Straßennamen militärhistorischen Inhalts.

Datum01.10.1971SignaturDE-1992-STRA-40-71 
AbsenderStadtarchivEmpfängerBaureferat-Bauverwaltung
ArtBriefStatusNamensfindung
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I.

1. Generalleutnant Lothar von Trotha wurde am 3. Juli 1848 i Magdeburg geboren. Er war 1894 Stellvertrater des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika und Kommandeur der dortigen Schutztruppen. 1904 wurde er Kommandeur der Schutztruppen für Deutsch-Südwest-Afrika. Am 13. März 1920 starb er in Bonn.

2. Hauptmann Karl Freiherr von Gravenreuth wurde am 12. Deuember 1858 in München als Sohn eines k. bayer. Kämmerers geboren. Nach seiner militärischen Ausbildung trat er in den Dienst der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft. Im Jahre 1886 gründete von Gravenreuth die Station Korogwe in Usambara. Er war an der Niederwerfung verschiedener Aufstände, insbesondere der arabischen Händler, die sich durch die Kolonisationsarbeit der Deutschen bedroht fühlten, beteiligt.

Nach kurzer Tätigkeit in der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes wurde er nach Westafrika versetzt, wo er eine Expedition in das Hinterland von Südkamerun führen sollte. Bevor es jedoch zu Ausführung dieses Planes kam, fand er während eines Kampfes gegen aufständische Stämme den Tod.

Von Gravenreuth wird in der Literatur auch als tüchtiger Verwaltungsbeamter und Förderer der Missionaarbeit bezeichnet.

3. Hauptmann Friedrich von Erckert wurde am 30. Dezember 1869 in Bromberg geboren, wo sein Vater Bataillonskommandeur eines Infantrieregiments war. Nach Beendigung seiner militärischen AUsbildung trat er in chilenische Dienste. Nach Deutschland zurückgekehrt, beteiligte er sich im Frühjahr 1898 am Examen zur Aufnahme in die Kriegsakademie; er wurde jedoch nicht aufgenommen. Ende November 1899 wurde e auf seine Meldung hin zur Schutztrupper nach Südwestafrika einberufen. Nach mehrwöchigen Aufenthalt in Windhuk, dem Gouvernementsitz, wurde Erckert zum Distrikt-Chef vom Omaruru ernannt. Innerhalb seines Distrikts war er zugleich oberste Verwaltungsbehörde, Polizeichef und Truppenbefehlshaber.
1902 kehrte er in die Heimat zurück, wo er beim Heere wieder angestellt wurde.
Beim Ausbruch des großen südwestafrikanischen Aufstands im Januar 1904 meldete sich Erckert wieder zur Schutztruppe.
Nach verschiedenern Kämpfen wurder er 1907 zum Kommandeur des Militärbezirks "Nord-Namaland" ernannt.
Bei der Kalahari-Expedition führte Erckert im großen Stile Kamele als Reittiere ein. Diese Expedition hatte u.a. auch die Aufagbe, die Hottentotten zurückzudrängen.

Bei einem Gefecht and er am 15. März 1908 den Tod.
Am 25. Januar 1910 wurde füt ihn in Gochas ein Denkmal von der Kalaharitruppe errichtet.

4. Oberstleutnant Joachim von Heydebreck wurde am 6. Oktober 1861 in Schwedt/Oder geboren. Er war zuletzt Kommandeur der deutschen Schutztruppe in Südwestafrika. Am 12. November 1914 fand er in der Kalaharisteppe den Tod.

II.

Die Durchsicht der einschlägigen Literatur ergab keine Anhaltspunkte dafür, daß den genannten Offizieren Handlungen zur Last gelegt werden können, die als diskriminierend zu bezeichnen wären. Sie haben Angriffe befehligt und beim Kriegshandlungen mitgewirkt, wie das er Berufsstand mit sich brachte. Falls diese Kriterien für eine Umbenennung als ausreichend angesehen werden, müßten konsequenterweise auch zahlreiche andee Straßen umbenannt werden: z.B. Arcisstr., Artilleriestr., Askaripfad, Balanstr., Barer Str., Bazeillesstr., Belfortstr., Belgradstr., Gravellotestr., Gustav-Adolf-Str., Johann-von-Werth-Str., Maillingerstr., Molkestr., Orleansstr., Pariser Str., Scharnhorststr., Sedanstr., Spicherenstr., Tillystr., Von-der-Tann-Str., WeißenburgerPlatz, Wredestr. Wörthstr., Yorkstr., Ysenburgstr., usw.
Diese Straßen erinnern alle an Krieg. Wenn dieser Gesichtspunkt, wie die Deutsche Friedensgesellschaft meint, für eine Straßenumbenennung maßgebend sein soll, könnte man logischerweise auch fordern, daß z,B, die Feldherrnhalle und das denkmal Max Emanuels oder die Schlachtengemälde in den Gemäldegalerien zu beseitigen seien.

Das Stadtarchiv kann sich diesem Standpunkt nicht anschließen. Es vertritt vielmehr die Ansicht, daß die Straßenbenennungen aus ihrer Zeit heraus verstanden werden müssen. Sie stellen, genaiso wie die Werke der bildenden Kunst, ein Spiegelbild ihrer Zeit dar, das erhaltungswürdig ist.

gez. Dr. Schattenhofer
Oberarchivdirektor

 

2. Stellungsnahme

2.1. Literaturquellen
Um eine möglichst objektive Antwort auf die Frage geben zu können, ob die Namen noch als Münchner Straßennamen verantwortbar sind, wurde in der Hauptsache Literatur herangezogen, die vor 1933 erschienen ist und Anspruch auf historische Zuverlässigkeit erheben kann. Die wenigen Bücher des beiliegenden Literaturverzeichnisss, die im Dritten Reich geschrieben wurden, stützen sich auf die militärhistorischen Quellenangaben und bieten nichts Neues, abgesehen von einem militaten oder glorifizierenden Datstellungsstil, der sich unangenehm abhebt von der meist sachlich referierenden Sprache der zeitgenössischen Augenzeugenberichte. Aus diesen geht eindeutig hervor, daß die vier Offiziere der ehemaligen Schutztruppe keine Fanatiker des Rassimus, Militarismus oder Kolonilaismus waren. Sie erfüllten ihren Beruf aus dem Geschichtsbewußtsein ihrer Zeit und hatten den guten Glauben, die Eingeorenen befrieden und schützen zu müssen. Sie sahen den Kolnialgedanken als eine legitime Sache der eurpäischen Großmächte und waren bereit, alle Strapazen und Gefahren ihres Dienstes auf sich zu nehmen. Mehrfach wird erwähnt, daß sie es ablehnten, auf grausame Kampfmethoden dr Eingeborenen mit Vergeltungsmaßnahmen zu antworten.

Es deutet nichts darauf hin, daß von Trotha und die drei Offiziere, die in den ehemaligen Kolonien den Tod fanden, inhuman gehandelt hätten.

2.2. Folgerungen
Eine diskriminierende oder provokative Wirkung kann also den fraglichen Straßemnamen nicht ausgehen. Selbst verständlich käme heute niemand mehr auf den Gedanken, eine Straße nach Namen aus dem Bereich des wilhelminischen Imperalismus und Kolonialismus zu benennen. Aber es ist auch nicht zu leugnen, daß diese alte Benennungen Realitäten der Geschichte spiegeln, die auch in einem gewandelten Geschichtsbewußtsein als überwundenen Vergangenheit integriert werden können. Genau dies meint der gewiß nicht des Militarismusverdächtige Historiker Golo Mann, wenn er sagt: "Die Geschichte ist nicht ein Mantel, den ein Volk einfach ausziehen und in den Kleiderschrank hängen kann." Im übrigen müßten nach er Entfernung der vier gerügten Namen konsequenterweise alle Namen getilgt werden, die an die Ära des Kaiserreiches erinnern. Hier seien nur die Beispiele "Gravellote", "Sedan", "Bismarck" und "Kaiser" erwähnt.

2.3 Empfehlung
Es besteht kein zwingernder Grund, die vier Straßennamen zu ändern. Es wird empfohlen, die Bezeichnungen als historische Nachweise und als Erinnerung an den gebürtigen Münchner Karl von Gavenreuth und seinen Kreis zu belassen.

gez. Dr. Alfons Ott
Bibliotheksdirektor