen, neuen Shakespearebühne und der Drehbühne. Lautenschläger war am NaUionaltheater tätig,

 

D) Richard-Wagner-Straße:

Die jetzige Richard-Wagner-Straße wurde so benannt, weil Wagner ihr gegenüber in der Brienner Straße gewohnt hat. Aus diesem Grunde wurde die Straße auch bei Schaffung des Wagnerviertels in Schwabing belassen. Für ihre Umbenennung in Verdistraße halte ich sie für zu unbedeutend, wenn feststeht, dass das Fascio-Haus in die Nähe kommt, würde ich eher die Umbenennung der Brienner Straße zwischen Luisenstraße und Stiglmaierplatz vorschlagen. Dieser Straßenteil steht mit der übrigen Brienner Straße in keinem natürlichen Zusammenhang, die gegenseitige Fortsetzung der beiden Straßenteile wird von Ortsfremden nur mit Schwierigkeiten/gefunden.

Die Richard-Wagner-Straße verläuft hinter der Lenbachgalerie. Ich würde ihre Umbenenung nach einem Maler vorschlagen, wenn sie vom Führer nicht belassen werden sollte. Da nach Lenbach schon ein Platz benannt ist, kämen in Frage:

Herterichstraße. Diefenbachstraße. Leiblstraße oder Memlingstraße. 

E) Wohnanlage am Harthof:

In der Sitzung der Beiräte vom 6.7.1939 wurde bezweifelt, ob München Straßen nach Auslandsdeutschen benennen soll. Ich möchte hier zu Bedenken geben, dass nur Stuttgart als Stadt der Auslanddeutschen, sondern auch München als Hauptstadt der Bewegung eien Verpflichtung hat, der Auslanddeutschen zu gedenken. Die besonders beanstandeten Namen werde ich selbstverständlich durch andere Namen ersetzen lassen.

Ich bitte nunmehr um Weisung, in welcher Weise ich die einzelnen Fälle weiterverfolgen soll.

II. Wv. beim Dezernat 7