Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Straße | Königsplatz |
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Signatur | DE-1992-STRA-40-65-16a |
Archivalie | Straßenbenennungen |
Dokument | Ehrung der Opfer des Nationalsozialismus |
Umbenennung des Königsplatzes in Platz der Opfer des nationalsozialismus |
Wiederaufbaureferat
Referat 12 E 3
München, den 7. Januar 1947
I. An Herrn Oberbürgermeister Dr. Karl Scharnagl
II. Herrn Bürgermeister Wimmer
III. An Herrn Stadtrat Dr. Walther von Miller.
Betrifft:
Ehrung der Opfer des Nationalsozialismus; hier: Umbenennung des Königsplatzes in "Platz der Opfer des Nationalsozialismus"
(Dringlichkeitsantrag der SPD-Praktion Nr. 64).
Die Betreuungsstelle für Politisch Verfolgte hat im Dezember 1945 und Januar 1946 schriftlich und mündlich den Antrag gestellt, eine Anzahl von Strassen und Plätze nach Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu benennen, wobei paritätisch alle antinationalsozialistischen Parteien zu bedenken wären. Dabei wurde in Vorschlag gebracht, die Brienner Strasse, in der die ehemalige Gestapo ihren Sitz hatte, in "Strasse der Opfer des Faschismus" und den von den Nationalsozialisten so sehr missbrauchten Königsplatz in "Platz der Opfer des Faschismus" umzubenennen.
Bei den mündlichen Verhandlungen wurde der Vorsitzende der Betreuungsstelle, Herr Stadler, darauf hingewiesen, dass bereits mit Stadtratsbeschluss vom 5.2.1946 für die Opfer der einheimischen Bevölkerung, die im Kampf gegen das 3. Reich ihr Leben einbüssten, eine Ehrung durch Umbenennung des Hinderiburgplatzes in "Platz der Freiheit" votrgenommen wurde.
Vor Beschlussfassung wurde der schriftliche Antrag mit den Unterlagen der Gutachterkommission für Strassentenennung, bestehend aud den Herren Stadtschulrat Dr. Fingerle, Bibliotheksdirektor, Prof. Dr. Hans Ludwig Held und Archivdirektor Er. Schaffer, zur gutachtlichen Stellungnahme vorgelegt.
Die Gunchterkommission war einhellig der Ansicht, dass alte eingewurzelte Strassennamen, dije auf die historische Entwicklung der Stadt zurückgehen, nicht umbenannt werden sollen. Eie Erfahrung hat bisher gezeigt, dass in der Regel Umbenennungen von alten, bebauten Strassen und Plätzen niemals populär geworden sind, sondern meist in der breiten Oeffentlichkeit zu Widerstand herausgefordert haben.
Bibliotheksdirektor, Prof. Dr. Held hat u.a. angeregt, kommende Strassenzüge und Plätze mit den Namen der Opfer des Nationalsozialismus auszuzeichnen, damit diese als sichtbare Zeugen dieser schweren Zeit gleichsam in das Bewusstsein und in das wirkliche Gedächtnis der Bevölkerung hineinwachsen. Dabei wäre es allerdings notwendig, jetzt schon auf die zahlreichen Opfer des 3. Reiches hinzuweisen durch Aufstellung von künstlerischen Gedenksäulen oder Pyramiden an viel begangenen Punkten der Stadt.
Das Referat hat seinerzeit den Antragsteller persönlich auf die allgemeinen Schwierigkeiten, die nach der Durchführung von Umbenennungen entstehen, hijsgewiesen. Von meinem Vorgänger wurde die Neubenennung in Entstehung befindlicher Strassen vorgeschlagen, doch wurde dieses Angebot nicht als gerlügender Ausgleich erachtet. Da eine Einigung bis zu dem "Tag der Opfer des Faschismus" nicht erreicht werden konnte und auch die Möglichkeit einer Beschlussfassung durch den Stadtrat bis zu diesem Tage (10.3.1946) nicht mehr gegeben war, wurde in Anwendung des § 4 der Geschäftsanweisung für di© Stadtverwaltung München im Wege der Büroverfügung vom 4.3.1946 durch den Herrn Oberbürgermeister die Umbenennung des Rondells beim Schillerdenkmal an der Brienner Strasse in "Platz der Opfer des Nationalsozialismus " verfügt. In dieser Verfügung wurde auch zum Ausdruck gebracht, dass das Stadtbauamt beauftragt ist zu prüfen, än welchen verkehrsmassig geeigneten und vielbegangenen Punkten der Stadt künstlerische Gedenksäulen oder Pyramiden aufgestellt werden können, welche die Namen der im Kampf gegen den Nationalsozialismus Gefallenen der einzelnen Stadtteile tragen.
Ein Schreiben mit der Umbenennungsverfügung wurde dem Vorsitzenden der Betreuungsstelle für politisch Verfolgte, Herrn Stadler, am "Tage der Opfer des Faschismus" am Rondell beim Schillerdenkmal durch einen Beamten des Referates 12 übergeben (Durchschlag an das Büro des Herrn Oberbürgermeisters).
Während der Herrschaft des 3. Reiches hat die Stadtverwaltung München insgesamt 8 Vorortsbezirke, die in den Stadtbezirken 33 - 40 zusammengefasst wurden, eingemeindet. Die in diesen Gemsinden vorhandenen Strassen und Plätze tragen zu einem grossen Teil Namen, die in München bereits vorhanden sind oder Anass zu Verwechslungen geben können. Für die Umbenennung dieser zahlreichen Strassen und Plätze sind u.a. Namen von Opfern des 3. Reiohes wie Gerlich, Kahr, Siegmann, Caraciola, Stenzer , Zott, Ballerste, Sperr vorgesehen.
An Stelle vor. Strassennamen die nach Personen und Geschehnissen des Militarismus benannt worden sind, habe ich ebenfalls einige Namen von Opfern des 3. Reiches: von Harnier, Willi Graf, Christian Probst vorgesehen.
Die Stadtratsfraktion der SPD hat unterm 2.12.1946 den Dringlichkeitsantrag eingebracht, den Königsplatz in "Platz der Opfer des Nationalsozialismus" umzubenennen und die Büroentscheidung des Herrn Oberbürgermeisters vom 4.3.1946 wieder aufzuheben. In dem Antrag wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Benennung des Platzes an der Brienner Strasse nur als Augenblickslösung angesprochen werden kann, jedoch nicht geeignet ist, die grauenvollen Schandtaten der Nationalsozialisten und das Gedenken an die unglücklichen Opfer dieser Verbrecher wach zu halten. Auch biete der Königsplatz alle Möglichkeiten zur Errichtung einer Gedächtnisstatte die der Grösse der Opfer würdig ist welche die Verfolgten des Nationalsozialismus für das deutsche Volk gebracht hat.
Ich bitte um gefl. Stellungnahme und um geneigte Mitteilung, ob die beantragte Umbenennung vorgenommen werden soll.
Referat 12
Unterschrift
(Fischer)
berufsm. Stadtrat